Zusammenfassung
Will man systematisieren, was die neuzeitliche Denk- wie Seinserfahrung der Langeweile von anderen, früheren Erfahrungen unterscheidet, dann empfehlen sich vorab folgende Eingrenzungen: 1. Langeweile muß in Daseinsformen oder -gebieten als durchgängige Herausforderung auffindbar sein, d.h. eine ‚Gestimmtheit’, ‚Verfaßtheit’, ‚Ausdrucksweise’ struktureller Zwänge und Möglichkeiten bilden. 2. Ihre Bewältigung muß über Strategien hinausgehen, die sie als Krankheit oder als Laster, kurz: als bloße Indisponiertheit entweder der moralischen oder der Affektnatur, in die Schranken weisen. Die Frage wird also sein, ob und worin Langeweile neuzeitlich ein Positivum in Denken und Dasein darstellen könne. Der Fortfall von Transzendenzen — ‚Säkularisierung’, ‚Entzauberung der Welt’ u.ä. —, wie in der Langeweiledeutung vielfach ins Feld geführt, erhellt die Genese des Problems wie seiner Erfahrung, indem kulturelle Kompensate als Antworten auf eine ansonsten drohende Götter-, Seins- oder Sinnleere aufgefaßt werden. Offen bleibt die Frage, warum sich jenseits des Entstehungskontextes ‚Säkularisierung’ bestimmte Formen von Langeweile wie Langeweilekompensation dauerhaft — und positiv erfahrbar — etablieren konnten und wie sie zusammenhängen. Derartige Positiva, die zugleich als Gründe wie Effekte einer spezifisch neuzeitlichen Langeweileerfahrung auftreten, finden sich im bewußtseinsgeschichtlichen Dreieck von Liebe, Arbeit und Macht.
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Anmerkung
Vgl. Georg Zenkert, Die Konstitution der Macht. Kompetenz, Ordnung und Integration in der politischen Verfassung, Tübingen 2004, 143ff.
Saul Bellow, Humboldts Vermächtnis. Roman, München 1980, 234.
Vgl. Johannes Hoffmeister, Dokumente zu Hegels Entwicklung, Hamburg 21974, 314ff., hier: 475, 318.
Vgl. Paul Oskar Kristeller, Humanismus und Renaissance, zwei Bände, München 1974, I, 65.
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Große, J. (2008). Epilog: Die neuzeitliche Langeweile im Dreieck von Liebe, Arbeit, Macht. In: Philosophie der Langeweile. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05231-5_6
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