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Einleitung

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Zusammenfassung

Literarische Aufklärung — mit diesem Leitbegriff wird in den folgenden Untersuchungen ein wesentlicher Aspekt des Schaffens von Christoph Martin Wieland analysiert. In den Jahren von 1750 bis 1780 legt der 1733 geborene Autor eine Vielzahl von Versdichtungen der verschiedensten Gattungen vor: Vom Lehrgedicht über die Versepistel zur empfindsamen Erzählung, vom Drama über das Fragment eines Heldenepos zur Mythentravestie, von der komischen Erzählung über das Epyllion bis zum ‘romantischen’ Heldengedicht (Romanzo) reicht das Spektrum der von Wieland geschriebenen Texte in Versen. Wenn die von ganz unterschiedlichen formalen und ‘ideologischen’ Voraussetzungen geprägten Werke unter dem Begriff ‘literarische Aufklärung’ subsumiert werden können, so ist dies deshalb möglich, weil wir im Einklang mit der Forschung Aufklärung nicht mit einem engstirnigen Rationalismus identifizieren, sondern als eine in sich differenzierte Bewegung auffassen, die in der Lage war, ihre eigenen Widersprüche und Probleme einer kritischen Selbstreflexion zu unterziehen. Empfindsamkeit und Sturm und Drang, Anakreontik und Pietismus, bürgerliches Trauerspiel und komische Epik gehören in den widerspruchsvollen Prozeß einer kritischen Selbstreflexion von Aufklärung, der sich auch im Werk Wielands vollzieht. Während die bisherige Forschung vor allem Wielands Romane als Dokumente literarischer Aufklärung untersucht hat, fehlt bisher eine umfassende Analyse seiner Versdichtungen, welche diese in ihrer Gesamtheit als Ausdruck eines aufklärerischen Prozesses interpretiert.

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Notizen

  1. Vgl. aber die Ausführungen Jan Philipp Reemtsmas zum Perspektivismus und zur kritischen Reflexion der Entstehung von Urteilen über politische Prozesse in Wielands Essays und Dialogen zur Entwicklung der Französischen Revolution. (Jan Philipp Reemtsma: Der politische Schriftsteller Christoph Martin Wieland. In: Christoph Martin Wieland: Politische Schriften, insbesondere zur Französischen Revolution. 3 Bände. Hrsg. v. Jan Philipp Reemtsma, Hans und Johanna Radspieler. Nördlingen 1988. Band 1, S. XII-LXXV.) Vgl. auch Sven-Aage J0rgensen u.a.: Christoph Martin Wieland. Epoche — Werk — Wirkung. München 1994 (Arbeitsbücher zur Literaturgeschichte), S. 159–184.

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  2. Vgl. zum Terminus „Modell-Leser“ Umberto Eco: Lector in fabula. Die Mitarbeit der Interpretation in erzählenden Texten. Aus dem Italienischen von Heinz G. Held. München 1990 (dtv Wissenschaft 4531), S. 61–82.

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  3. Kritisch zu dieser Position, die vor allem durch Friedrich Sengle: Wieland. Stuttgart 1949 zum Allgemeingut der Wielandforschung wurde, John A. McCarthy: Wielands Metamorphose. In: DVjs 49.1975. Sonderheft 18. Jahrhundert, S. 149–167. Auch McCarthy sieht den Dualismus zwischen Sinnlichkeit und Spiritualismus als Konstante in Wielands Werk.

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  4. Vgl. Max Weber: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Drei Bände. Tübingen 1963–66, passim.

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  5. Vgl. zur Modernaisierungsthese bei Max Weber Reinhard Bendix: Max Weber. Das Werk. Darstellung. Analyse. Ergebnisse. Mit einem Nachwort von René König. Aus dem Amerikanischen von Renate Rausch. München 1964.

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  6. Vgl. zur Neuinterpretation der Rationalisierungsthese Webers Jürgen Habermas: Theorie des kommunikativen Handelns. 2 Bände. 3., durchgesehene Auflage. Frankfurt am Main 1985, Band 1, S. 225–366.

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  7. Vgl. Hans Freier: Kritische Poetik. Legitimation und Kritik der Poesie in Gottscheds Dichtkunst. Stuttgart 1973.

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  8. Vgl. Gerhard Sauder: Empfindsamkeit. Band I: Voraussetzungen und Elemente. Stuttgart 1974. Band III: Quellen und Dokumente. Stuttgart 1980 sowie

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  9. Nikolaus Wegmann: Diskurse der Empfindsamkeit. Zur Geschichte eines Gefühls in der Literatur des 18. Jahrhunderts. Stuttgart 1988 und ders.: Zurück zu Philologie? Diskurstheorie am Beispiel einer Geschichte der Empfindsamkeit. In: Jürgen Fohrmann, Harro Möller (Hrsg.): Diskurstheorie und Literaturwissenschaft. Frankfurt am Main 1988 (st 2091), S. 349–364.

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  10. Vgl. Horst Thomé: Roman und Naturwissenschaft. Eine Studie zur Vorgeschichte der deutschen Klassik. Frankfurt am Main u.a. 1978 (Regensburger Beiträge zur deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft. Reihe B; Untersuchungen 15), S.74–117 („Die Restauration des Rationalismus in Wielands Lehrgedicht ‘Die Natur der Dinge’“) und

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  11. Margit Hacker: Anthropologische und kosmologische Ordnungsutopien. Christoph Martin Wielands „Natur der Dinge“. Würzburg 1989 (Würzburger Beiträge zur deutschen Philologie 3).

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  12. Vgl. Alfred Anger: Friedrich von Hagedorn. In: Gunter E. Grimm, Frank Rainer Max (Hrsg.): Deutsche Dichter. Leben und Werk deutschsprachiger Autoren. Band 3. Aufklärung und Empfindsamkeit. Stuttgart 1988 (RUB 8613). S. 60–68, hier S. 64.

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  13. Vgl. Manfred Dick: Wandlungen des Menschenbildes beim jungen Wieland. „Araspes und Panthea“ und Shaftesburys „Soliloquy“. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 16. 1972, S. 145–175. 11 Wielands Differenz zum Sturm und Drang läßt sich mit Umberto Ecos Unterscheidung zwischen einer ironischen Bearbeitung tradierter Formen und dem innovativen Impuls einer ‘revolutionären’ Avantgarde parallelisieren: „Das Verfahren der ‘Avantgarde’ ist zweifellos die augenfälligste Art, eine etablierte Situation anzugehen, um sie umzustürzen und ihre Ordnung aufzubrechen, doch ist es nicht der einzige Weg, diese Situation zu bekämpfen. Es gibt einen anderen, der scheinbar innerhalb der negierten Ordnung verbleibt, nämlich die parodistische Übernahme dieser Ordnung, ihre ironische Verwendung <...>. Man kann, anders ausgedrückt, einen verbrauchten und entfremdenden Gemeinplatz dadurch bekämpfen, daß man die kommunikativen Modi, auf denen er beruht, auflöst, kann ihn aber auch dadurch exorzisieren, daß man ihn ironisch verwendet. Hier profiliert sich also eine Theorie der Parodie und Ironie heraus, die sie versteht als heimliches Wirken gegen das revolutionäre, öffentliche Ungestüm der eigentlichen Avantgarde.“

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  14. (Umberto Eco: Das offene Kunstwerk. Übersetzt von Günter Memmert. Frankfurt am Main 71996 <stw 222>, S. 267.) Ecos Modell charakterisiert kongenial Wielands ‘konservative Modernität’ und bietet ein Deutungsschema für das Verhältnis von Wieland und Schiller in den 1780er Jahren. Aus unserer Perspektive erscheint Eco selbst als ein Wieland des zwanzigsten Jahrhunderts. Vgl. hierzu den Abschnitt „Aufklärung, Moderne, Postmoderne“.

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  15. Vgl. die Einschätzung von Peter Pütz, der in seinem Lessing-Buch die Empfindsamkeit als „nach innen gerichtete, die Affekte durch gezielte Sprache zügelnde Aufklärung“ und damit als eine Form der Naturbeherrschung charakterisiert. (Peter Pütz: Die Leistung der Form. Lessings Dramen. Frankfurt am Main 1986, S. 133.)

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  16. Vgl. Hans Robert Jauß: Über den Grund des Vergnügens am komischen Helden. In: Wolfgang Preisendanz, Rainer Warning (Hrsg.): Das Komische. München 1976 (Poetik und Hermeneutik VII), S. 103–132.

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  17. „In äußerster Vereinfachung kann man sagen: ‘Postmoderne’ bedeutet, daß man den MetaErzählungen keinen Glauben mehr schenkt.“ (Jean-François Lyotard: Das postmoderne Wissen. Ein Bericht. Deutsch von Otto Pfersmann. Bremen 1982, S. 14.)

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  18. Albrecht Wellmer: Zur Dialektik von Moderne und Postmoderne. Vernunftkritik nach Adorno. Frankfurt am Main 1990 (stw 532), S. 49.

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  19. Vgl. zur Kritik der,»Dialektik der Aufklärung“ aus dieser Perspektive Axel Honneth: Kritik der Macht. Reflexionsstufen einer kritischen Gesellschaftstheorie. Frankfurt am Main 1985, S. 43–69.

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  20. Rolf Grimminger: Aufklärung, Absolutismus und bürgerliche Individuen. Über den notwendigen Zusammenhang von Literatur, Gesellschaft und Staat in der Geschichte des 18. Jahrhunderts. In R.G. (Hrsg.): Deutsche Aufklärung bis zur Französischen Revolution 1680–1789. 2 Bände. 2., durchgesehene Auflage. München 1984 (Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Band 3). S. 15–99, hier S. 20.

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  21. Vgl. Max Horkheimer, Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Philosophische fragmente. Frankfurt am Main 1988 (Fischer Wissenschaft 7404), S. 11 Of. und kritisch dazu Sauder: Empfindsamkeit. Band I, S. XIIf.

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  22. Daß die „Odyssee“ auch völlig konträr zu Horkheimers/Adornos Deutung, nämlich im Sinne eines ‘Eingedenkens der Natur im Subjekt’, interpretiert werden kann, zeigen sehr eindringlich Helga Geyer-Ryan, Helmut Lethen: Von der Dialektik der Gewalt zur Dialektik der Aufklärung. Eine Re-Vision der Odyssee. In: Willem van Reijen, Gunzelin Schmid Noerr (Hrsg.): Vierzig Jahre Flaschenpost. „Dialektik der Aufklärung“ 1947 bis 1987. Frankfurt am Main 1987 (Fischer Taschenbuch 6566), S. 41–72.

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  23. Theodor W. Adorno: Zum Klassizismus von Goethes Iphigenie. In: Th. W. A.: Noten zur Literatur <Ausgabe in einem Band>. Hrsg. v. Rolf Tiedemann. Frankfurt am Main 1981 (stw 355). S. 495–514, hier S. 504.

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  24. Vgl. zur Terminologie Niklas Luhmann: Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität. Frankfurt am Main 1982 und die genaue Analyse der Liebesproblematik im „Musarion“-Kapitel dieser Arbeit.

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  25. Jürgen Habermas: Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen. Frankfurt am Main 1985, S. 348.

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  26. Rolf Grimminger: Die Ordnung, das Chaos und die Kunst. Für eine neue Dialektik der Aufklärung. Mit einer Einleitung zur Taschenbuchausgabe (1990). Frankfurt am Main 1990 (stw 885), S. 30f.

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  27. Jean-François Lyotard: Der Widerstreit. Übersetzt von Joseph Vogl. Mit einer Bibliographie zum Gesamtwerk Lyotards von Reinhold Clausjürgens. München 1987 (Supplemente 6), S. 230. Eine vorzügliche Darstellung der Postmoderne-Diskussion in ihren verschiedensten Aspekten unter enger Anlehnung an Lyotard bietet

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  28. Wolfgang Welsch: Unsere postmoderne Moderne. 3., durchgesehene Auflage. Weinheim 1991 (Acta Humaniora).

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  29. Vgl. Klaus Manger: Wielands klassizistische Poetik als die Kunst des Mischens. In: Hans-Joachim Simm (Hrsg.): Literarische Klassik. Frankfurt am Main 1988 (st 2048), S. 327–353. Manger bezieht sich auf Horaz’ Brief an die Pisonen, dessen Vers 242f. in Wielands Übersetzung lautet: „soviel kommt auf die Kunst des Mischens an!“

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  30. Vgl. Christoph Martin Wieland: Übersetzung des Horaz. Hrsg. v. Manfred Fuhrmann. Frankfurt am Main 1986 (C. M. W.: Werke in zwölf Bänden. Hrsg. v. Gonthier-Louis Fink u.a. <Bibliothek deutscher Klassiker>, Band 9), S. 534.

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  31. Vgl. Eco : Das offene Kunstwerk, S. 266f. und Peter Bürger: Theorie der Avantgarde. Frankfurt am Main 1974 (es 727), S. 80.

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  32. Umberto Eco: Nachschrift zum ‘Namen der Rose’. Deutsch von Burkhart Kroeber. München 1984 (dtv 10552), S. 78.

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  33. Eco : Nachschrift, S. 79. Dem möglichen Einwand, auch in der Literatur der Moderne gebe es das Phänomen der Ironie, ist mit dem Hinweis zu begegnen, daß Eco hier Moderne und Avantgarde parallelisiert. In den Manifesten der historischen Avantgarde ist tatsächlich kaum eine Spur von Ironie zu erkennen. Die Ironie der ‘Klassiker der Moderne’, wie etwa die Thomas Manns, weist besonders im Falle von „Joseph und seine Brüder“ und „Felix Krull“ postmoderne Züge in dem beschriebenen Sinne auf — was auf einen Gebrauch des Terminus „Postmoderne“ verweist, der sich mit dem Begriff „Manierismus“ trifft (vgl. dazu unten). Wie etwa die romantische Ironie und die Ironie Musils in diesem Kontext zu beurteilen wäre, ist eine interessante Frage, die in diesem Zusammenhang nicht beantwortet werden kann (es ließe sich formelhaft von einer Mischung ‘moderner’ und ‘postmoderner’ Züge sprechen). Vgl. allgemein zum Thema ‘Ironie’ Beda Allemann: Ironie und Dichtung. Pfullingen 1959 und Uwe Japp: Theorie der Ironie. Frankfurt am Main 1983 (Das Abendland; Neue Folge 15).

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  34. Judith Ryan: Pastiche und Postmoderne. Patrick Süskinds Roman Das Parfum. In: Paul Michael Lützeler (Hrsg.): Spätmoderne und Postmoderne. Beiträge zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Frankfurt am Main 1991 (Fischer Literaturwissenschaft 10957). S. 91–103, hier S. 92. Die Autorin weist nach, daß bei Süskind die Grenzen zwischen effekthaschendem Manierismus und einem reflektierten postmodernen Impuls fließend sind, weshalb wir den Roman nicht als ein Beispiel ‘achtenswerter’ Postmoderne zitieren.

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Hofmann, M. (1998). Einleitung. In: Reine Seelen und komische Ritter. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04290-3_1

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