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Die Paradoxie der Normalisierung Drei Gegensatzpaare des Antisemitismus vor und nach Auschwitz

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Zusammenfassung

Die spezifisch kulturwissenschaftliche Kompetenz und Zuständigkeit liegt darin, Texte zu deuten, zu entschlüsseln, zu re- und dekonstruieren. Es ist erstaunlich, wie wenig diese Kompetenz in einem in anderen Arbeitsgebieten selbstverständlichen Niveau in der Antisemitismusforschung realisiert wurde. Wir verfügen über keine einzige Lektüre von Hitlers „Mein Kampf“, die dem hermeneutischen Niveau einer gängigen Abhandlung über Goethes „Faust“ entspräche. Dementsprechend sind nach wie vor Grundfragen der Antisemitismusforschung offen, die durch systematische Lektüren beantwortet werden könnten. Dies gilt für das spezielle Feld des Literarischen Antisemitismus, aber auch generell für eine literaturwissenschaftlich informierTe Lektüre nicht-literarischer Texte.1 Sich dem Literarischen Antisemitismus konzentriert zuzuwenden, könnte deshalb mehr erreichen, als ‚nur‘ dieses spezifische Feld zu bearbeiten. Es könnte dazu beitragen, die kulturwissenschaftlichen Kompetenzen in der Antisemitismusforschung zu stärken und insbesondere zu einer präziseren Lektüre antisemitischer Texte anzuregen.

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Anmerkung

  1. Unter ‚Text“ verstehe ich allgemein jede dauerhafte Fixierung von Sinn, also z.B. ein Schriftstück, ein Gemälde oder ein Video, so dass eine Analyse des Sinns methodisch kontrolliert möglich ist. Zum (methodologisch angelegten) Textbegriff siehe Klaus Holz, Nationaler Antisemitismus. Wissenssoziologie einer Weltanschauung, Hamburg 2001, 116–164.

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  5. Vgl. zu dieser Formulierung auch Nicoline Hortzitz, ‚Früh-Antisemitismus‘ in Deutschland (1789–1871/72). Strukturelle Untersuchungen zu Wortschatz, Text und Argumentation, Tübingen 1988, 168–172.

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  6. Diese Konstruktion findet sich in einem weiten Spektrum an Semantiken, auf die ich hier nur pauschal verweisen kann. Man denke etwa an Max Webers Analyse der protestantischen Ethik, in der Arbeit als Selbstzweck — statt für Konsum/Geld oder als Herbeiführung göttlicher Gnade — verpflichtend wird. Die Kritische Theorie begreift „Produktion als Selbstzweck“ als eines der zentralen Ideologeme der kapitalistischen Gesellschaft (Theodor W. Adorno, Negative Dialektik, in: Gesammelte Schriften, hg. v. Rolf Tiedemann, Frankfurt am Main 1970–1986, Bd. 6, 302).

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  7. Tatsächlich ist — Marx zufolge — die „Zirkulation des Geldes als Kapital“ der „Selbstzweck, denn die Verwertung des Werts existiert nur innerhalb“ der Zirkulation (Karl Marx, Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, Band I, zit. n. der 4. veränd. Aufl., in: Marx Engels Werke, Berlin (Ost), Bd. 23, 167). Siehe dazu Jan Weyand, Adornos Kritische Theorie des Subjekts, Lüneburg 2000.

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  9. Ich konzentriere meine überlegung in diesem Beitrag auf die nationale Semantik. Zu Integration des nationalen Antisemitismus mit dem Rassismus und der christlichen Religionen siehe Holz, Nationaler Antisemitismus, a.a.O. (Anm. 1); bzgl. des islamistischen Antisemitismus siehe Klaus Holz, Die Gegenwart des Antisemitismus. Islamistische, demokratische und antizionistische Judenfeindschaft, Hamburg 2005;

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  21. Der Aussage „Was der Staat Israel heute mit den Palästinensern macht, ist im Prinzip auch nichts anderes als das, was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben“ stimmten 2004 in einer repräsentativen Erhebung in Deutschland 51% zu. Nach Aribert Heyder, Julia Iser und Peter Schmidt, Israelkritik oder Antisemitismus? Meinungsbildung zwischen Öffentlichkeit, Medien und Tabus, S. 151, in: Wilhelm Heitmeyer, Deutsche Zustände, Folge 3, Frankfurt am Main 2005, 144–165, hier: 151.

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Klaus-Michael Bogdal Klaus Holz Matthias N. Lorenz

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© 2007 Springer-Verlag GmbH Deutschland

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Holz, K. (2007). Die Paradoxie der Normalisierung Drei Gegensatzpaare des Antisemitismus vor und nach Auschwitz. In: Bogdal, KM., Holz, K., Lorenz, M.N. (eds) Literarischer Antisemitismus nach Auschwitz. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05224-7_3

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-05224-7_3

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-02240-0

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