Zusammenfassung
In seiner Vorlesung über die »Kulturgeschichte der Kulturwissenschaften« aus dem Jahr 2001 lässt der Berliner Kulturwissenschaftler Friedrich Kittler mit Hegel die Kulturgeschichte aus dem Zuständigkeitsbereich der Philosophie in den der Literatur übergehen. Bekanntlich hatte Hegel die Evolutionsgeschichte der Kultur als einen fortschreitenden Vervollkommnungsprozess auf einen paradiesischen Zustand hin konstruiert, der sich zuerst in der Religion dann in der Philosophie und schließlich in der Literatur manifestiere und reflektiere. Seit diesem Transfer der Kulturgeschichte in die Literatur, so Kittler, werde sie zu einer Kulturgeschichte des Alltags und damit zu einer Angelegenheit der »vom Zeitungsfeuilleton bezahlte[n] Schriftsteller«1 und von Autoren historischer Romane wie Walter Scott. Gleichzeitig werde Kulturgeschichte zum Gegenstand der Allgemeinheit und zu einer umfassenden, alle bisher getrennt existierenden Wissensbereiche vereinigenden Angelegenheit, die »Zeitungsnamen wie damals die Augsburger Allgemeine […] schon im Titel ausplaudern«.2 Kulturgeschichte findet nach Kittler daher seit der »Erfindung von Rotationspressen« in »Massenzeitungen und Fortsetzungsromanen« statt und versteht sich als Emanation der »Vereinigungsphantasie aller kulturbefaßten Einzelwissensschaften.«3
Achtung Stufen!
Arbeit an einer guten Prosa hat drei Stufen: eine musikalische, auf der sie komponiert, eine architektonische, auf der sie gebaut, endlich eine textile, auf der sie gewoben wird.
Walter Benjamin: »Einbahnstraße«
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Anmerkungen
Friedrich Kittler: Eine Kulturgeschichte der Kulturwissenschaften. München 2001, S. 122.
Vgl. Gunter Reus: Ironie als Widerstand: Heinrich Heines frühe Feuilletons »Briefe aus Berlin« und ihre Bedeutung für den modernen Journalismus. In: Bernd Blöbaum u. Stefan Neuhaus (Hrsg.): Literatur und Journalismus. Wiesbaden 2003, S. 159–172.
Vgl. dazu: Dirk Niefanger: Orte im Abseits. Heterotopien im Großstadt-Feuilleton Siegfried Kracauers (und der »Klassischen Moderne«). In: Christoph Brecht u. Wolfgang Fink (Hrsg.): »Unvollständig, krank und halb?« Zur Archäologie moderner Identität. Bielefeld 1996. S. 175–193.
Vgl.: Anke Gleber: Briefe aus Berlin: Heinrich Heine und seine Ästhetik der Moderne. In: Monatshefte für deutschen Unterricht, deutsche Sprache und Literatur (1990), Vol. LXXXII.4, S. 452–466;
Hinrich C. Seeba: »Keine Systematie«: Heine in Berlin and the Origin of the Urban Gaze. In: Jost Hermand u. Robert C. Holub (Hrsg.): Heinrich Heine’s Contested Identities. Politics, Religion, and Nationalism in Nineteenth-Century Germany. New York 1999, S. 89–108;
Susanne Ledanff: »Berlin ist gar keine Stadt«. Der Ursprung eines Topos. Heines »Briefe aus Berlin«. In: HJb. 38 (1999), S. 1–28.
Clifford Geertz: Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt a.M. 1987, S. 7–43.
Michail M. Bachtin: Die Ästhetik des Wortes. Hrsg. v. Rainer Grübel. Frankfurt a.M. 1979.
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Die Philosophie der Geschichte. Hrsg. v. Klaus Vieweg. München 2005, S. 67.
Vgl. insbesondere: Jost Hermand: Heines »Briefe aus Berlin«. Politische Tendenz und feuilletonistische Form. In: Helmut Kreuzer (Hrsg.): Gestaltungsgeschichte und Gesellschaftsgeschichte. Literatur-, Kunst- und Musikwissenschaftliche Studien. Stuttgart 1969, S. 284–305.
Vilém Flusser: Pilpul (1). In: Ders.: Jude sein. Essays, Briefe, Fiktionen. Hrsg. v. Stefan Bollmann u. Edith Flusser. Mannheim 1995, S. 141f.
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Schönborn, S. (2007). »Die Possenreißer sind längst abgereist«. In: Herwig, H., Kalisch, V., Kortländer, B., Kruse, J.A., Witte, B. (eds) Übergänge. Zwischen Künsten und Kulturen. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05263-6_36
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