Zusammenfassung
Über Wolfram von Eschenbach gibt es keine historischen Zeugnisse. Im Gegensatz zu den Minnesängern, von denen nicht wenige dem höheren Adel zugehörten, waren die meisten höfischen Epiker offenbar geringerer Herkunft; sie werden nicht in Chroniken erwähnt, und ihre Namen erscheinen nicht in historischen Dokumenten. Alles, was wir über Wolfram von Eschenbach und seine Lebensverhältnisse zu wissen glauben, stammt aus literarischen Quellen, hauptsächlich aus Selbstaussagen, zum geringeren Teil aus Bezeugungen zeitgenössischer und späterer Autoren. Wolfram hat in seinen Epen sehr häufig von sich selbst gesprochen, von seinen Familienverhältnissen, seinen Liebeserfahrungen, seinen Lebensbedingungen und seinen Beziehungen zu Gönnern und zu anderen Dichtern. Früher hat man diese Selbstaussagen als autobiographische Zeugnisse gelesen und daraus die Lebensgeschichte des Dichters rekonstruiert. Heute wird alles, was der Erzähler über sich selbst sagt, als Ausgestaltung der Erzählerrolle angesehen. Ob diese Aussagen außerdem eine autobiographische Bedeutung haben, läßt sich in den meisten Fällen nicht feststellen. Für die Namen von Personen und Orten, die historisch nachweisbar sind, möchte man auf eine historische Auswertung nicht verzichten. So könnte der vom ›Parzival‹-Erzähler mit mîn hêrre angesprochene Graf Poppo von Wertheim (Pz. 184,4) nicht nur für den Erzähler, sondern auch für den Autor Wolfram eine Beziehungsperson gewesen sein, da nachgewiesen ist, daß die Grafen von Wertheim in Wolframs-Eschenbach begütert waren. Zu beachten ist auch, daß Selbstaussagen in Prologen, Epilogen und Exkursen eine andere Sprecher-Ebene bezeugen können als Aussagen im Erzählzusammenhang.
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Bumke, J. (2004). Der Dichter in seiner Zeit. In: Wolfram von Eschenbach. Sammlung Metzler. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05091-5_1
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Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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