Zusammenfassung
Die Auseinandersetzung von Mises’ mit der antikapitalistischen Gesellschaftskritik geht weit in seine österreichische Lebensphase zurück. Ein sehr früher und einflussreicher Aufsatz war „Die Wirtschaftsrechnung im sozialistischen Gemeinwesen“, der 1920 im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik erschien (Mises 1920). Er argumentierte, dass im Sozialismus weder eine Bildung der Konsumentenpreise noch der Verrechnungspreise im Produktionsprozess möglich sei, da es sich um Gemeineigentum handele. Wenn es aber unmöglich ist, die Geldpreise der Produktivgüter zu erkennen, dann kann nicht rational produziert werden. Dieses Argument hat von Mises seitdem in verschiedenen Ausformungen weitergeführt, und von Hayek hat es übernommen mit seiner These, dass der Markt ein unverzichtbares Informationssystem darstelle. Knapp kommt von Mises zu dem Schluss: „Ohne Wirtschaftsrechnung keine Wirtschaft“. Zwar wäre es möglich, dass die Erinnerung an Erfahrungen aus Jahrtausenden freier Wirtschaft noch den Verfall der Wirtschaftskunst ein wenig aufhalten könne: aber diese alten Verfahrensweisen „werden mittlerweile unrationell geworden sein, weil sie den neuen Verhältnissen nicht mehr entsprechen.“ – „Über allen der Bedarfsdeckung dienenden Handlungen wird der Befehl einer obersten Stelle walten. Doch an Stelle der Wirtschaft der anarchischen Produktionsweise wird das sinnlose Gebaren eines vernunftlosen Apparates getreten sein. Die Räder werden sich drehen, doch sie werden leer laufen“ (Mises 1920, S. 100). Zwar wird man zu wissen glauben, welche Güter am dringendsten benötigt werden. Aber damit werden sie eben noch nicht rationell hergestellt werden können.
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Reese-Schäfer, W. (2019). Ludwig von Mises und die Gesellschaftskritik. In: Ideengeschichte als Provokation. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04840-0_13
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