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Parsifal

Ästhetisierung der Revolution

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»Blühendes Leid«

Zusammenfassung

Am 29. April 1879, mitten in der Arbeit am Parsifal, notierte Cosima in ihrem Tagebuch Wagners Hinweis: »Eigentlich hätte Siegfried Parsifal werden sollen und Wotan erlösen, auf seinen Streifzügen auf den leidenden Wotan (für Amfortas) treffen, aber es fehlte der Vorbote, und so mußte das wohl bleiben«1. Wagner, der hier selbst den Ring in einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Parsifal bringt, und zwar als notwendiges ›Vorläuferwerk‹, hat die innere Beziehung zwischen diesen beiden immer wieder betont. In Cosimas Tagebüchern finden sich zahlreiche Vergleiche zwischen einzelnen Figuren von Ring und Parsifal, überraschende Querverbindungen mit noch überraschenderen Begründungen. So heißt es einmal: »Wer ist Titurel? … Wotan, … in der Weltentsagenheit wird ihm die Erlösung zu Teil, ihm wird das höchste Gut anvertraut, und nun hütet er es kriegerisch göttlich. …Titurel, der kleine Titus, Titus das Sinnbild für königliches Ansehen und Macht, Wotan der Gott-König«2. Und dann: »Richard findet Ähnlichkeit im Wesen Wotan’s und Kundry’s, beide sehnten sich nach Erlösung und bäumten sich gegen sie auf; Kundry in der Szene mit P., Wotan mit Siegfried«3. Alberich und Klingsor erscheinen Wagner verwandt, in Alberich repräsentiere sich »die Naivität der unchristlichen Welt, in Klingsor das Eigentümliche, welches das Christentum in die Welt gebracht«4 habe. Über Parsifal bemerkt Wagner: »den konnten sie nicht fangen wie Siegfried, die Fliege war zu groß«5. Aber Wotan hat für Wagner auch manches mit Amfortas gemein, und die Liebe Brünnhildes zu Wotan ähnelt jener von Kundry zu Amfortas, die Rolle, die das Gold im Ring spielt, entspricht der Rolle des Grals im Parsifal.

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Notizen

  1. Ein gegensätzliches Verständnis zu meiner im folgenden gegebenen Interpretation formuliert z. B. Dieter Borchmeyer, Erlösung und Apokatastasis: Parsifal und die Religion des späten Wagner, in: Richard Wagner, Frankfurt/M. 2002, S. 308 ff.

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  2. Carl Dahlhaus, Richard Wagners Musikdramen, Zürich/Schwäbisch Hall 1985, S. 143.

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  4. Zusammenfassend Hans-Joachim Bauer, Richard Wagner, Stuttgart 1992,

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  34. Vgl. für viele Hartmut Zelinsky Verfall, Vernichtung, Weltentrückung. Richard Wagners antisemitische Werk-Idee als Kunstreligion und Zivilisationskritik und ihre Verbreitung bis 1933, in: Saul Friedländer/Jörn Rüsen (hg), Richard Wagner im Dritten Reich, München 2000 S. 309 ff. und die in den Anmerkungen genannten Schriften vom selben Verfasser.

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Bermbach, U. (2003). Parsifal. In: »Blühendes Leid«. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05248-3_10

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-05248-3_10

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