Seit Donald Trump im Juni 2015 ankündigte, bei den US-Präsidentschaftswahlen 2016 kandidieren zu wollen, befindet sich die nationale und internationale Medienberichterstattung in einem Modus der Dauererregung. In einer Mischung aus Faszination, Ekel und Ungläubigkeit verfolgen die Nachrichtenmedien seither jede Äußerung Trumps mit großer Skandalisierungsbereitschaft. Dies ist nicht weiter überraschend, schließlich gibt sich Trump bei seinen Wahlkampfauftritten, seinen Pressekonferenzen und seinen hundertfachen Tweets alle Mühe, den Level der Empörung hoch zu halten. Die Liste der Skandale und verbalen Fehltritte ist dementsprechend lang. Erst bekamen die Mitkonkurrent*innen der Republikanischen Partei Trumps Rüpelhaftigkeit zu spüren, dann überzog er seine Kontrahentin Hillary Clinton mit einer breit angelegten Schmutzkampagne von Unterstellungen, Beleidigungen und Anfeindungen. Eine zweite Kampfzone kam spätestens mit Trumps Amtseinführung im Januar 2017 hinzu: Seither greift der US-amerikanische Präsident immer wieder Vertreter*innen von Nachrichtensendern und Zeitungen an und unterstellt ihnen eine ungerechte, lügnerische und politisch einseitige Berichterstattung. Neben emblematischen Formeln invektiver Adressierung politischer Gegner*innen – etwa der Titulierung von Hillary Clinton als „crooked Hillary“ oder der Benennung des Nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un als „little rocket man“ – bildet die Klage über Fake News und Fake Media ein konstantes Element von Trumps populistischer Feindschaftsrhetorik. Die traditionelle politische Berichterstattung reagiert auf Trumps andauernde Provokationsversuche in der Regel mit moralischer Empörung. Einerseits dreht sich die Kritik immer wieder um Trumps Hang zur Unwahrheit und seine institutionelle Ahnungslosigkeit. Andererseits ist sein von Rassismus und Sexismus durchzogener Kommunikationsstil oftmals Auslöser kollektiver Erregung. Trump wird im alarmistischen Ton als der ultimative Störenfried porträtiert, als jemand, der aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur und mangelnden Bildung nichts im Weißen Haus zu suchen habe. Trump erscheint dabei als die Personifikation eines Zerfalls der politischen Sitten, als eine gefährliche Verbindung von Eitelkeit, Ignoranz und Irrationalität. Eine Gestalt also, die die Polarisierung der US-amerikanischen Gesellschaft weiter beschleunigt und zudem die Welt mit diplomatischem Ungeschick an den Rand der Katastrophe führt. Eine solche Einschätzung mag angesichts Trumps fortwährender Normenbrüche auf dem nationalen und internationalen Parkett verständlich sein, allerdings trägt sie letztlich wenig zum besseren Verständnis der Konfliktkonstellation der Präsidentschaft Trumps bei.

Statt sich im Modus der moralischen Selbsterhöhung weiter über den Dilettantismus und die Borniertheit des US-amerikanischen Präsidenten zu empören, möchte der vorliegende Band eine funktionale Perspektive auf Trumps Politik der Herabsetzung und seine damit zusammenhängende Mediennutzung vorschlagen. Die hier versammelten Beiträge fragen danach, wie Trumps Kommunikationspraxis genauer zu beschreiben ist und wie es ihm gelingt, Affekte zu mobilisieren, Gefühle der Zugehörigkeit zu produzieren und entsprechende Formen der Vergemeinschaftung zu initiieren. Damit richtet sich der Blick auf die populistische Politik der Gefühle, wie sie sich unter den spezifischen medialen Bedingungen des 21. Jahrhunderts herausgebildet hat und in unterschiedlichen personalen Besetzungen zunehmend die politische Kultur der westlichen Demokratien bestimmt.

Vor dem Hintergrund von Trumps offensichtlichem Narzissmus mag es verführerisch sein, den Präsidenten der USA unter Rückgriff auf Gustave Le Bon zu beschreiben, der in seinem Text zur Psychologie der Massen (1895) davon ausging, dass der demagogische Führer „unter den Nervösen, Reizbaren, Halbverrückten“ zu suchen sei, „die sich an der Grenze zum Irrsinn befinden“ (Le Bon 1982: 83). Dennoch scheint es ratsam, zu einer psychologischen Ausdeutung von Trumps „autoritärer Persönlichkeit“ (Kellner 2016: 19–28) auf Abstand zu gehen: Trumps Politik der Herabsetzung ist nicht – zumindest nicht alleine – der unreflektierte Effekt einer biografischen Konstellation, sondern folgt einem klaren kommunikativen Kalkül, das darauf abzielt, ein kollektives Ressentiment zu stimulieren und zu bewirtschaften. Trump provoziert, um ablehnende Reaktionen seiner politischen Gegner*innen zu erzeugen, die er anschließend selbst wiederum als herabsetzende Gesten des Establishments ausdeuten und politisch nutzen kann. Trump ist ein Meister der diskursstrategischen Oszillation zwischen Selbstüberhöhung und Selbstviktimisierung. Er inszeniert Kommunikationskaskaden der öffentlichen Auf- und Abwertung, die von ihm als Beschämung gedeutet und im Dienste seiner antipolitischen Agenda kapitalisiert werden können (vgl. Diehl 2011). Gerade dadurch, dass sich Trump nicht um die Regeln der öffentlichen Repräsentation schert, positioniert er sich als moralische Alternative zum herkömmlichen Politikbetrieb. Er gewinnt an Popularität, weil er die Behauptung einer Herabsetzung der ‚einfachen Leute‘ durch das Establishment zum Leitmotiv seiner Kommunikation gemacht hat. Dabei artikuliert er seine Elitenkritik in einem im höchsten Maße herabsetzenden, oftmals direkt beleidigenden Tonfall, der an Stimmungslagen im rechten Lager partizipiert und dafür ein Ensemble reaktionärer populistischer Basis-Narrative (Robin 2018) nutzt. Der Gebrauch von Invektivität dient ihm als Ressource, die es möglich macht, kommunikativ das Register agonistischer Gegner*innenschaft zu verlassen und in dasjenige der antagonistischen Feindschaft zu wechseln (vgl. Mouffe 2007). Der Terminus ‚Invektivität‘, wie er hier eingeführt wird, verweist auf ein Arsenal von beleidigenden und herabsetzenden Adressierungsstrategien, die darauf abzielen, Personen oder Gruppen zu marginalisieren, indem sie symbolisch aus der Zone legitimer Aussagepositionen herausgedrängt werden (vgl. Konzeptgruppe „Invektivität“ 2017).

Wie die nachfolgenden Beiträge in differenzierter Weise zeigen, ist Trumps metainvektives Spiel mit medialen und politischen Erwartungserwartungen von einigen Kontextfaktoren abhängig, die hier in der Einleitung nur angedeutet werden sollen. So resultiert eine der wesentlichen Möglichkeitsbedingungen des ‚Phänomens Trump‘ aus der sukzessiven Herausbildung der Alt-Right als politische Kraft, die seit der Jahrtausendwende jenseits der parlamentarischen Repräsentation immer stärkeren Einfluss auf die politische Kultur der USA gewonnen hat. Im Widerspruch zur gängigen medialen Stilisierung ist Trump gerade nicht als das ganz Andere des politischen Diskurses aus dem Nichts erschienen. Er ist vielmehr Produkt, Symptom und Antreiber einer politischen Radikalisierung der US-amerikanischen Rechten, die sich spätestens seit der Gründung der Tea-Party-Bewegung 2009 immer weiter vom traditionellen Konservativismus der Republikanischen Partei entfremdet und durch den Erfolg Trumps weiteren Zulauf erfahren hat (vgl. Neiwert 2017).

Des Weiteren kann die Bedeutung der Medien für Trumps Einzug ins Weiße Haus nicht überschätzt werden. Dies gilt – wie in diesem Band unter unterschiedlichen Gesichtspunkten weiter thematisiert – einerseits für Trumps Gebrauch der sozialen Medien als zentralem Instrument seiner Kommunikation und Selbstdarstellung. Dies gilt aber andererseits auch für die traditionellen Nachrichtenmedien, die mit ihrer Berichterstattung im Wahlkampf 2015/2016 wesentlich zum Anstieg von Trumps Popularitätskurve beigetragen haben. Trotz der in unzähligen Variationen dargebotenen Artikulationen wechselseitiger Ablehnung ist das Verhältnis von Trump und den großen Zeitungen und Kabel-Netzwerken in den USA in funktionaler Perspektive als parasitär und durchaus profitabel zu beschreiben. Trump passt perfekt zu der von finanziellem Kalkül getriebenen Spektakellogik eines „hybriden Mediensystems“ (Chadwick 2013), das mit der nicht aufhörenden Empörung über Trumps Auftreten Verkaufszahlen und Einschaltquoten generiert. Seinerseits nutzte Trump die negative Resonanz der ‚alten‘ Massenmedien, um – unterstützt von der Online-Plattform Breitbart und den anderen Agenturen des „conservative entertainment complex“ (Frum 2015) – seine Tweets mit der Bedeutung und Aufmerksamkeit aufzuladen, die die sozialen Medien zur eigentlichen kommunikativen Bühne seines öffentlichen Handelns werden ließen (Boczkowski/Papacharissi 2017).

Vor diesem Hintergrund interessiert sich eine Reihe von Autor*innen dieses Bandes für die Beantwortung der Frage, wie Trumps öffentliches Agieren angesichts einer sich zunehmend digitalisierten Medienkultur funktioniert, welcher kommunikativen Muster er sich bedient und auf welche Effekte er abzielt. Dabei wird sich zeigen, dass Trump eine Politik der Herabsetzung realisiert, die in enger Interferenz mit der Netzkultur der Alt-Right einen Emotionsraum errichtet, in dem er negative Emotionen – allen voran Angst, Wut und Hass – akkumuliert und für eine politische Vergemeinschaftung „negativer Solidarität“ (Mishra 2017: 24 f.) nutzt. Kennzeichnend für Trumps Adressierungsstrategie ist eine Technik kommunikativer Polarisierung, die die Unterscheidung von Freund und Feind auf Dauer stellt.

Trumps Resonanzraum: die Netzkultur der Alt-Right

Trumps kommunikative Strategie steht in enger Verbindung mit der Netzkultur der Alt-Right. Auf Imageboards wie Reddit, 4chan und 8chan und auf Nachrichten-Plattformen wie Breitbart und Infowars hat sich in den letzten rund zehn Jahren eine rassistische Kultur der Beleidigung, des sadistischen Zynismus und der lustvollen Tabuverletzung herausgebildet, die Trump – vor allem in der Phase seiner Kandidatur – mit Narrativen, rhetorischen Mustern und Zuspruch versorgte. Insbesondere 4chan sucht rassistische und sexistische Strukturen zu etablieren und fungiert als Schauplatz eines Online-Kulturkampfes gegen eine zur vermeintlichen Meinungsdiktatur überzeichnete liberale Identitätspolitik, wie sie sich auf der Plattform Tumblr, dem Nachrichtendienst Twitter und an den Universitäten der Ost- und Westküste unter Stichworten wie ‚gender-mainstreaming‘, ‚micro-aggression‘ und ‚cultural appropriation‘ artikuliert (vgl. Nagle 2017; zur Kritik an Nagles Distanzlosigkeit gegenüber den Selbstbeschreibungsformeln der Alt-Right s. Strick 2018: 123). Die digitale Diskursguerilla der Alt-Right inszeniert sich demgegenüber als drastische Gegenposition. Ihre Sprachspiele behaupten radikale Unangepasstheit und perpetuieren die Attitüde souveräner Transgression. Die große Mehrzahl von Memes, Forenbeiträgen und Tweets verdichtet sich zu einer fanatischen Feier weißer Männlichkeit. Der Hass auf alle Formen von Feminismus dient als verbindendes Element. Die Stimmungsmacher*innen und Trolle, die sich hier am digitalen Dauerfeuer beteiligen, begreifen ihr invektives Tun als einen notwendigen Kreuzzug gegen vermeintliche ‚Gesinnungskorridore‘ einer politisch korrekten Sagbarkeitsordnung, die fortwährend und unter massiver affektiver Beteiligung als Meinungszensur durch die liberalen Eliten denunziert wird (Gibson 2016). Im Namen von free speech sehnt die rechte Netzkultur die Rückkehr des aggressiven, unangepassten ‚Alpha-Mannes‘ herbei oder gestaltet eine male nerd culture junger „Betamännchen“, die weniger die Ehrenrettung der ‚Alphamänner‘ zum Ziel haben als vielmehr eine antifeministische und rassistische Rebellion gegen die „feministisch-liberale Gedankenpolizei“ (Dietze/Strick 2017). Paradigmatisch für das virile Phantasma der Alt-Right-Netzkultur steht Tyler Durden (Brad Pitt) aus David Finchers Blockbuster Fight Club (1999), der als Alter Ego des angepassten Protagonisten aus den postheroischen Reglementierungen der kapitalistischen Welt auszubrechen versucht, indem er sich einem terroristischen Kult der Gewalt hingibt (vgl. Koch 2016). In seinem 2012 erschienenen Bestseller The Way of Men, der die Stimmungslage der Alt-Right in einer misogynen Zeitdiagnose verdichtet, entwirft Jack Donovan dementsprechend das tribalistische Bild eines neuen Cis-Mannes, der die Veränderung der heteronormativen Geschlechterverhältnisse für eine katastrophale Entwicklung hält und demgegenüber ein Männlichkeitsbild predigt, das von dem Wunsch zu erobern, zu zerstören und zu unterwerfen geprägt ist:

„Being good at being a man isn’t a quest for moral perfection, it’s about fighting to survive. Good men admire or respect bad men when they demonstrate strength, courage, mastery or a commitment to the men of their own renegade tribes. A concern with being good at being a man is what good guys and bad guys have in common“ (Donovan 2012: 71).

Trumps Politik ist eng verwoben mit diesem Denkstil der Alt-Right. Auch er diagnostiziert einen gesellschaftlichen Verfall, den er den liberalen Eliten und ihren ‚schwachen‘ Männern anlastet. Trump teilt mit der rechten Netzkultur die Attitüde des Aufbegehrens gegen ein liberales Über-Ich, das in ihren Augen die Verantwortung für eine dramatische Abwärtsspirale trägt.

So verspricht sein Slogan – „Make America Great Again“ – eine Rückkehr zu drei zusammenhängenden Konstellationen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Erstens ist damit die ‚gute alte Zeit‘ industrieller Prosperität gemeint, in der US-amerikanischer Stahl noch benötigt wurde und zwar unter anderem für die enormen Rüstungsanstrengungen des Kalten Krieges. Dieser hatte, zweitens, (vermeintlich) den Vorzug, dass sein bipolares Ordnungssystem eine klare Freund-/Feindunterscheidung vorgab, die zwar gelegentlich unterlaufen wurde und von unterschiedlichen Intensitäten geprägt war, gleichwohl aber Handlungsorientierung und Identitätsangebote bereitstellte (Reichherzer/Droit/Hansen 2018). Der Konflikt zwischen den USA und der UdSSR erscheint aus einer verklärenden Perspektive vor dem Hintergrund des multipolaren Kriegs gegen den Terror und mit Blick auf all die anderen Verwerfungen der globalisierten Welt geradezu als übersichtlich und wohlgeordnet. Drittens ist damit vor allem auch eine Rückkehr zur alten Geschlechterhierarchie bezeichnet, in der der Cis-Mann als Oberhaupt der Familie die politischen, moralischen und sexuellen Spielregeln vorgeben und durchsetzen konnte. Gleichzeitig – das macht seine Ambivalenz deutlich – steht Trump als Entrepreneur der Sexindustrie nicht einseitig für ein Entsexualisierungs- oder Retraditionalisierungsprogramm, das Frauen wieder an Heim und Herd bindet, sondern vielmehr für eine Relegitimierung des männlichen Verfügbarkeitsanspruchs über den weiblichen Körper (vgl. Dietze in diesem Band).

Trumps autoritärer Populismus präsentiert sich als Antwort auf ein rechts-nationalistisches Verfallsnarrativ, wie es der Philosoph Jason Stanley beschreibt: „In the rhetoric of extreme nationalists, […] a glorious past has been lost by the humiliation brought on by globalism, liberal cosmopolitanism, and respect for ‚universal values‘ such as equality“ (Stanley 2018: 4). Im Kern ist diese Verfallsdiagnose nicht ökonomisch, sondern vor allem moralisch und biopolitisch verankert. Wie so oft im Denkgebäude der radikalen Rechten, dreht sich die gesamte Erregungsspirale mitunter um den weiblichen Körper. In der diagnostizierten Krise der Gesellschaft artikuliert sich eine Angst der weißen Cis-Männer, in der sexuellen Reproduktionskonkurrenz ins Hintertreffen zu geraten. Trump steht in der Perspektive der Alt-Right für ein Ende der vermeintlichen Krise der Männlichkeit und der Erneuerung einer stabilen Hierarchie weißer männlicher Dominanz. Trump präsentiert sich als Widerspruch zu einer Kultur des Antisexismus und der identitätspolitischen Sensibilisierung für latente oder manifeste Formen von Marginalisierung.

Mit dieser Relegitimierung weißer männlicher Vorherrschaft ist Trumps antimuslimischer Rassismus und seiner Agitation gegen mexikanische Migration eng verzahnt, die sich nicht zuletzt in Stigmatisierungen von Latinos als „Vergewaltiger“, „Drogenhändler“ oder „Mörder“ spiegelt und das Verfallsnarrativ eng an die biopolitische Regulierung rassifizierter Gruppen bindet. Der vermeintlich durch den liberalen Kosmopolitismus eingeleiteten Beschämung des ‚weißen Mannes‘ begegnen Neurechte mit einer Diskursarchitektonik, die weiße Privilegien einerseits als selbstverständlich und legitim verteidigt und andererseits die Angst vor einer Veränderung der Machtkonstellation und einem ‚Verfall‘ der bisherigen Verhältnisse schürt. Zumindest ein Teil von Trumps Popularität speist sich – so Lauren Berlant – aus dem Umstand, dass er seinen Unterstützer*innen das Gefühl vermitteln kann, ein ‚natürliches‘ Anrecht auf Privilegien zu haben:

„The Trump Emotion Machine is delivering feeling ok, acting free. […] They’re saying, I want to matter. They’re saying I want my friends, my group, to matter. Who matters? Why should group X matter more, or first, or get more attention? It’s hard for the formerly optimistic and unmarked whites to feel right about other people mattering before they do, because they didn’t know that their freedom was bought on the backs of other people’s exploitation and exile from protection by the law“ (Berlant 2016).

Trumps wiederkehrenden antifeministischen Äußerungen und allen voran seine Aussage von 2005 – „You can grab them by the pussy. You can do anything“ –, die im Wahlkampf 2016 medial die Runde machte, wirken vor diesem Hintergrund keinesfalls als ein diskreditierender Malus. Im Gegenteil: Trumps Invektiven und noch mehr die Reaktionen, die sie bei feministischen Aktivist*innen und in den Medien hervorriefen, bestärkten im Verbund mit den permanenten rassistischen Rahmungen den anvisierten Wählerkreis darin, dass mit Trumps Wahl zum Präsidenten eine Rückkehr möglich würde. Eine Rückkehr zur ‚guten alten Zeit‘ weißer, männlicher Überlegenheit.

Trumps Emotionsordnung: Wut, Hass, Gemeinschaft

Die kursorischen Hinweise zur digitalen rechten Netzkultur deuten an, auf welche Emotionsordnung Trump seinen politischen Erfolg baut. Trumps Angebot besteht nicht in diffizilen Lösungsstrategien für die komplexen Problemlagen der globalisierten Welt. Im Gegenteil: Seine Antwort heißt radikale Komplexitätsreduktion, verbunden mit einer Form von Gefühlspolitik, die als Kompensation für die potenziellen Verunsicherungen und Demütigungen der politischen, ökonomischen und kulturellen Globalisierung (vgl. Mishra 2017: 20f.) eine affektive Wiedergutmachung verspricht. Trump reagiert auf die Sehnsucht nach Geborgenheit, indem er die affektiv-gesättigte Fantasie der Rückkehr in bessere Zeiten in körperliche Zustände geteilter Selbstberauschung übersetzt (Anderson 2016). Komplementär zu dieser Adressierung „retrotopischer“ Stimmungslagen (vgl. Bauman 2017), macht er Wut zur Leitemotion seines öffentlichen Erscheinungsraumes (vgl. Wahl-Jorgensen 2018). Trump transformiert eine Mischung aus Angst und Empörung in Hass auf Migrant*innen und Eliten und installiert so ein politisches Modell, das ganz auf die Sehnsucht nach Schaffung exklusiver Solidarität abgestellt ist. Wie Steve Bannon, Trumps zeitweiliger strategischer Ratgeber, selbst freimütig zugibt: „We got elected on Drain the Swamp, Lock her up, Build a Wall […]. This was pure anger. Anger and fear is what gets people to the polls“ (zit. n. Lewis 2018). Insbesondere Trumps Wahlkampfveranstaltungen erzeugen einen temporären „safe space for hate“ (Milligan 2017), der von einer viszeralen Atmosphäre der Gemeinschaft, der kollektiven Macht und der ungehemmten Souveränität geprägt ist. Die hier zwischen Körpern und sozialem Raum zirkulierenden Affekte verschalten Individuen zu Gruppen (Ahmed 2004), die – durch Bedrohungsnarrative nationaler Verletzlichkeit organisiert – auf der Achse von Freund- und Feindschaft positioniert werden können. Auf dem Grund dieser Form protofaschistischer interpersonaler Affektion (Salmela/von Scheve 2017: 573), die schon Herrmann Broch in seiner Massenwahntheorie (Broch 1995) herausgearbeitet hatte, liegt eine soziale und kulturelle Deklassierungsangst, die in ihrem Beschämungspotenzial unterdrückt werden muss und erst in der Transformation in Hass auf Minderheiten artikuliert werden kann. Im Wahlkampf nutzt Trump dementsprechend die „liquid fear“ (Bauman 2006) der unteren Mittelschicht als eine affektive Mobilisierungsressource (vgl. Barbalet/Demertzis 2013), um sich selbst in einem – wie es Hannah Arendt einmal formulierte – paradoxen Bündnis „zwischen Mob und Elite“ (Arendt 1952) als ‚Retter von nebenan‘ zu zelebrieren. Materielles Symbol dieser Emotionspolitik, die letztlich auf der populistischen Behauptung einer Identität von Führer und Volk aufbaut (Müller 2016), ist die Baseball-Mütze, die bei keinem Auftritt Trumps fehlt.Footnote 1

Trump bedient sich des melodramatischen Narrativs von gesellschaftlichem Verfall und Errettung, wie es aus dem Hollywood-Kino auf die politische Ebene proliferiert ist. Ergänzend kommt hinsichtlich der sozialen Grammatik seiner Redeordnung schon im Wahlkampf 2016 und verstärkt seit der Übernahme des Präsidentenamtes eine weitere symbolische Form hinzu. So re-inszeniert Trump jeden konkreten politischen Konflikt in einer antagonistischen Medienlogik des Gamedocs, wie er sie aus seiner Zeit als „Supercelebrity“ (Kellner 2016: 5) in der Reality TV-Serie The Apprentice (NBC, 2004–2017) gewohnt ist.Footnote 2 Bei dieser Show, in der Trump als Gastgeber zweier konkurrierender Teams nach Manager*innen für sein Unternehmen sucht, dreht sich alles um das „Überleben im mörderischen ‚Dschungel‘ des Spätkapitalismus“ (Klein 2017: 70). Wer verliert, wird gedemütigt und symbolisch eliminiert. Die emblematischen Formeln der Erniedrigung „You are a loser“ und „You are fired“ bilden die semantische und ideologische Quintessenz der Serie (vgl. Showalter 2017).

In Trumps Worldmaking stellt sich Politik mit Bezug auf The Apprentice als eine Aneinanderreihung von Konkurrenzszenarien dar, die genau jene Form von Komplexitätsreduktion leisten, von der zuvor schon die Rede war: Bei Trump geht es nicht um kompromissorientierte, konsensfähige Lösungen, die in einem langwierigen politischen Prozess erarbeitet werden. Im Gegenteil: Konsensfindung ist genau die Strategie des Establishments, gegen die er körperlich und rhetorisch antritt. Trump verfolgt demgegenüber einen Neodarwinismus, der jeden Problemlösungsprozess in eine antagonistische Situation übersetzt. In seiner Welt, in der das Recht der Stärkeren gilt, gibt es nur Gewinnen oder Verlieren. Wer verliert, erleidet die ultimative Beschämung und fällt aus der symbolischen Ordnung heraus. Wer gewinnt, genießt die Entgrenzung seiner souveränen Macht.

Trumps Adressierungsstrategie: Feindschaft und Identität

Trumps Auftreten ist auf die permanente Produktion von Kontroversen ausgelegt. Der US-amerikanische Präsident will provozieren. Er braucht die Entrüstung seiner Gegner*innen, um die eigene Affektpolitik mit Energie zu versorgen. Einerseits bedient er dazu mit seinen ständigen Regelverletzungen die aufmerksamkeitsökonomische Logik des Medienspektakels,Footnote 3 wie es für die Massenmedien charakteristisch ist: Trumps populistische Sprache verfolgt ein spezifisches Resonanzkalkül, das sich in seinen kommunikativen Angeboten direkt an die narrativen Logiken der Berichterstattung angepasst hat. Trumps Rede ist – darauf hat Paula Diehl hingewiesen – geprägt durch Personalisierung, Komplexitätsreduktion, Außergewöhnlichkeit, Drama und Konflikt (Diehl 2017b).

Andererseits versteht es Trump wie kein anderer Politiker, die antagonistischen Potenziale der sozialen Netzwerke für seine fortgesetzte Produktion von Feindschaft zu nutzen. Insbesondere Twitter bietet aufgrund seiner spezifischen Affordanz ein ideales Kommunikationsmittel für Trumps Programm der permanenten Zuspitzung: Es suggeriert eine Form direkter Ansprache, umgeht die Gatekeeper-Funktion der Nachrichtenmedien, privilegiert einen kurzen und unkomplizierten Diskurs und es honoriert aufgrund der Valorisierung durch Likes und Retweets aggressive, invektive Adressierungsweisen (vgl. Kreis 2017; Seeßlen 2017: 73 f.; Ott/Dickinson 2019 sowie Werber, Uhlmann und Nanz in diesem Band; zu einer weniger medienpessimistischen Perspektive vgl. Phillips/Milner 2017). Trumps privater Account-Name, „@realDonaldTrump“, ist selbst die symbolische Verdichtung einer populistischen Politik, die radikal auf Personalisierung und ostentative Distanz zum regulären Betrieb des Weißen Hauses setzt (vgl. Lockhart 2018).

Die herabsetzenden Botschaften und Liebesbekundungen, die Trump über Twitter versendet, behaupten authentisch Klartext zu sprechen. Der Account „@realDonaldTrump“ ist damit Teil einer Gesamtinszenierung, die exakt der populistischen Strategie entspricht, die Redeordnung des Establishments zu ignorieren. Trumps gesamtes Auftreten – im Wahlkampf, bei seiner Inaugural Address, bis hin zu den Pressekonferenzen des White House – zielt darauf ab, den Eindruck eines Bruchs mit den konventionalisierten Sprachspielen des Politik-Betriebs zu erzeugen. Im Versuch, den Normbereich politischer Kommunikation zu verlassen, ist Trumps Rede sowohl lobpreisend als auch durch und durch invektiv imprägniert. Sachhaltigkeit und Problemorientierung sind zweitrangig. Ihr Hauptinteresse gilt der kommunikativen Produktion von Freund- und Feindschaft. Dazu ist jedes Mittel recht. Neben Selbstüberhöhung und der beleidigenden Herabsetzung Anderer gehören auch der Rückgriff auf ‚alternative Fakten‘ sowie der Gebrauch von Verschwörungsnarrativen zum rhetorischen Repertoire, um die moralische Verdorbenheit des politischen Systems zu dokumentieren (vgl. Olschanski 2017). Trump produziert mit seinen Referenzen auf Obamas vermeintliche Geburt in Kenia, auf die Hillary Clinton unterstellte Verwicklung in einen Kinderporno-Ring und mit seinen vielen anderen Unwahrheiten eine Situation permanenter Unterscheidungsunsicherheit. Er führt eine Krise politischer Wahrheitsannahmen herbei, die ihn selbst zu einem Objekt größter hermeneutischer Aufmerksamkeit werden lässt und ihn zugleich mit dem Verweis auf eine omnipotente Verschwörung korrupter Eliten gegen Kritik immunisiert (Butter 2019). Trump braucht sich nicht um die Falsifikation seiner Behauptungen zu scheren, solange sie bei seinen Unterstützer*innen auf Resonanz und Zustimmung stoßen. Seine Kommunikation nutzt den in Kreisen der Alt-Right beheimateten Glauben an einen umfassenden Verschwörungszusammenhang, in dem die sog. ‚Normies‘ und ‚Snowflakes‘ gefangen sind. Nichts ist, wie es scheint, das ist eine der Grundüberzeugungen der Alt-Right, die sich auf 8chan oder der Website Infowars in der ubiquitären Rede von der ‚red pill‘ dokumentiert. Dabei handelt es sich um eine Leitmetapher aus dem rechten Gegendiskurs, die einer Szene aus dem Kino-Blockbuster The Matrix (1999) entnommen ist, in der sich die Hauptfigur Neo (Keanu Reeves) dazu entschließt, eine Wahrheitspille zu schlucken. Diese rote Pille ermöglicht es ihm, hinter den Schleier des totalen Verblendungszusammenhangs zu schauen und die wahre Ausbeutungsherrschaft (in diesem Fall: der Maschinen) zu erkennen.

Eine mit dem Verschwörungsdenken korrespondierende Kontinuität in den Auftritten Trumps, die die Behauptung einer Elitenmanipulation von der Ebene der Epistemologie auf die der Sprache transponiert, stellt zudem der Angriff auf eine vermeintliche Political Correctness dar, deren Geltung Trump vor allem bei Auftritten immer wieder für den Niedergang der Nation verantwortlich macht. So erklärte er etwa im Februar 2016 bei einer Veranstaltung in Oklahoma angesichts eines kritischen Zwischenrufers: „In the good old days, they’d rip him out of that seat so fast. But today, everyone is so politically correct. Our country is going to hell because we’re being politically correct“ (zit. n. Parker 2016). In der Konfrontation mit politischen Kontrahent*innen zielt Trump darauf, durch polemische Respektlosigkeit die Unterscheidung von politischer Rolle und Person aufzulösen. Gerade bei Wahlkampfauftritten, die von einer spezifischen Theatralität geprägt sind, realisiert seine Rede eine „cacophony of hate“ (Kellner 2016: 10), die darauf ausgelegt ist, projektive Abscheu gegenüber Andersdenkenden und Minderheiten zu nutzen, um affektive Vergemeinschaftung herzustellen. Nach dem Vorbild eines Wrestling-Kampfes imaginiert Trump Konstellationen, in denen die Guten gegen die Bösen antreten und in denen er selbst als Inbegriff von Stärke, Cleverness und Virilität schlussendlich triumphieren wird (vgl. Stick in diesem Band). Wie beim Wrestling weist Trump seinen politischen Kontrahent*innen durch sarkastische Spitznamen markierte Charaktere zu. Er verfolgt in seiner Kommunikation eine Dramaturgie der Verächtlichmachung, die professionelle Distanzen außer Kraft setzt und auf die Erzeugung emotionaler Ausnahmezustände abzielt. Bei den Trump-Rallies geht es immer um die Zurschaustellung extremer Emotionen wie Konflikt, Leiden und Entrüstung. Als kulturelle Folie dient Trumps eigener Wrestling-Auftritt im Jahr 2007, wo er beim „Battle of the Billionaires“ den Vorsitzenden von World Wrestling Entertainment, Vincent McMahon, außerhalb des Rings angreift, besiegt und ihm dann anschließend in einer paradigmatischen Szene der Demütigung die Haare abrasiert (vgl. Diehl 2018; Frevert 2017).

Invektivtät hat für Trump die Funktion der Akkumulation und Zentrierung von Aufmerksamkeit. Sprechchöre wie „America first!“, „Get them out!“ oder „Lock her up!“ sollen auf der Basis rhythmischer Affizierung Gefühle kollektiver Identität und Handlungsfähigkeit stiften:

„[Trumps] ideological politics are so powerful and made him the president of the United States because they are promises to increase, enfold, and open new affective capacities or potentialities in the bodies of the subjects and bring them together. The supporters felt and feel empowered that they are finally able to influence and change the future like they want to“ (Peters/Protrevi 2017: 6).

In variierenden „scene[s] of emotional contestation“ (Berlant 2017: 47), in denen sich Ausdrucksexzesse wechselseitig bestätigen und überbieten, fokussieren sich die gemeinsam ausgedrückten Aggressionen auf diejenigen Personen oder Gruppen, die auf der anderen Seite der Unterscheidung von Freund und Feind stehen. Die fortwährende Beleidigung politisch Andersdenkender funktioniert hier als ein Theater der Selbstermächtigung, das gerade bei denjenigen Adressat*innenkreisen auf Anklang stößt, die sich ökonomisch bedroht, kulturell abgehängt und von der Politik zu wenig beachtet fühlen. Eine typische Trump-Rally steht unter dem Motto: „souverän ist, wer beleidigt“. Unter der Dramaturgie seines Straf- und Rache-Diskurses wird der Wahlkampfsaal zum Tribunal, zu einer Arena der Anklage und der postwendenden symbolischen Schuldigsprechung. Als charismatischer Agitator extremer Gefühlslagen erzeugt Trump eine Atmosphäre katastrophaler Dringlichkeit, die es ihm erlaubt, sich als Retter in größter Not darzustellen. Immer wieder triggert er die kollektive Fantasie einer Überlegenheit der „weißen Rasse“, die sich gegenwärtig nicht entfalten könne, wohl aber unter seiner Präsidentschaft zur neuen Blüte kommen werde. Weiß-sein wird dabei sowohl als gesellschaftlich bedrohte und diskriminierte Subjektposition heraufbeschworen als auch identitätspolitisch in Stellung gebracht.Footnote 4 Zugleich steigert Trump die affektive Aufladung des Publikums bis an die Grenze zur Eruption von Gewalt. Die Psychodynamik aus Wut, Hass und Gemeinschaftsgefühl war insbesondere für die heiße Phase des Wahlkampfs 2015/2016 charakteristisch. Um eine kollektive Stimmung der Selbsterhöhung zu erreichen, scheute Trump vor keiner Geschmacklosigkeit zurück. Trumps Kommunikation ist geprägt von einer Tendenz zur latenten Gewaltsamkeit, die er als diskursive und affektive Ressource im Überblendungsbereich von Hass, Angst und Begehren zu nutzen weiß. Gerade seine Live-Performances vor Publikum sind von einer Lust an der Herabsetzung von Gegner*innen und Kritiker*innen geprägt, die alle Standards des respektvollen Umgangs negiert.

Bei Trumps Auftritten, die nicht von ungefähr an Stand-up-Comedy erinnern, kommt es zu Szenen komischer Grausamkeit (Levina/Silva 2018), in denen er und sein Publikum immer wieder im gemeinsamen Verlachen anderer zusammenfinden. Paradigmatisch für diese Form der entmenschlichenden Verspottung, die an die Obszönität der rechten Netzkultur anschließt, ist die Art und Weise, wie Trump im November 2015 auf eine Auseinandersetzung mit dem New York Times-Journalisten Serge Kovaleski reagierte. Trump hatte zuvor behauptet, tausende Muslime in den USA hätten die Anschläge vom September 2001 bejubelt und als Quelle einen Artikel Kovaleskis genannt. Da dieser aber nie einen solchen Artikel geschrieben hatte, widersprach er der Darstellung des Präsidentschaftskandidaten entschieden. Trump kam bei seinem Wahlkampfauftritt in South Carolina auf den Dissens mit dem Journalisten zu sprechen, beklagte dessen unlautere Vergesslichkeit und imitierte mit Körper- und Gesichtszuckungen die Behinderung Kovaleskis, der an einer angeborenen Gelenkversteifung leidet. Anhand dieser Szene lässt sich ein weiteres Mal beobachten, wie Trumps Politik der Herabsetzung funktioniert: Die Performanz seiner Kommunikation ist plakativ und gestenreich, sie zielt darauf ab, einprägsame (Körper-)Bilder zu kreieren, die als Teil einer politischen Ikonografie Eingang in das mediale Polarisierungsspektakel finden sollen: „Through the use of gestural methods, Trump metonymically reduces others to laughable portrayals while elevating himself“ (Hall/Goldstein/Ingrim 2016: 73). Kritik, das ist Trumps von vorneherein feststehendes Grundgesetz, ist in der Sache immer unberechtigt und entspringt damit in jedem Fall niederen Motiven der politischen Gegner*innen. Immer, so die Inszenierung, sind es die Kontrahent*innen, die eine vorausliegende Feindschaftserklärung ausgesprochen haben und Trump zwingen, mit allen Mitteln zurückzuschlagen. Damit operiert Trump trotz der invektiven Aufladung seiner Anschlusskommunikation von der moralisch attraktiven Position der Selbstverteidigung aus. Über den jeweiligen situativen Anlass hinaus haben seine Invektiven zudem noch eine weitere Aussageebene: Sie fungieren in den Augen seiner Wähler*innen – in Entsprechung zu Trumps Republican National Convention Speech vom Juli 2016, in der er erklärte „I am your voice“ (zit. n. Cannon/Goodin 2016) – immer auch als stellvertretende Antwort auf eine fundamentale Herabsetzungserfahrung der unteren weißen Mittelschicht, die in den letzten Jahrzehnten – so das implizite Fundierungsnarrativ – einen Geltungs- und Gesichtsverlust erlitten haben soll. Trumps Verspottung Kovaleskis, die dessen körperliche Verfassung thematisiert, um dessen diskursive Autorität zu verletzten, nimmt ganz bewusst eine aggressive, zugleich aber auch unterprivilegierte Sprechposition ein. Trump handelt exakt nach der Logik von Michelle Obamas „When they go low, we go high“, verkehrt allerdings das zugrunde liegende Kausalverhältnis in sein Gegenteil. Trumps anti-intellektualistische Invektiven wollen gelesen werden als Reaktion auf eine politische und kulturelle Elite, deren Sagbarkeitsordnung als Bevormundung und hegemoniales Druckmittel gedeutet wird. Der Humor, den Trump hier in Anschlag bringt, ist ganz bewusst vulgär. Er realisiert in seiner oftmals ungeskripteten Spontanität ein Gegenprogramm zu jener feinen Ironie des Washingtoner Establishments, wie er sie in der Latenzphase seiner Präsidentschaftskandidatur, als noch niemand einen Erfolg für möglich hielt, mehrfach selbst aushalten musste. Trump agiert damit in manchen Momenten als Clown – allerdings als ein souveräner Clown, dessen politische Popularität sich nicht zuletzt aus seiner programmatischen Antipolitik ableitet (vgl. Kohns 2012).

Zu den Beiträgen

Angesichts der oben vorgestellten Dynamiken innerhalb der US-amerikanischen Politik und Gesellschaft widmen sich die folgenden Beiträge unterschiedlichen Perspektivierungen der Präsidentschaft Trumps sowie den jüngsten diskursiven und medialen Verschiebungen des politischen und sozialen Feldes innerhalb der USA. Die hier versammelten Texte interessieren sich zudem unter funktionalen Gesichtspunkten für Trumps emotionales Regime, für die Mobilisierungsstrategien, mit denen er seiner Anhänger*innenschaft adressiert und für die Resonanzen, die er erzeugt. Vor diesem Hintergrund vereint der Band unterschiedliche Themenfelder – von einer Sozialpsychologie und Ästhetik des Populismus über die Kommunikationsordnungen des Nachrichtendienstes Twitter und der Netzkultur der Alt-Right bis hin zu den Diskursverschiebungen rund um Sexual Harassment –, die ihren gemeinsamen Bezugspunkt in der Beantwortung der Frage haben, wie die Charakteristika der Präsidentschaft Trumps genauer zu fassen sind.

Simon Sticks Aufsatz widmet sich mit dieser Zielstellung verschiedenen Facetten der Performance von Trump, um sowohl die zugrunde liegenden Mechaniken seiner Präsidentschaft als auch die jeweiligen Effekte auf die politische und kulturelle Landschaft der USA nachzuvollziehen. Strick entwickelt dabei eine Serie analytischer Perspektiven auf die diskurs- und affektpolitischen Dimensionen der Präsidentschaft, die von Überlegungen zur vulgärpsychologischen Ausdeutung Trumps in den Massenmedien über die Geschlechtertheorie des Faschismus bis hin zu Konstellationen der Beleidigung und Analysen der Hermeneutik des Verdachts reichen. Im Zentrum von Stricks Überlegungen steht die Frage, welches theoretische Instrumentarium angesichts heutiger politischer Dynamiken wirkmächtig sein könnte. Der Beitrag „Ermüdung der Theorie“ stellt damit schlussendlich nicht die Person Trump, sondern die auf ihn bezogene Wissensproduktion und Kritik ins Zentrum seiner Analyse.

Simon Schleuseners Aufsatz „Trump als Symptom“ zielt in eine ähnliche Richtung. Ausgangspunkt ist hier die These, dass der Aufstieg des US-amerikanischen Präsidenten kein zufälliges und unerwartetes Ereignis markiert, sondern Ergebnis eines längerfristigen Prozesses ist, der durch das Erstarken rechtspopulistischer Politik und die Krise der westlichen Demokratien ermöglicht worden ist. Dass Trump verhältnismäßig viele Wähler*innen aus der Arbeiter*innenschicht und unteren Einkommensgruppen gewinnen konnte, erklärt Schleusener als Effekt einer Anziehungskraft, die aus Trumps fortgesetzten Überschreitungen der Regeln politischer Korrektheit, seiner Kritik an Eliten sowie der Krise des Neoliberalismus resultiert. Demnach reüssiert Trump als Präsident von rechts, der dem um sich greifenden Gefühl der Verunsicherung mit nationalistischen und protektionistischen Konzepten begegnet. Gerade der Tabubruch, der Trump so reden lässt, wie seine Anhänger*innen wohl gerne reden würden, verdeckt dabei, dass der Präsident selbst ein Mitglied jener kapitalistischen Oberschicht ist, die im hohen Maße vom Neoliberalismus profitiert. Trump arbeitet – scheinbar erfolgreich – an dem Eindruck, eine echte Alternative zum ebenso kleinteiligen wie langwierigen Prozess der Washingtoner Politik zu sein. Während sich Demokraten und Republikaner mit gegenseitigen Vorwürfen lähmen, scheinen die Anhänger*innen Trumps – insbesondere während der Trump-Rallies in einem intensiven Gefühl der Gemeinschaft verbunden – von einer kathartischen Hoffnung auf eine bessere Zukunft beseelt, deren Evokation die andere Seite einer Politik der Angst – vor dem Niedergang, vor dem Sittenverfall, vor den Anderen – darstellt.

Der Beitrag von Lars Koch und Christina Rogers greift solche Affektdynamiken auf und eröffnet einen analytischen Blick auf die Sicht- und Sagbarkeitsregeln der zeitgenössischen US-amerikanischen Politik sowie auf einige Aspekte der Medienkultur in Zeiten Trumps. In ihrem Aufsatz „Orange is the new Black Box“ fragen die Autor*innen nach den veränderten Performanzen innerhalb des Feldes der Politik und nehmen insbesondere die Normalisierung invektiver Rhetoriken im Kontext der Präsidentschaft Trumps in den Blick. Ausgehend von den Comedy-Einlagen der Correspondents’ Dinners, die im Text als Mikrodramen intermedial gerahmter Diskursphänomene fungieren, werden Diskursverschiebungen und Machtmechanismen innerhalb des öffentlichen, medialen und politischen Feldes nachvollzogen. Den Fluchtpunkt der Untersuchung bildet eine Epistemologie der Black Box, die Aufschluss darüber gibt, wie die derzeitigen politischen Konstellationen sowie deren Aufmerksamkeitsökonomien und Wahrheitsspiele neu gedacht werden können.

Wie Gabriele Dietzes Beitrag „Der Pussy-Präsident“ hervorhebt, kann eine Untersuchung der politischen Konstellationen um Trump nicht ohne Einbezug der feministischen Kämpfe und der gegenwärtigen politisch-diskursiven Entwicklungen um das Thema Sexismus und sexuelle Belästigung erörtert werden. Dietze analysiert, wie die durch Trump befeuerte sexuelle Konterrevolution in den USA den Anspruch auf die Verfügbarkeit über den weiblichen Körper mit neuer Legitimität anreichert und damit zugleich die alte, heteronormative Geschlechterordnung mit ihren Asymmetrien und männlichen ‚Privilegien‘ wiederherstellt sowie konsolidiert. Dietze rekonstruiert – die Berufung Brett Kavanaughs an den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten sowie weitere Beispiele der Diskursivierung von Vergewaltigungsfällen an Colleges und Universitäten im Blick – den öffentlichen Umgang mit sexuellen Übergriffen auf Frauen und setzt diesen zu sexistischen Handlungen und Äußerungen Trumps in Beziehung. Dabei zeigt sich, so Dietze, ein inzwischen öffentlich manifester Sexismus in der Politik der USA, der einer verqueren Logik folgend sowohl juristisch als auch diskursiv Effekte der Täter-Entlastung produziert. Diese Normalisierung und Banalisierung von Sexual Harassment, die vom Antifeminismus der Trump-Base massive Unterstützung erfährt, führt einerseits zu einer gestiegenen kulturellen Akzeptanz der nunmehr offen ausgelebten männlichen Ermächtigung über ge- und missbrauchte Frauenkörper. Demgegenüber ist andererseits ein Erstarken feministischer Kämpfe zu konstatieren, worunter die unter dem Label Women’s March seit 2017 stattfindenden Proteste ebenso zu fassen sind wie der populäre Feminismus der #MeToo-Bewegung oder die in manchen Bundesstaaten gestiegene Bereitschaft, rechtliche Schritte gegen sexuelle Belästiger einzuleiten.

Der Beitrag von Niels Werber über „Donald Trumps Medien“ leitet eine Reihe von Untersuchungen der Kommunikationskanäle Trumpscher Politik ein. Sein Text unternimmt eine medienwissenschaftliche Untersuchung des Populismus und stellt heraus, dass die Twitter-Nutzung des Präsidenten zu einer allein an Popularität orientierten Medienpraxis gehört. Der Beitrag untersucht eine Reihe von Tweets, die Trumps Popularität behaupten, belegen oder weiter popularisieren und in erster Linie von Trump und seinen Followern über Ranglisten konzeptualisiert werden. Werber arbeitet davon ausgehend die spezifischen Mechanismen der Beachtungserzeugung über Twitter heraus und rückt eine Analyse der digitalen Popularisierungsbedingungen des Populismus ins Zentrum seiner Untersuchung. Erst die Beobachtung der Medienpraxis, so Werbers These, erlaubt eine umfassende Profilierung jener digitalen Resonanzstrategien, die Trumps Erfolg mitbegründet haben.

Der Ausgangspunkt des Beitrags von Tobias Nanz ist die Fragestellung, ob sich Trump in seiner Außenpolitik als „Madman im Digitalen“ inszeniert. Dafür zeichnet Nanz die Genese des Madman in der Spieltheorie und in der Politik des Kalten Krieges nach, indem er die zugrunde liegende Konzeption der rationalen Irrationalität unter anderem anhand der Arbeiten des Ökonomen und Abschreckungstheoretikers Thomas Schelling skizziert. Weiter beleuchtet Nanz den Transfer dieser Figur in die US-amerikanische Politik und diskutiert den Versuch Richard Nixons, den Madman in der politischen Praxis zur Beendigung des Vietnamkriegs einzusetzen. Davon ausgehend stellt Nanz die Frage, inwiefern der Madman des Kalten Krieges unter den politischen und medientechnischen Bedingungen des 21. Jahrhunderts von Trump reinszeniert werden kann und welche Rolle neue Medien wie Twitter dabei spielen, die im Kalten Krieg noch nicht verfügbar waren.

Der Aufsatz von Gyburg Uhlmann geht den konkreten „rhetorischen Strategien von @realDonaldTrump“ nach und untersucht seine Kommunikation über den Kurznachrichtendienst Twitter. Ihr Beitrag zeigt auf, wie die politische Agenda Trumps mit den Techniken der Kommunikation interagiert. Anhand einzelner Merkmalsbeschreibungen arbeitet Uhlmann heraus, wie Trump Twitter strategisch nutzt, um sachlichen Diskussionen und an Rationalität orientierten Argumentationen rhetorisch auszuweichen. So setzt der Präsident etwa Strategien der Dekontextualisierung und der Emotionalisierung ein, was den vermehrten Gebrauch von Beleidigungen forciert. In Rekurs auf die antike Rhetoriktheorie skizziert Uhlmann, wie Twitter von Trump manipulativ genutzt wird, um die Spielregeln politischer Kommunikation dahin gehend zu verändern, dass differenzierte Begründungsnotwendigkeiten und Sachorientierung zugunsten leicht zu rezipierender, sprachlicher und piktoraler Metaphern zunehmend in den Hintergrund treten.

Ebenfalls für die affektive Dimension von Trumps Politik interessiert sich der Beitrag „Affekt, Genuss und das Problem der Mentalisierung“ von Reinhold Görling, der einen psychoanalytisch informierten Blick auf die für Trump und die Neue Rechte typische Praxis permanenter Normübertretungen wirft. Ausgehend von der Beobachtung, dass auf Wahlkampfveranstaltungen Trumps sowie am Rande rechter Demonstrationen sexuell und/oder juristisch konnotierte Grenzüberschreitungen inszeniert oder offen thematisiert werden, entfaltet Görling die Dynamik zwischen dem – von Trump oft beschworenen – Verfall von Gesellschaft und Welt auf der einen Seite und dem Genießen von Willkür und schrankenloser Souveränität auf der anderen. Dieses Faszinosum einer radikalen Regellosigkeit, von dem weite Teile der Trump-Anhänger*innenschaft betroffen zu sein scheinen, findet seinen Niederschlag in einer – insbesondere bei Trump-Rallies zu beobachtenden – Sexualisierung des öffentlichen Raumes. Das Souveränitätsphantasma, so arbeitet Görling heraus, benötigt die Vorstellung der Grenzüberschreitung, von Trump etwa beflügelt, indem er seine Tochter Ivanka öffentlich zum eigenen Sexualobjekt stilisiert oder auch dadurch, dass er während seiner Auftritte seine Zuhörer*innenschaft offen zu Gewalt und Rechtsbruch ermuntert. Twitter erweist sich auch bei Görling als ideales Medium für Trumps Inszenierung von Grenzübertretungen, insofern der Nachrichtendienst vor allem für plakative Setzungen geeignet ist.

Den Abschluss der hier unternommenen Studien zu Trump, den Medien und der Politik der Herabsetzung markiert der Beitrag „Zu einer Ästhetik des Populismus“ von Johannes Voelz, der danach fragt, wie die für Trumps Politik konstitutive Dimension des Ästhetischen genauer zu konzeptualisieren und zu analysieren ist. Trumps Auftritte, so Voelz, schaffen einen politischen Erscheinungsraum rechtspopulistischer Massenmobilisierung, der von Fernsehkameras und anderen Medienarrangements abgebildet und in den Diskursraum eingespeist werden soll. Voelz verdeutlicht, dass der rechtsgerichtete US-amerikanische Populismus insbesondere auf dem Rally-Format beruht, das den Unterschied zwischen den Repräsentierten und dem Repräsentierenden zu eliminieren und den Eindruck einer Unmittelbarkeit zwischen beiden Seiten, mithin zwischen Redner und Publikum, herzustellen sucht. Die aufwendig inszenierten Rallies zielen demnach darauf ab, eine Gemeinschaft abbildbar zu machen, die die Anhänger*innen und den Redner Trump umfasst und aus einer fein abgestimmten Choreografie von medientechnischen Manövern (Kameraeinstellung, usw.) und populistischer Rede hervorgeht.

Mit diesem Beitrag zur spezifischen Ästhetisierung der Politik unter der Regie Trumps schließt sich der Bogen der hier zusammengestellten Überlegungen, die das Medienhandeln des Great Disruptor hinsichtlich seiner Voraussetzungen, Mittel und Effekte diskutieren. Zugleich kommt mit diesem Band aber auch die rund sechsjährige Arbeit der ERC-Forschungsgruppe The Principle of Disruption zu einem vorläufigen Abschluss.Footnote 5 Dieses Projekt fragte in einer umfassenden medienkulturwissenschaftlichen Perspektive danach, welche Funktionen ‚Störung‘ in modernen Gesellschaften erfüllt. Nicht zuletzt ging es dabei auch um die potenziell subversiven und kritischen Effekte, die der ‚Störung‘ im Bereich von Kunst und Aktivismus zugetraut wurden. Diese Möglichkeit scheint im Zeitalter des Great Disruptor, der Störung, Transgression und Tabubruch auf Dauer stellt, verloren gegangen zu sein. Welche Instrumente der Kritik angesichts des New Normal adäquat sind, ist noch nicht ausgemacht.