Zusammenfassung
Literarhistorische Begriffe haben wie alle Begriffe, derer wir uns bedienen, eine mehr oder minder lange und komplizierte Geschichte. Das gilt mit Besonderheit für den Begriff ›Klassik‹ und das von ihm abgeleitete Adjektiv ›klassisch‹. Die Vorstellung, die sich heute spontan und intuitiv bei der Verwendung dieser Begriffe einstellt, ist die von etwas qualitativ Herausragendem, Vorbildhaftem, Zeitenthobenem, Normsetzendem. Man denke nur an Ausdrücke wie ›klassische Musik‹, ›klassische Avantgarde‹ oder ähnlich infl ationär verwendete Formulierungen. Nicht anders verhält es sich mit der Bezeichnung ›Französische Klassik‹ bzw. ›Jahrhundert der Klassik‹ oder, wenn wir uns der französischen Termini bedienen, ›époque‹ bzw. ›siècle classique‹. Die klassische Literatur Frankreichs mit ihren großen Autoren — Molière, Racine, Corneille, La Fontaine, um nur sie zu nennen — gilt heute im allgemeinen Bildungsbewusstsein als der Höhepunkt der französischen Literatur schlechthin. Ihre Kanonisierung zu einer ›littérature classique‹ bzw. der gesamten Epoche zu einem ›siècle classique‹ ist ein langwieriger Prozess, der zwar bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts einsetzt, jedoch erst im 19. Jahrhundert zu einem Höhepunkt und Abschluss führt.
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Anmerkungen
Das Werk (388) ist bis in die jüngste Zeit immer wieder neu aufgelegt worden; zu Bray vgl. Jacques Mercaton, »René Bray: l’homme et l’œuvre«, in Études de lettres 7, 1964, S. 204–209.
Vgl. Jean Demeure, »L’introuvable société des quatre amis«, in RHLF 36, 1929, S. 161–180, 321–336;
Antoine Adam, »L’école de 1660: histoire ou légende?«, in Revue d’histoire de la philosophie et d’histoire générale de la civilisation 7, 1939, S. 214–250; die Zitate ebd., S. 215, 250.
Vgl. Alain Niderst, »Les sens du mot ›siècle‹ dans la langue classique«, in FM 39, 1971, S. 207–219.
Vgl. Compagnon, 92. Als Fallstudie sei verwiesen auf Ralph Albanese, Molière à l’école républicaine. De la critique universitaire aux manuels scolaires (1870–1914). Saragota (Calif.) 1992; vgl. ferner Martine Jey, »Les classiques de l’ère Ferry: les auteurs dans les programmes scolaires au tournant du siècle«, in Viala, 423, S. 237–247.
Vgl. Emile Magne, Bibliographie générale des œuvres de Nicolas Boileau-Despréaux. 2 Bde., Paris, Giraud-Badin 1928/29.
Zu einer genaueren Kenntnis Adams vgl. Pierre-Georges Castex, »In memoriam Antoine Adam (1899–1980)«, in RHLF 81, 1981, S. 497–500;
zu einer Bewertung des Bildes, das Adams Histoire vom 17. Jahrhundert vermittelt, und zu dessen heutiger Akzeptanz vgl. Jean Mesnard, »Préface à la troisième édition«, in Adam, 303, 31997, S. VII–XXIV
Vgl. J. Grimm, »Zum Status der Literaturwissenschaft in einer romanistischen Kulturwissenschaft. Versuch einer Standortbestimmung«, in Wolf Dietrich / Ulrich Hoinkes (Hg.), Studien zur französischen und spanischen Sprache und Literatur am Beginn des 3. Jahrtausends. Festschrift zum 65. Geburtstag von Horst Geckeier. Münster, Nodus 2000, S. 11–24; der Artikel analysiert den quantitativen und qualitativen literaturhistorischen Anteil in den (kultur-)historisch konzipierten Arbeiten von Bluche, 10, und Truchet, 326.
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Grimm, J. (2005). Begriff und Wirklichkeit der Klassik. In: Französische Klassik. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05030-4_1
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-05030-4_1
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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Online ISBN: 978-3-476-05030-4
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