Zusammenfassung
Der Germanist Peter Wapnewski, ein genauer Kenner der mittelalterlichen Epik wie der Musikdramen Wagners, monierte an Tristan und Isolde, dort sei die Dramaturgie der Dramatik zum Opfer gefallen. Was er sprachlich so zuspitzte, ist die Tatsache, daß der Schluß des Dramas schwer nachzuvollziehen ist: Der Zeitpunkt für Isoldes Liebestod ist nämlich bereits am Ende des 2. Aktes gekommen, als sie gelobte, Tristan in den Tod zu folgen, und dieser sich in Melots Schwert stürzte2. Diese Version hätte zudem, so kann man noch hinzufügen, den unschätzbaren Vorzug gehabt, dem Liebespaar die Gelegenheit zum gemeinsamen Liebestod zu bieten.
Isolde — „in wehrlos sich ergebender Liebesneigung“?
Vgl. das Kapitel „Als Frau lesen“ in: Jonathan Culler, Dekonstruktion. Derrida und die poststrukturalistische Literaturtheorie, Reinbek 1988, S.46 ff.
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Notizen
Wapnewski, P.: Tristan der Held Richard Wagners, Berlin 1981, S.119–123. Schon Ernst Bloch wies auf das Prekäre des dritten Aktes hin, in dem „wieder Tag hereinfällt, und zwar gerade dort, wo man am empfindlichsten dagegengeworden ist“ (Tristans Nacht, aus: ders., Geist der Utopie, Frankfurt a.M. 1973, abgedr. in: Richard Wagner, Tristan und Isolde. Texte. Materialien, Kommentare, hg. v. Attila Csampai und Dietmar Holland, Reinbek 1983, S,l 97).
Wagner, R.: Programmatische Erläuterungen zum Vorspiel von Tristan und Isolde, am 19.12.1859 an Mathilde Wesendonck gesandt, als Faksimile abgedr.
im Anhang von: Richard Wagner an Mathilde Wesendonck. Tagebuchblätter und Briefe 1853–1871, hg. v. Wolfgang Golther, 21. Aufl. Berlin 1904.
Lorenz, A.: Der musikalische Aufbau von Richard Wagners Tristan und Isolde, —Das Geheimnis der Form bei Richard Wagner, Bd.11, Berlin 1926, 2. Aufi. Tutzing 1966, S.44.
Wagner, R.: Epilogischer Bericht über die Umstände und Schicksale, in: Richard Wagner, Gesammelte Schriften und Dichtungen, hg . v. Wolfganq Golther Berlin etc. (1913), Bd.6, S.268. Hans Mayer bringt beide Argumente zusammen, indem er Tristans Schweigen als „erzwungen [...] durch Ehre und Sitte“ erklärt (Tristans schweigen, aus: ders., Anmerkungen zu Richard Wagner, Frankfurt a.M. 1966, abgedr. in: Richard Wagner, Tristan und Isolde, a.a.O., S.222). — Die psychoanalytische Interpretation des „Zwangs“ liefert Peter Dettmering, der Isolde aufgrund ihres furiosen Auftritts in der ersten Szene als Rache- und Todesgöttin versteht, die Tristan mit Gewalt seiner Vaterbindung entfremden wolle; so erklärt er Tristans beharrliche Treue gegenüber Marke und Verweigerung gegenüber Isolde mit seiner Furcht vor der „tötenden Mutter“ (Die Regression Tristans, in: ders., Dichtung und Psychoanalyse, Bd. 1/5, München 1969, abgedr. in: Richard Wagner, Tristan und Isolde, a.a.O., S.255).
Volker Mertens interpretiert diese Stelle (“sich nicht getrauten“) dagegen, Tristan sei sich seiner Liebe unbewußt gewesen (Richard Wagner und das Mittelalter, in: Richard Wagner — Handbuch, hg. v. U. Müller und P. Wapnewski, Stuttgart 1986, S.43)
Kühn, H.: Brangänes Wächtergesang. Zur Differenz zwischen dem Musikdrama und der französischen großen Oper, in: Richard Wagner — Werk und Wirkung, hg. v. C. Dahihaus, = Studien zur Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts 8d.Z6. Regensburg 1971, S.117.
Vgl. dazu den sehr aufschlußreichen Abschnitt „Intimität und Vergnügungen im Wandel“ von Alain Corbins Kapitel „Kulissen“ in: Geschichte des privaten Lebens, hg. v. Philippe Aries und Georges Duby, Bd.4: Von der Revolution zum Großen Krieg, hg. v. Michelle Perrot, Frankfurt a.M. 1992, bes. S.535 ff.
Vgl. Maugue, A.: Die neue Eva und der alte Adam, in: Die Geschichte der Frauen, hg. v. Georges Duby und Michelle Perrot, Bd.4: 19. Jahrhundert, hg. v. Genevieve Fraisse und Michelle Perrot, Frankfurt — New York-Paris 1994, S.588f.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2000 Springer-Verlag GmbH Deutschland
About this chapter
Cite this chapter
Zenck, C.M. (2000). Komponierte Weiblichkeit — Rollenprofil der Isolde oder: Als Frau Isolde zuhören. In: Vill, S. (eds) »Das Weib der Zukunft«. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04310-8_8
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-04310-8_8
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-45217-7
Online ISBN: 978-3-476-04310-8
eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)