Zusammenfassung
Die medialen Vorzeichen von Theateraufführungen einerseits und den Geschichten narrativer Texte andererseits sind denkbar unterschiedlich. Theateraufführungen setzen bei den Rezipienten voraus, sich mit den Akteuren zur selben Zeit am selben Ort zu befi nden und als Zuschauer in die sinnliche Unmittelbarkeit der jeweiligen Aufführungssituation involviert werden zu können. Dasjenige, was es im Rahmen eines inszenatorischen Entwurfs zu erleben gilt, ist transitorisch bzw. flüchtig und kann nur um den Preis im Nachhinein sprachlich festgehalten werden, dass der Ereignischarakter der Aufführung durch diesen Versuch streng genommen aufgehoben wird. Der Kunstcharakter der Aufführung beruht darin, sich als ein Ereignis zu vollziehen.1 In Bezug auf die medialen Bedingungen der Aufführung, die Erfahrung von Präsenz zu ermöglichen, stoßen literarische Texte aufgrund ihrer Medialität vermeintlich an ihre künstlerische Grenze: »Es ist die leibliche Ko-Präsenz von Akteuren und Zuschauern, welche eine Aufführung allererst ermöglicht, welche die Aufführung konstituiert.«2 Unter den spezifi schen Bedingungen des Schriftmediums schaffen die Zeichen des Textes im Vergleich zur Aufführung, die sich als Ereignis vollzieht, eine eigentümliche Distanz. Der Rezeption bleibt es dabei immer vorbehalten, ihrerseits auf Distanz zu gehen, und sich den Text als das zu vergegenwärtigen, was er ist, ein komplexes Gebilde gedruckter Buchstaben auf Papier. Insbesondere moderne literarische Texte wenden sich an einen Rezipienten, der in der zumeist stillen und einsamen Lektüre nicht an einem durch die Ko-Präsenz von Akteuren und Zuschauern geprägten Prozess teilnimmt. Indessen ist die Intention des Autors denkbar, das eigene Text-Medium mit den ihm zur Verfügung stehenden literarischen Mitteln zu der Aufführung als einer ästhetischen Kategorie hin zu öffnen. Die ästhetische Kategorie der Aufführung für den Text produktiv zu machen, bindet in diesem Fall die konzeptionelle Aufgabe an sich, die Aufführung als Mitteilungsform in den Text zu integrieren. Auf welche Art und Weise diese Möglichkeit realisiert werden kann, soll im Folgenden bei Heine verdeutlicht werden. In diesem Zusammenhang ist zunächst anhand eines exemplarischen Falls die Frage nach der besonderen Motivation des Autors leitend, die Aufführung als Mitteilungsform in die eigene Schreibart aufzunehmen, um daraufhin die unterschiedlichen Aspekte der Aufführung im Textbeispiel zu konkretisieren.
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Wortmann, S. (2011). Inszenierung als Strategie bei Heine und Nietzsche. In: „das Wort will Fleisch werden“. Heine-Studien. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05195-0_2
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