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Das unbekannte innere Afrika

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Allegorien des Erzählens
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Zusammenfassung

Bereits ein Kapitel zuvor hatte sich der Erzähler in den Vordergrund geschoben (BA 7, 174), nicht allein seine Anwesenheit demonstrierend, als vielmehr den fiktiven Charakter der „Historie“ anzuzeigen. Hier, zu Beginn des 18. Kapitels, verdichten sich nun narrative Elemente, vom Erzähler ironisch benannt, sowie immanente Bezugsgrößen (der Name des „Helden“, die gegenwärtige Situation und der Verweis auf die folgende Handlung) zu einem metatextuellen Konzentrat. Der bisherige Verlauf der Erzählung bleibt unerheblich. Nicht die „Heimkehr“ des in Afrika verschollenen Protagonisten, nicht die Konfrontation des seiner Heimat entfremdeten Sohnes, der vermeintliche Kontrast von Barbarei und Zivilisation oder das Philistertum des Heimatorts sind von Belang, und wenig deutet auf die „Katastrophe“ hin, die sich nach dem markierten Wendepunkt des 18. Kapitels entfaltet: die nachgeschobenen Erklärungen der verwandtschaftlichen Verhältnisse, die Entlarvung der Betrüger, der Versuch, Rache zu nehmen, die resignative Stimmungslage angesichts einer zerstörten „heilen“ Welt. Nur als akkumulierende Häufung phänotypischer Erzähleinheiten, als Oberflächenstruktur, behalten die dargebotenen Abschnitte der Fabel ihre Berechtigung.

Dieses ist das achtzehnte Kapitel der Historie des Herrn Leonhard Hagebucher, welcher zwölf Jahre zu Abu Telfan im Tumurkielande in Gefangenschaft zubrachte. Es bildet sowohl formell wie dem Inhalte nach den Mittelpunkt der wahrhaften und merkwürdigen Geschichte, die Spitze der Pyramide, auf welcher der afrikanische Redner sitzt, seine schöne Seele aufknöpft und mit dem besten Willen sein Erbauliches und Beschauliches der Residenz preisgibt. (BA 7, 183f)

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Anmerkungen

  1. Barker Fairley: Wilhelm Raabe. Eine Deutung seiner Romane. München 1961. S. 160.

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  2. Hans Mayer: Wilhelm Raabe: „Abu Telfan oder die Heimkehr vom Mondgebirge“. In: Wilhelm Raabe. Studien zu seinem Leben und Werk. Hg. von Leo A. Lensing und Hans-Werner Peter. Braunschweig 1981 (ich zitiere den Aufsatzband im folgenden kurz „Studien“). S. 128–132. Hier: S. 131.

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  3. Sowohl Peter J. Brenner: Die Einheit der Welt. Zur Entzauberung der Fremde und Verfremdung der Heimat in Raabes ‚Abu Telfan’. In: JbRG 1989. S. 45–62,

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  4. wie auch Michel Gnéba Kokora: Die Ferne in der Nähe. Zur Funktion Afrikas in Raabes „Abu Telfan“ und „Stopfkuchen“. In: JbRG 1994. S. 54–69, orientieren sich zu sehr an einer Untersuchungsmethode, die die Erklärung von Raabes „Weltanschauung“ zum Ziel hatte. Die Schlußfolgerungen bleiben in beiden Fällen dürftig: „Die gegenseitige Durchdringung von Nähe und Ferne läßt darauf schließen, daß der Verfasser von ‚Abu Telfan‘ und ‚Stopfkuchen‘ die Welt — nicht im Sinne eines geographischen Raumes, sondern im Sinne von Menschheit — als Einheit erfaßte.“ Ebd. S. 69. „Heimat ist nicht mehr identisch mit dem Eigenen und Wirklichen, sondern sie ist eine Wunschvorstellung, die jeweils in der Fremde entsteht. Die Fremde — hier zunächst verstanden als die Entfernung von der Wirklichkeit — ist nötig, um jenes Bild der Heimat zu entwerfen, das die erfahrbare Realität nicht mehr zuläßt.“ Brenner: Die Einheit der Welt. S. 60.

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  6. Martin Heidegger: Sein und Zeit. Tübingen 121972. S. 235 passim. Zum Nihilismus Raabes vgl. unten, Kap. VII, 3. S. 288ff.

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  7. Rosemarie Henzler: Krankheit und Medizin im erzählten Text. Eine Untersuchung zu Wilhelm Raabes Spätwerk. Würzburg 1990. [Epistemata. Reihe Literaturwissenschaft. Bd. 51]. S. 88.

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  9. Eine Vielzahl von Studien widmete sich in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten ausführlich dieser Problemstellung. So etwa Proß: Jean Pauls geschichtliche Stellung; Wilhelm Schmidt-Biggemann: Maschine und Teufel. Jean Pauls Jugendsatiren nach ihrer Modellgeschichte. Freiburg, München 1975. [Symposion. Bd. 49]; Wiethölter: Witzige Illuminationen; sowie Müller: Jean Pauls Ästhetik.

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  10. Vgl. Heinz Schlaffer: Der Bürger als Held. Sozialgeschichtliche Auflösungen literarischer Widersprüche. Frankfurt/M. 31981. S. 41.

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  11. Vgl. Raabes Erzählung „Deutscher Mondschein“ (1873), die mit einem Bekenntnis zu den Schriften Jean Pauls endet, vgl. BA 9/2, 402.

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  12. Astrid Schweimler: Tumurkieland. Dulk, ein Vorbild für Hagebucher? In: JbRG 1991. S. 82–94.

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  13. Jacques Lacan: Schriften I. Ausgewählt und hg. von Norbert Haas. Weinheim, Berlin 1986. S. 107.

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Zeller, C. (1999). Das unbekannte innere Afrika. In: Allegorien des Erzählens. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04311-5_5

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-04311-5_5

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

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