Zusammenfassung
Wer Heines Literatur- und Kunstkritik darstellen und erklären will, steht sogleich vor zwei Hürden: Die erste bezieht sich auf ein ästhetisches Problem, die zweite auf ein historiografisches. Die ästhetische Hürde ist mit großer Schärfe und Härte von Karl Kraus benannt worden, wenn er Heine entgegenhält, dass er die deutsche Literatursprache dem Feuilleton überliefert und sie damit kompromittiert habe.1 Der Standort, von dem aus dieses Urteil gefällt wurde, ist die Autonomieästhetik der deutschen Klassik, deren dauernde Gültigkeit, auch in der Moderne, für Kraus außer Frage stand. Gemessen an der Autonomieästhetik, die den Bereich der Kunst aus dem sozialen Bereich ausgrenzt, erscheint Heines Schreiben, namentlich aber sein Umgang mit Kunst und Literatur, als zwielichtig, bald über die Grenzen des Ästhetischen hinausgehend, bald ungenügend auf das ästhetische Moment ausgerichtet. Nicht ohne Grund hat Kraus für diesen Umstand das Medium verantwortlich gemacht, dessen sich Heine zum großen Teil bediente, nämlich die Zeitung und die Zeitschrift. Für Kraus war dieses Medium, verkörpert durch das Feuilleton der Wiener Presse, der Inbegriff von Kommerzialisierung sowie journalistischer Unverantwortlichkeit und Beliebigkeit, in jedem Fall unvereinbar mit strengen ästhetischen Maßstäben. Dieser Vorwurf wirkt bekanntlich noch bis zu Adorno nach.2
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Anmerkungen
Karl Kraus: Heine und die Folgen. München 1910.
Theodor W. Adorno: Die Wunde Heine, in Adorno. Gesammelte Schriften (Hrsg. Rolf Tiedemann). Bd. 11. Frankfurt a.M. 1974, S. 95–100.
Dazu Peter Uwe Hohendahl: Fiktion und Kritik: Heines »Romantische Schule« im Kontext der zeitgenössischen Literaturgeschichte. In: Lothar Ehrlich/Hartmut Steinecke/Michael Vogt (Hrsg.): Vormärz und Klassik. Bielefeld 1999, S. 249–263.
Zur Problematik der Kunstanatomie vgl. Jochen Strobel: Nach der Autonomieästhetik. Zur Reaktion romantischer Autoren auf Veränderungen des Literatursystems in der Zeit des Vormärz. In: Wolfgang Bunzel/Peter Stern/Florian Vaßen (Hrsg.): Romantik und Vormärz. Bielefeld 2003, S. 433–459.
Dazu Peter Uwe Hohendahl: Literaturkritik in der Epoche des Liberalismus. In: Ders. (Hrsg.): Geschichte der deutschen Literaturkritik 1730–1980. Stuttgart 1985, S. 129–204.
Vgl. Helga Brandes: Die Zeitschriften des Jungen Deutschland. Opladen 1991.
Ludwig Börne: Kritische Schriften. Hrsg. v. Edgar Schumacher. Zürich 1964, S. 305–320, hier: S. 306.
Jörg Requate: Die Entstehung eines journalistischen Arbeitsmarktes im Vormärz. Deutschland im Vergleich zu Frankreich. In: Rainer Rosenberg u. Detlev Kopp (Hrsg.): Journalliteratur im Vormärz. Bielefeld 1996, S. 107–130.
Wolfgang Preisendanz: Der Funktionsübergang von Dichtung und Publizistik. In: Ders.: Heinrich Heine. München 1973, S. 21–68;
Norbert Altenhofer: Die verlorene Augensprache. Über Heinrich Heine. Frankfurt a.M. 1993, bes. S. 7–56;
Hartmut Steinecke: Unterhaltsamkeit und Artistik. Neue Schreibarten in der deutschen Literatur von Hoffmann bis Heine. Berlin 1998, S. 165–179.
Zur Literaturgeschichtsschreibung vgl. Jürgen Fohrmann: Das Projekt der deutschen Literaturgeschichte. Stuttgart 1989;
Klaus Weimar: Geschichte der deutschen Literaturwissenschaft bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. München 1989.
Michael Ansel: Auf dem Wege zur Verwissenschaftlichung der Literaturgeschichtsschreibung. Heines Abhandlungen »Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland« und »Die Romantische Schule«. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur (1992), Nr. 17,2, S. 61–94.
Dazu Walter Erhart: Das Ende der Geschichte und »verschiedenartige Theorien zur Literatur«. In: Joseph A. Kruse/Bernd Witte/Karin Füllner (Hrsg.): Aufklärung und Skepsis. Internationaler Heine-Kongreß 1997. Stuttgart 1999, S. 489–505.
Dazu Jürgen Habermas: Heinrich Heine und die Rolle des Intellektuellen in Deutschland. In: Ders.: Eine Art Schadensabwicklung. Frankfurt a.M. 1987, S. 25–54;
Peter Uwe Hohendahl: Heinrich Heine. Macht und Ohnmacht des Intellektuellen. In: Responsibility and Commitment. Ethische Postulate der Kulturvermittlung. Festschrift für Jost Hermand. Hrsg. v. Klaus L. Berghahn/Robert C. Holub/Klaus R. Scherpe. Frankfurt a.M. 1996, S. 91–107;
Gerhard Höhn: Heinrich Heine. Un intellectuel moderne. Paris 1994.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2007 Springer-Verlag GmbH Deutschland
About this chapter
Cite this chapter
Hohendahl, P.U. (2007). Zwischen Feuilleton und Geschichtsschreibung. In: Herwig, H., Kalisch, V., Kortländer, B., Kruse, J.A., Witte, B. (eds) Übergänge. Zwischen Künsten und Kulturen. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05263-6_33
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-05263-6_33
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-02184-7
Online ISBN: 978-3-476-05263-6
eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)