Zusammenfassung
In der Vorrede zu Die Braut von Messina oderDie feindlichen Brüder schreibt Schiller: „Die Tragödie der Griechen ist, wie man weiß, aus dem Chor entsprungen.“ Er konstatiert damit einen allgemeinen Wissensstand seiner Zeit, der bis heute nicht bestritten wird. Zugleich wird aber auch die Bedeutung des Chores in seiner Funktion als fortdauernder Bestandteil der antiken Tragödie betont. Indem Schiller in direkter formaler Imitation des griechischen Vorbilds das Experiment1 wagt und 1803 ein „Trauerspiel mit Chören“ — so der Untertitel — auf das Weimarer Theater und damit auf die deutsche Bühne bringt, ist Die Braut von Messina der klassizistische Höhepunkt des deutschen klassischen Dramas. In diesem Sinn schreibt Schiller an Wilhelm von Humboldt: „Mein erster Versuch einer Tragödie in strenger Form wird Ihnen Vergnügen machen.“2 Und Goethe bestätigt nach der Weimarer Aufführung — wie Schiller selber an Körner berichtet — die Exzeptionalität dieses Versuches einer deutschen ‘Tragödie in strenger Form’: „[…] der theatralische Boden wäre durch diese Erscheinung zu etwas höherem eingeweiht worden.“3 Das klingt zugleich nach Festspiel und Weihespiel und stellt über den formalen Aspekt hinausreichende Verbindungen zum Vorbild der klassischen griechischen Tragödie her. Hier werden der modernen Tragödie neue Dimensionen erschlossen. Doch Schiller hat auch schon selber den innovativen Anspruch seines Unternehmens hervorgehoben — und auch hier zunächst auf dem formalen Sektor —, wenn er in der Vorrede schreibt: „Der Chor der alten Tragödie ist meines Wissens seit dem Verfall derselben nie wieder auf der Bühne erschienen.“4
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Brunkhorst, M. (1998). Das Experiment mit dem antiken Chor auf der modernen Bühne (1585–1803). In: Riemer, P., Zimmermann, B. (eds) Der Chor im antiken und modernen Drama. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04304-7_8
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