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Von der metaphysischen zur sozialen Krankheit

Dämonomanie in Büchners Lenz

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Georg Büchner und die Romantik

Part of the book series: Abhandlungen zur Literaturwissenschaft ((ABLI))

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Zusammenfassung

Die Überlegungen des Beitrages besagen, dass auf der Basis von Esquirols Ideen auch in der Literatur eine neue soziale oder sogar politische Dimension im Nachdenken über Verfolgungswahn Einzug hält. Mit diesem Paradigmenwechsel lässt sich präzise die Differenz zwischen Büchner und Autoren wie Goethe, Tieck oder Hoffmann beschreiben, die vor allem die hereditäre und die metaphysische Dimension des dämonischen Verfolgungswahns in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen gestellt hatten. Die Vorstellung einer potenziellen Realität der eingebildeten metaphysischen Verfolger streicht nun Büchner genauso wie das Interesse an der hereditären Erwerbung der Krankheit und konzentriert sich stattdessen weitgehend, im Sinne Esquirols, auf deren sozialen Erwerb.

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Notes

  1. 1.

    Vgl. zum Folgenden Vf.: Verfolgungswahn und Vererbung. Metaphysische Medizin bei Goethe, Tieck und Hoffmann. Göttingen 2018.

  2. 2.

    Karl Philipp Moritz, Karl Christoph Nencke: Geschichte des Herrn D… als ein Pendant zur Geschichte des Herrn Klug. In: Karl Philipp Moritz: Gnōthi sauton oder Magazin zur Erfahrungs-Seelenkunde als ein Lesebuch für Gelehrte und Ungelehrte. Mit Unterstützung mehrerer Wahrheitsfreunde. Hrsg. von dems. und Salomon Maimon. Bd. I/2. Berlin 1783, S. 7–10, hier S. 8 f.

  3. 3.

    Vgl. zur Fallgeschichte im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert Johannes Friedrich Lehmann: Erfinden, was der Fall ist. Fallgeschichte und Rahmen bei Schiller, Büchner und Musil. In: Zeitschrift für Germanistik NF 19/2 (2009), S. 361–380, hier S. 366–374.

  4. 4.

    Karl Philipp Moritz: Vorschlag zu einem Magazin einer Erfahrungs-Seelenkunde. In: Ders.: Werke in zwei Bänden. Hrsg. von Heide Hollmer und Albert Meier. Bd. I: Dichtungen und Schriften zur Erfahrungsseelenkunde. Frankfurt a. M. 1999, S. 797 f. (Zitat: S. 798).

  5. 5.

    Johann Christian Reil: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen (1803). Hrsg. von Frank Löhrer. ND Aachen 2001, S. 306 f.

  6. 6.

    Hierzu Jörg Jantzen: Physiologische Theorien. In: Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Historisch-kritische Ausgabe. Hrsg. von Thomas Buchheim u. a. Ergänzungsband zu Werke Bd. 5 bis 9. Stuttgart 1994, S. 375–670; Hans-Jörg Rheinberger, Staffan Müller-Wille: Vererbung. Geschichte und Kultur eines biologischen Konzepts. Frankfurt a. M. 2009, S. 64–100; zur Vererbung in der Literatur: Siegrid Weigel: Genea-Logik. Generation, Tradition und Evolution zwischen Kultur- und Naturwissenschaften. München u. a. 2006; Ohad Parnes, Ulrike Vedder, Stefan Willer: Das Konzept der Generation. Eine Wissenschafts- und Kulturgeschichte. Frankfurt a. M. 2008; Ulrike Vedder: Das Testament als literarisches Dispositiv. Kulturelle Praktiken des Erbes in der Literatur des 19. Jahrhunderts. München 2011, allerdings ohne besonderen Schwerpunkt auf der Goethezeit bzw. Romantik. Hierzu: Vf.: ‚Das Allerheiligste der Zeugung‘. Zum epistemischen und poetologischen Gehalt der Zwillings-Metapher in Jean Pauls ‚Flegeljahren‘ (mit einem Exkurs zur Geminologie um 1800). In: Jean-Paul-Jahrbuch 48/49 (2014), S. 285–308.

  7. 7.

    Karl Christoph Nencke: Auszug aus einem Briefe. In: Karl Philipp Moritz: Gnōthi sauton oder Magazin zur Erfahrungs-Seelenkunde als ein Lesebuch für Gelehrte und Ungelehrte (wie Anm. 2), S. 1–6, hier S. 1. Hervorh. MB.

  8. 8.

    Die Hrsg. von MBA V gehen davon aus, dass der Roman und die Figur in Büchners Lenz Niederschlag gefunden haben (ebd., S. 447). Vgl. zu Büchners Goethe-Rezeption allgemein Burghard Dedner: ‚In Shakespeare finden wir es … in Göthe manchmal‘. Büchner und Goethe. In: Ders., Ralf Beil (Hrsg.): Georg Büchner. Revolutionär mit Feder und Skalpell. Ostfildern 2013, S. 293–305.

  9. 9.

    Jean Étienne Dominique Esquirol: Allgemeine und specielle Pathologie und Therapie der Seelenstörungen. Nebst einem Anhang von J. C. A. Heinroth, übersetzt von Karl Christian Hille. Leipzig 1827, S. 223, spricht von „hypochondrische[n] Melancholien“.

  10. 10.

    Esquirol, Jean Étienne: Art. Démonomanie. In: Marie-Joseph Alard (Hrsg.): Dictionnaire encyclopédique des sciences médicales. Par une société de médecins et de chirurgiens. 60 Bde. Paris 1812–1822. Bd. VIII, S. 294–316.

  11. 11.

    Esquirol: Art. Monomanie (wie Anm. 10). Bd. XXXIV, S. 114–125.

  12. 12.

    Esquirol: Allgemeine und specielle Pathologie (wie Anm. 9), S. 208 f.

  13. 13.

    Ebd., S. 226: Ein „Herr … […] gerieth […] in die größte Verzweiflung, beschuldigte Jedermann der Ungerechtigkeit, und hielt sich für den Gegenstand ihres Hasses und ihrer Verfolgung“. Schließlich wird seine Geisteshaltung suizidal: „Endlich machte er mehrere Versuche sich zu tödten“. Ein ähnliches Beispiel findet sich ebd., S. 236. Weitere Beispiele dieser Art folgen.

  14. 14.

    Ebd., S. 208 f.; 54; 201.

  15. 15.

    Vgl. hierzu Steffen Martus: Animalischer Magnetismus, Pathographie und Kunst in Büchners ‚Lenz‘. In: Thomas Wegmann, Martina King (Hrsg.): Fallgeschichte(n) als Narrativ zwischen Literatur und Wissen. Innsbruck 2016, S. 139–166, hier S. 142 f., sowie Yvonne Wübben: Büchners ‚Lenz‘. Geschichte eines Falls. Konstanz 2016, S. 82 f. Wübben verbindet ihre Rekonstruktion mit einer gut begründeten Kritik an der nicht-kohärenten Gegenüberstellung von Psychikern und Somatikern, an der die Büchner-Forschung seit vielen Jahren festhält; vgl. z. B. Sabine Kubik: Krankheit und Medizin im literarischen Werk Georg Büchners. Stuttgart 1991, S. 120–127; Carolin Seling-Dietz: Büchners ‚Lenz‘ als Rekonstruktion eines Falls ‚religiöser Melancholie‘. In: Georg Büchner Jahrbuch 9 (1995–1999), S. 188–236, hier S. 229.

  16. 16.

    Esquirol: Allgemeine und specielle Pathologie (wie Anm. 9), S. 256.

  17. 17.

    Esquirol bezeichnet mit der „religiöse[n] Melancholie oder […] Dämonomanie“ diejenien „Delirien […], die sich auf übersinnliche Ideen, auf geistige Wesen, und auf Alles, was zu dem Glauben und Religionscultus gehört, beziehen“. Ebd., S. 250–252.

  18. 18.

    Vgl. zur Geschichte der Hypochondrie als Furcht-Krankheit Esther Fischer-Homberger: Hypochondrie. Melancholie bis Neurose. Krankheiten und Zustandsbilder. Bern 1970.

  19. 19.

    Esquirol: Allgemeine und specielle Pathologie (wie Anm. 9), S. 208.

  20. 20.

    Ebd., S. 256. Ähnlich die folgende Passage: „Es ist schon lange her, daß man behauptete, die Seelenstörungen wären Krankheiten der Civilisation; man würde in gewisser Rücksicht der Wahrheit viel näher gekommen seyn, hätte man es von dieser Form gesagt: denn in der That, je weiter die Civilisation vorgeschrieben ist, um so häufiger findet man auch sie [die Seelenstörungen], die ihren Character und ihre Ursachen von und in den verschiedenen Graden der Civilisation entlehnt und findet.“ (ebd., S. 200 f.).

  21. 21.

    Ebd., S. 208.

  22. 22.

    Hierzu ausführlich Vf.: ‚Verborgene Mittel‘. Verfolgungswahn im Fall Woyzeck (Büchner/Clarus/Esquirol). Erscheint in: Rudolf Behrens, Carsten Zelle (Hrsg.): Causes célèbres. Tübingen 2020.

  23. 23.

    Vgl. Seling-Dietz: Büchners ‚Lenz‘ als Rekonstruktion eines Falls ‚religiöser Melancholie‘ (wie Anm. 15), S. 209 u. ö.; Wübben: Büchners ‚Lenz‘ (wie Anm. 15), S. 100–104.

  24. 24.

    Vgl. Wübben: Büchners ‚Lenz‘ (wie Anm. 15), S. 102 f. Textstellen von Büchner werden hier und im Folgenden zit. nach der Marburger Büchner Ausgabe (Darmstadt 2000–2013) unter der Sigle MBA. Die Nachweise erscheinen direkt im Text.

  25. 25.

    Ebd., S. 102; Esquirol: Allgemeine und specielle Pathologie (wie Anm. 9), S. 199: Also „ist die Monomanie […], oder der fixe Wahn, dasjenige fieberlose Delirium, welches bloß partiell, oder nur auf einen Gegenstand gerichtet ist“.

  26. 26.

    Esquirol: Allgemeine und specielle Pathologie (wie Anm. 9), S. 258: „Giebt es auch keine Besessenen mehr, so giebt es doch noch einige Gestörte (monomaniaci), die in der Gewalt von Dämonen zu seyn glauben“. Die „Symptome“ von „Dämonomanien“ und denen, die glauben, „Besessene[ ]“ zu sein, sind „dieselben“ „und daher schließe ich, daß die Besessenen u. s.w. wirklich Gestörte […] gewesen sind“.

  27. 27.

    Seling-Dietz: Büchners ‚Lenz‘ als Rekonstruktion eines Falls ‚religiöser Melancholie‘ (wie Anm. 15), S. 215 f.; 225 u. ö.

  28. 28.

    Vgl. zur Geschichte des Verfolgungswahns im Rahmen der Paranoia, also seit Mitte des 19. Jahrhunderts, Aubrey Lewis: Paranoia and Paranoid. A Historical Perspective. In: Psychological Medicine 1 (1970), S. 2–12; Udo Loll: Nicht-endogene Faktoren in endomorphen Psychosen. Anhang: Die Geschichte der Paranoia. Hamburg 1988, S. 136 f.; David Trotter: Paranoid Modernism. Literary Experiment, Psychosis and the Professionalization of English Society. Oxford 2001, S. 19–31.

  29. 29.

    Johann Christian Reil: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttung. Halle 1803, S. 283.

  30. 30.

    Die von Dämonomanie Ergriffenen, schreibt Esquirol, „schlafen fast gar nicht, essen wenig“ (Esquirol: Allgemeine und specielle Pathologie (wie Anm. 9), S. 270).

  31. 31.

    Vgl. zu den Tieck-Bezügen die Ausführungen der Herausgeber in MBA V, S. 379. Die Annahme, dass mit dieser Formulierung nur ein An-, aber noch nicht Ausbrechen der Krankheit beschrieben wird, scheint mir nicht ganz nachvollziehbar (so Seling-Dietz: Büchners ‚Lenz‘ als Rekonstruktion eines Falls ‚religiöser Melancholie‘ (wie Anm. 15), S. 207; 211).

  32. 32.

    Vgl. Wübben: Büchners ‚Lenz‘ (wie Anm. 15), S. 91 (ohne Hinweis auf Verfolgungswahn).

  33. 33.

    Johann Wolfgang von Goethe: Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche. Frankfurter Ausgabe in 40 Bänden. Hrsg. von Friedmar Apel und Dieter Borchmeyer. Bd. IX: Wilhelm Meisters Lehrjahre. ‚Wilhelm Meisters theatralische Sendung‘, die ‚Lehrjahre‘ und die ‚Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten‘, aus den Quellen ediert und neu kommentiert. Frankfurt a. M. 1992, S. 570. Hervorh. MB.

  34. 34.

    Ebd., S. 972. Hervorh. MB.

  35. 35.

    Vgl. den Kommentar der Herausgeber in MBA V, S. 373 f.

  36. 36.

    Ludwig Tieck: Schriften in zwölf Bänden. Hrsg. von Manfred Franck et al. Bd. VI: Phantasus. Frankfurt a. M. 1985, S. 191.

  37. 37.

    Christian sieht in der Entkleidungsszene „eine große weibliche Gestalt“. Und der Erzähler unterstreicht diese Wahrnehmung noch einmal mit folgenden Worten: „sie schien nicht den Sterblichen anzugehören, so groß, so mächtig waren ihre Glieder“ (ebd., S. 191; Hervorh. MB). Die Vorstellung von der Übergröße der schwarzhaarigen Schönheit hat sich auch bis in die Fantasmagorie beim zweiten Gebirgsbesuch gehalten: „Schreiten die großen Glieder nicht aus den Bergen auf mich zu?“ (ebd., S. 197; Hervorh. MB), rief Christian zum damaligen Zeitpunkt. Man denke auch an den Abgang des Waldweibs als Schöne vom Berg, bei dem Christian „den hohen Gang, den mächtigen Bau der Glieder“ (ebd., S. 204; Hervorh. MB) zu sehen vermeint. Und auch am Schluss nennt Christian die Frau „die Gewaltige“ (ebd., S. 208; Hervorh. MB). Hierzu Vf.: Verfolgungswahn und Vererbung (wie Anm. 1), S. 221–229. Lenz hatte ganz am Anfang bereits die Natur personal mit genau diesem Wortlaut beschrieben: die „gewaltigen Glieder“. Gleich darauf erfolgt ein „Es drängte in ihm“ (MBA V, S. 31).

  38. 38.

    Vgl. Wübben: Büchners ‚Lenz‘ (wie Anm. 15), S. 92–99. Nicht auszuschließen ist, dass sich, wie Wübben argumentiert, Lenz’ Dämonomanie durch den möglichen somnambulen Rapport im Haus des kranken Mädchens verstärkt hat. Dass sich jedoch Lenz bereits seit seiner Predigt in einem magnetischen Zustand bzw. Rapport mit der Gemeinde befunden habe (so Martus: Animalischer Magnetismus, Pathographie und Kunst in Büchners ‚Lenz‘ (wie Anm. 15), S. 151–158; Gideon Stiening: Literatur und Wissen in Büchners Werk. Studien zu seinen wissenschaftlichen, politischen und literarischen Texten. Berlin u. a. voraussichtlich 2019), scheint mir etwas zu weit zu gehen, schon allein deswegen, weil eine solche Lesart den pietistisch-mystischen Charakter der Predigt-Szene negiert (s. Anm. 57). Wichtiger für die Entwicklung von Lenz’ religiösem Verfolgungswahn ist vielmehr die – vom Magnetismus ursprünglich unabhängige, dann jedoch von ihm verstärkte – Vorstellung eines real in die Welt eingreifenden Gottes. Dieser Idee leisten Oberlin und der Magnetiseur Vorschub, mit dem Effekt, dass Lenz sie zu seinem Wahnsystem eines verfolgenden bzw. verfeindeten Gott ausbaut. Nur in dieser Hinsicht, nicht aber in Bezug auf die Details der spezifisch elsässischen Verbindung von Magnetismus und Spiritismus scheinen mir die beiden Figuren auf Lenz bezogen.

  39. 39.

    Schon im nächsten Satz wird Lenz selbst als ein gefühlter Aggressor (für sich selbst) beschrieben: „Auch fürchtete er sich vor sich selbst in der Einsamkeit“ (MBA V, S. 41).

  40. 40.

    Die wichtigsten Positionen der Forschungsliteratur zum Kunstgespräch, die hier nicht detailliert wiedergegeben werden können, werden bei Sebastian Kaufmann: Ästhetik des Leidens? Zur antiidealistischen Kunstkonzeption in Georg Büchners ‚Lenz‘. In: Georg Büchner Jahrbuch 13 (2013–2015), S. 177–206, referiert. Harald Neumeyer: Vom melancholischen Reden über eine ‚Kunst des Lebens‘. Georg Büchners ‚Lenz‘ und das medizinisch-psychiatrische Wissen um Seelenstörungen. In: Gustav Frank (Hrsg.): Wissenskulturen des Vormärz. Bielefeld 2012, S. 315–340, hier S. 320–340, untersuchte das Kunstgespräch mit Blick auf die Melancholie bzw. den Wahnsinn des einen Sprechers – und führt damit die wichtigsten beiden Forschungsstränge zu Büchners Erzählung zusammen.

  41. 41.

    Oberlin: Herr L…, MBA V, S. 239: „daß ich ihn liebte“.

  42. 42.

    So die Herausgeber in MBA V, S. 390.

  43. 43.

    Hierzu Georg Reuchlein: ‚… als jage der Wahnsinn auf Rossen hinter ihm‘. Zur Geschichtlichkeit von Georg Büchners Modernität: Eine Archäologie der Darstellung seelischen Leidens im ‚Lenz‘. In: Jahrbuch für internationale Germanistik 28/1 (1996), S. 59–111, hier S. 66 f.

  44. 44.

    Goethe: Sämtliche Werke (wie Anm. 33), S. 716.

  45. 45.

    Johann Friedrich Zückert: Medicinisch-moralische Abhandlung von den Leidenschaften. Berlin 41784, S. 123.

  46. 46.

    Seling-Dietz: Büchners ‚Lenz‘ als Rekonstruktion eines Falls ‚religiöser Melancholie‘ (wie Anm. 15), S. 212 f., erwägt einen Heinroth-Bezug.

  47. 47.

    Die hier geschilderte Ambivalenz in Bezug auf Oberlin entgeht meines Erachtens Kubik: Krankheit und Medizin im literarischen Werk Georg Büchners (wie Anm. 15), S. 120–137, die ein klares und eindeutiges Verschulden Oberlins konstatiert; eine Position, die dann zu Büchners Position in den psychiatrischen Diskursen seiner Zeit hochgerechnet wird, der zum eindeutigen Gegner der psychischen Schule Heinroths etc. erklärt wird. Vgl. zur Kritik an Kubik auch Reuchlein: ‚… als jage der Wahnsinn auf Rossen hinter ihm‘ (wie Anm. 43), S. 71 f.

  48. 48.

    Die Herausgeber verweisen in MBA V, S. 389 als mögliche Quelle auf Schuberts Berichte eines Visionärs.

  49. 49.

    Vgl. den Kommentar der Herausgeber in MBA V, S. 396.

  50. 50.

    Vgl. ebd., S. 145–161 sowie (zur internen Fokalisierung) Burghard Dedner: Zur Entwurfshaftigkeit von Büchners ‚Lenz‘. Eine Replik. In: Norbert Otto Eke (Hrsg.): Vormärz und ExilVormärz im Exil. Bielefeld 2005, S. 445–467. Vgl. zur Funktion der internen Fokalisierung Rüdiger Campe: Von Fall zu Fall. Goethes ‚Werther‘, Büchners ‚Lenz‘. In: Inka Mülder-Bach (Hrsg.): Was der Fall ist. Casus und Lapsus. Paderborn 2014, S. 33–55, hier S. 48–55.

  51. 51.

    So schon die Herausgeber in MBA V, S. 373.

  52. 52.

    Vgl. zur Spiegelung von psychischer Krankheit und Landschaft in Büchners Lenz Gerd Michels: Landschaft in Georg Büchners ‚Lenz‘. In: Ders.: Textanalyse und Textverstehen. Heidelberg 1981, S. 12–33; Harald Schmidt: Melancholie und Landschaft. Die psychotische und ästhetische Struktur der Naturschilderungen in Georg Büchners ‚Lenz‘. Opladen 1994; Ingrid Oesterle: ‚Ach die Kunst‘ – ‚Ach die erbärmliche Wirklichkeit‘. Ästhetische Modellierung des Lebens und ihre Dekomposition in Georg Büchners ‚Lenz‘. In: Bernhard Spies (Hrsg.): Ideologie und Utopie in der deutschen Literatur der Neuzeit. Würzburg 1995, S. 58–67, hier S. 63 f.; Bernhard Greiner: ‚Lenz’‘ Doppelgesicht. Büchners Spaltung der Figur als Bedingung der Kohärenz der Erzählung. In: Patrick Fortmann (Hrsg.): Commitment and compassion. Essays on Georg Büchner. Amsterdam 2012, S. 91–111, hier S. 93–98.

  53. 53.

    Vgl. zur Funktion der irrealen Vergleichssätze bei der Beschreibung psychischer Krankheit im Lenz Olivetta Gentilin: ‚es war ihm, als‘. Irreale Vergleichssätze als Darstellungsmodus des Wahnsinns in Georg Büchners Erzählung ‚Lenz‘. In: Diegesis. Interdisziplinäres E-Journal für Erzählforschung 6/2 (2017), S. 52–70, hier S. 58 f.; 62–66.

  54. 54.

    Esquirol: Allgemeine und specielle Pathologie (wie Anm. 9), S. 271.

  55. 55.

    Ebd., S. 202, unterscheidet eine „Monomanie im engeren Sinne des Wortes, oder die Verrücktheit und in die Melancholie“. Zur unscharfen Abgrenzung von Melancholie und Wahnsinn in Esquirols Dämonomanie-Lehre vgl. Neumeyer: Vom melancholischen Reden über eine ‚Kunst des Lebens‘ (wie Anm. 40), S. 317 f. Vgl. zur Halluzination als integralem Bestandteil von Esquirols Monomanie-Lehre Wübben: Büchners ‚Lenz‘ (wie Anm. 15), S. 104–110.

  56. 56.

    Vgl. ebd., S. 418 f.

  57. 57.

    Dies ist insofern bemerkenswert, als Lenz unmittelbar nach seiner pietistischen Predigt ein Gefühl der mystischen Einheit mit Gott zu erleben glaubt: „Jetzt, ein anderes Seyn, göttliche, zuckende Lippen bückten sich über ihm aus, und sogen sich an seine Lippen […], es zuckten seine Glieder, es war ihm als müsse er sich auflösen, er konnte kein Ende finden der Wollust“ (MBA V, S. 35; vgl. hierzu die instruktiven Ausführungen von Ikumi Waragai: Die Funktion des pietistischen Sprachgebrauchs in Büchners ‚Lenz‘. In: Josef Fürnkäs (Hrsg.): ZwischenzeitenZwischenwelten. Festschrift für Kozo Hirao. Frankfurt a. M. 2002, S. 421–430, hier S. 423–425, sowie den Beitrag von Andrea Polaschegg in diesem Band). Sei es, weil die Unio scheitert, sei es, weil sie nicht anhält, von dieser Geisteshaltung ausgehend, entwickelt sich Lenz im Folgenden von einem Gott liebenden, ja eine Vereinigung mit ihm anstrebenden Menschen zu einem Gegner Gottes.

  58. 58.

    In diese Richtung argumentieren auch die Herausgeber in MBA V, S. 456.

  59. 59.

    Von der Formulierung („in den Heiligen Geist“) und dem Gedanken her ein Rekurs auf Goethe, Dichtung und Wahrheit, B. VII; vgl. die Kommentare der Herausgeber in MBA V, S. 258.

  60. 60.

    Vgl. Esquirol: Allgemeine und specielle Pathologie (wie Anm. 9), S. 256. Ähnlich die folgende Passage: „Es ist schon lange her, daß man behauptete, die Seelenstörungen wären Krankheiten der Civilisation; man würde in gewisser Rücksicht der Wahrheit viel näher gekommen seyn, hätte man es von dieser Form gesagt: denn in der That, je weiter die Civilisation vorgeschrieben ist, um so häufiger findet man auch sie [die Seelenstörungen], die ihren Character und ihre Ursachen von und in den verschiedenen Graden der Civilisation entlehnt und findet.“ (ebd., S. 200 f.).

  61. 61.

    Ebd., S. 276. Auch Wübben: Büchners ‚Lenz‘ (wie Anm. 15), S. 99 argumentiert in diese Richtung, weist dem Wunderheiler jedoch mehr Macht als Oberlin zu.

  62. 62.

    Esquirol: Allgemeine und specielle Pathologie (wie Anm. 9), S. 54.

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Bergengruen, M. (2020). Von der metaphysischen zur sozialen Krankheit. In: Borgards, R., Dedner, B. (eds) Georg Büchner und die Romantik. Abhandlungen zur Literaturwissenschaft. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05100-4_12

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