Zusammenfassung
Nach dem Niedergang der Sowjetunion und ihrer Satelliten scheint sich auch die alte Frage nach dem Verhältnis von Geist und Macht, oder konkreter, nach der Rolle der Intellektuellen in der Politik in neuem Licht darzustellen. Selbst wenn auch früher kaum jemand sehenden Auges der Ulbrichtschen Formel von der „Versöhnung zwischen Geist und Macht“2 recht Glauben schenken konnte: Die Geschichte der DDR etwa als eines „Staates der Schriftsteller“ wird heute offensichtlicher denn je als eine Geschichte der eingeebneten Widersprüche erkennbar. Offensichtlicher denn je treten auch die Rollen zutage, die die Schriftsteller selbst dabei eingenommen haben: manche als mutige Oppositionelle, etliche als redlich Engagierte, viele als freiwillige, verblendete, mitunter auch freiwillig blinde Eideshelfer, nicht wenige als treuherzig-korrumpierbare oder als privilegierte, opportunistischpragmatische Soldschreiber im Dienste des „Sozialistischen Realismus“ –, wenn nicht gar als „Informelle Mitarbeiter“ des Überwachungsstaates DDR, die Kollegen bespitzelten und Informationen darüber denjenigen zukommen ließen, von denen sie möglicherweise früher oder später selbst „überwacht“ werden sollten.
„Mir persönlich sind Politiker sympathischer, die eine gewisse Schwäche für Lyrik zeigen, als Berufsschriftsteller, die auf dem Felde der Politik dilettieren. Ich glaube, daß die letzteren auch gefährlicher sind.
“Mircea Dinescu, rumänischer Lyriker, maßgeblich beteiligt am Sturz des Ceaugeşcu-Regimes.1
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Notizen
Vgl. Hermann Vinke (Hg): Akteneinsicht Christa Wolf, Zerrspiegel und Dialog, Hamburg (Luchterhand Literaturverlag) 1993
sowie Christa Wolf: Auf dem Weg nach Tabou, Texte 1990–1994, Köln (Kiepenheuer&Witsch) 1994.
Miklós Haraszti (1980): Staatskünstler, Berlin (Rotbuch Verlag) 1984, S. 13.
Boris Groys: Gesamtkunstwerk Stalin. München (Hanser) 1988.
Joachim Walther und Gesine von Prittwitz: Mielke und die Musen. Die Organisation der Überwachung. In: Feinderklärung. Literatur und Staatsicherheit, München 1993 (=text und kritik, hrsg. von Heinz Ludwig Arnold, Heft 120), S. 74.
Mittlerweile geht man davon aus, daß der Stalinsche Archipel GULag in der SU doppelt soviele Menschenleben gefordert hat wie der zweite Weltkrieg: Die Opfer des zweiten Weltkrieges auf sowjetischer Seite werden inzwischen (den Angaben der unter Gorbatschow etablierten Historikerkommissinen zufolge) mit 28 Millionen beziffert. [Vgl. Robert Conquest: Der große Terror. Sowjetunion 1934–1938. Dt. von Andreas Model. München (Langen Müller) 1992.]
Der Moskauer Schriftsteller Witali Schentalinski hat im Laufe seiner fünfjährigen Nachforschungen über das Schicksal russischer Künstler über vierhundert Bände noch nie gesichteter Polizeiakten in den Archiven des KGB entdeckt. [Vgl. Vitali Chentalinski: La parole ressuscitée. Dans Les archives littéraires du KGB. Traduit du russe par Galia Ackermann et Pierre Lorrain. Paris (Editions Robert Laffont) 1993.]
Vgl. Theo Pirker (Hg.) (1963): Die Moskauer Schauprozesse 1936–38. München (dtv).
Isaac Deutscher [1964]: Einleitung zu Leo Trotzki: Denkzettel, Politische Erfahrungen im Zeitalter der permanenten Revolution, hrsg. von Isaac Deutscher, George Novack und Helmut Dahmer, Frankfurt (Suhrkamp) 1981, S. 14.
Vgl. Norbert Fügen (Hg.) (1968): Wege der Literatursoziologie, Neuwied und Berlin (Luchterhand), S. 81–120.
Leo Trotzki [1923]: Die Kunst der Revolution und die sozialistische Kunst (= Kap. VIII von Trotzkis Buch Literatur und Revolution), in: Fritz J. Raddatz (Hg.) (1969): Marxismus und Literatur, Eine Dokumentation in drei Bänden, Reinbek bei Hamburg (Rowohlt), Bd. I, S. 354–373.
Vgl. Georg Lukács [1932]: Tendenz oder Parteilichkeit, in: Fritz J. Raddatz (Hg.): Marxismus und Literatur (1969), a.a.O, Bd. II, S. 139–149 und ders: [1932]: Aus der Not eine Tugend, ebda. S. 166–177 sowie Entwurf zu einem Programm des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller, ebda., S. 235–246.
Fritz J. Raddatz: Marxismus und Literatur, a.a.O. (1969), Bd. I, S. 27.
Leo Trotzki: Literatur und Revolution. Dt. von Eugen Schaefer und Hans von Riesen, Berlin (Gerhardt Verlag) 1968. Taschenbuchausgabe München (dtv) 1972. Neuauflage Essen (Arbeiterpresse Verlag) 1995.
L. D. Trotzki: Literaturtheorie und Literaturkritik. Dt. von Thomas Kunke und Ulrich Mölk, München (Fink) 1973.
Hans Mayer: Genosse Shylockb. In: Ders. (1975): Außenseiter. Frankfurt (Suhrkamp) 1977, S. 432 und S. 425.
Vgl. Isaac Deutscher [1967]: Die unvollendete Revolution. Frankfurt (Fischer) 1970, Neuaufl. Hamburg (Junius) 1981, Ernest Mandel: Trotzki als Alternative. Berlin (Dietz) 1992 sowie Wladislaw Hedeler: Stalin-Trotzki-Bucharin: Studien zum Stalinismus und Alternativen im historischen Prozeß. Mainz (Decaton Verlag) 1994.
Vgl. Willy Huhn [1957]: Trotzki, der gescheiterte Stalin. In: Paul Mattick (Hg): Bolschewismus und Stalinismus, Berlin (Karin Kramer Verlag) 1973 oder Dmitri Wolkogonow: Trotzki, Das Janusgesicht der Revolution, Düssel-doif/Wien/New York/Moskau (Econ Verlag) 1992.
Vgl. Peter Gorsen und Eberhard Knödler-Bunte: Proletkult, Dokumentation, 2 Bde., Stuttgart — Bad Canstatt (Frommann-Holzboog) 1974
sowie Hans Günther: Die Verstaatlichung der Literatur, Entstehung und Funktionsweise des sozalistisch-realistischen Kanons in der sowjetischen Literatur der 30er Jahre, Stuttgart (Metzler) 1984.
Vgl. z. B. die Gedichte in: Richard Lorenz (Hg.): Proletarische Kulturrevolution in Sowjetrußland 1917–21, Dokumente des ‚Proletkult‘, München (dtv) 1969, S. 82 ff.
„Die meisten Publikationen […] verzichten auf den Abdruck dieser späten, und oft meisterhaften Analysen: wodurch jene Schrift über Schriftsteller und Revolution zum merkwürdigen historischen Dokument degradiert wird. Dann sieht es so aus, als habe ein schriftstellerisch begabter Revolutionär auch einmal, wenngleich als Kulturpolitiker, zu Grundfragen einer marxistischen Literaturtheorie sich geäußert, um nicht wieder auf solche Fragen zurückzukommen.“ [Hans Mayer: Genosse Shylock, a.a.O. (1977), S. 444.]
Marianne Kesting: Die Tragödie der revolutionären Intelligenz. Die literarischen Schriften Leo Trotzkis, in: dies.: Auf der Suche nach der Realität, Kritische Schriften zur modernen Literatur, München (R. Piper & Co.) 1972, S. 253.
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Ranc, J. (1997). Einleitung. In: Trotzki und die Literaten. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04273-6_1
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