Naturwissenschaften

Zusammenfassung

Natur war für Humboldt der Inbegriff der Naturdinge und Naturkräfte als ein lebendiges Ganzes (Humboldt 1845–1862 I, 5–6). Mit dieser Auffassung stellte er sich in die Tradition Plinius’ des Älteren (1. Jh. n. Chr.) und der dynamischen Materietheorie, wie sie Kant 1786 in den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft entwickelt hat. Mit beiden Werken war Humboldt gut vertraut.

Der Naturalis historia des »vielsammelnden« Plinius (Humboldt 1845–1862 II, 170) entnahm er das Motto seines Alterswerks, des Kosmos: »Aber die Kraft und die Großartigkeit der Dinge der Natur entbehren in all ihren Wechseln der Glaubwürdigkeit, wenn jemand im Geiste nur deren Teile und sie nicht als ganze erfasst.«

Kants Werk nannte er eines von dessen »merkwürdigsten Erzeugnissen« (Humboldt 1845–1862 V, 7). Die Humboldtschen Kernbegriffe Natur, Naturwissenschaft, Mathematik fanden dort ihr Vorbild, ihre Erklärung.

Humboldts Naturbegriff schloss eine zweifache Charakterisierung von Natur ein. Die Naturdinge, die natura naturata, sind Objekte, die Gesetzen unterliegen. Die natura naturans, die schaffende, schöpferische Natur, schreibt die Gesetze den Objekten vor. Die Naturkräfte wirken nach Gesetzen, die es aufzufinden gilt. Besonders ausführlich ging Humboldt auf diesen Doppelcharakter in den Prolegomena von 1815 ein (Humboldt 1815–1826 I).