Zusammenfassung
Die jüdische Philosophie entsteht in dem Moment, in dem das Judentum mit dem philosophischen Denken der griechischen Antike in Berührung kommt. Durch Alexander den Großen war das Griechentum bis nach Ägypten und weit in den vorderasiatischen Raum vorgedrungen, wo es seit etwa 300 v.u.Z. Kultur und Bildung bestimmte. Philosophische Akademien, in denen griechische Philosophie gelehrt wurde, gab es auch in Alexandria und Babylonien, den beiden Hauptzentren des Judentums außerhalb Palästinas. Das von Platon und Aristoteles geprägte Denken stellt zu diesem Zeitpunkt die Autorität in Fragen des Wissens und der menschlichen Erkenntnis dar. Sowohl der biblische Monotheismus des Judentums als auch die griechische Philosophie treten mit absolutem Wahrheitsanspruch auf; das Judentum, indem es seine Lehre und Tradition auf die unhintergehbare ›Selbstverlautbarung‹ Gottes zurückführt; die Philosophie in ihrer Behauptung, die systematische Erkenntnis allen Seins sei allein durch die Teilhabe des Denkens am göttlichen Logos möglich. Jüdische Lehre und griechische Philosophie treten sich so als zwei Wege zur Wahrheit gegenüber. Die Konfrontation wird meist dadurch umgangen, daß bestimmte Begriffe (nicht die Ideenwelt insgesamt), des platonischen bzw. aristotelischen Denkens in die jüdische Tradition integriert werden. Als Ergebnis dieser Integration, wie Philon und die mittelalterlichen Rationalisten sie vornehmen, ist die jüdische Philosophie gewissermaßen die Fortsetzung der Tradition mit anderen Begriffen (die immer noch maßgebliche jüdische Philosophiegeschichte ist: Guttmann 1933; zur ersten Orientierung: Simon 1984; Essays auf neuestem Forschungsstand zu einzelnen Epochen und Autoren: Frank 1997).
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Grätzel, S., Kreiner, A. (1999). Entstehung und Aufgabe der jüdischen Philosophie. In: Amin, A., Gerhard, M., Nöthlings, C., Peters, J. (eds) Religionsphilosophie. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05028-1_8
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Online ISBN: 978-3-476-05028-1
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