Zusammenfassung
An zwei Beispielen sollen nun einige der Probleme illustriert werden, die sich bei einer Übersetzung poetischer Metaphern stellen. Ich habe dafür mit Friedrich Hölderlin und Rainer Maria Rilke zwei Autoren ausgewählt, die nicht nur besonders häufig übersetzt wurden, sondern selber auch bedeutende Übersetzer waren. In beiden Fällen handelt es sich außerdem um Lyrik, die ihre eigenen poetologischen Voraussetzungen bereits sprach- und sinnkritisch reflektiert. Die Autoren setzen die Möglichkeiten poetischer Metaphorik darum sehr bewußt ein: Die Vielfalt an Bedeutungen, die sich aus dem schwebenden Verhältnis zwischen dem metaphorischen Ursprung eines Wortes und seiner abstrahierenden, terminologischen Verwendung ergibt, wird in beiden Beispielen auf unterschiedliche Weise genutzt.
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Notizen
vgl. Rolf Zuberbühler, Hölderlins Erneuerung der Sprache aus ihren etymologischen Ursprüngen, Berlin 1969, S. 26ff. Zuberbühler nennt religiöse (Luther, der Pietismus, Klopstock), philosophische (Herder, Fichte, Schelling, der junge Hegel) und sprachwissenschaftliche (Adelung) Vorläufer und Zeitgenossen der etymologischen Sprachbetrachtung Hölderlins.
vgl. Hölderlin, StA. Bd. IV. 1, S. 233–234: In einem Aufsatz über Hölderlins Lektüre der Longinus-Schrift betont Martin Vöhler, daß Hölderlin im Gegensatz zur Longin-Rezeption seiner Zeit besonders starkes Gewicht auf die Momente von Nüchternheit und Besonnenheit legt, um daraus „das produktionsästhetische Postulat der Wechselwirkung von Nüchternheit” und ‘Begeisterung’ abzuleiten”; M. Vöhler, Hölderlins Longin-Rezeption, in: Hölderlin Jahrbuch 32 (1993), S. 152–172, hier S. 166.
Friedrich Hölderlin. Poesie, tradotte da Giorgio Vigolo con un saggio introduttivo, Turin 1958 (dt. und it.) S. 449.
Friedrich Hölderlin, Le liriche, Introduzione e versioni di Leone Boccalatte con prefazione di Diego Valeri, Mailand 1968, S. 101.
In seiner Analyse einiger Übersetzungen von „Hälfte des Lebens” ins Italienische und Französische zeigt auch Giorgio Orelli sich „ziemlich überzeugt” von der „Adjektiv-Substantiv-Verbindung” in Vigolos Übersetzung des Verses 7. Mehrmals betont Orelli die „begriffliche Verdichtung” des „leider widerständigen Gemenges heilignüchtern”. Da der Vers 7 „dem Übersetzer den größten begrifflichen Widerstand bietet, bedeutet die Tatsache, daß hier für die Lösung Vigolos optiert wird, keine Sicherheit”; vgl. Orelli , Su alcune versioni d’una poesia di Friedrich Hölderlin, in: Studi Urbinati di Storia, Filosofia e Letteratura, Nuova Serie, N° 1 (1971) S. 744 (Übersetzungen von mir, A.K.).
„Die gelungene Übersetzung nimmt auch Unverstandenes in die Zielsprache mit”, Felix Philipp Ingold, Üb er’s: Übersetzen (Der Übersetzer; die Übersetzung), in: Martin Meyer (Hg.), Vom Übersetzen, München 1990, S. 148.
„Das Verstummen der Philosophie vor der Kunst hängt offenbar zusammen mit dem längst geschwundenen Vertrauen in die Kraft des systematischen Gedankens, der sich neben anderen Sachgebieten auch auf die Kunst richtet, um sie in die Disziplin des Begriffs zu nehmen. Über den allgemeinen Zweifel an einer systematischen Leistungsfähigkeit der Philosophie hinaus trägt aber für den Niedergang der philosophischen Ästhetik ein historischer Umstand die Verantwortung, der ziemlich genau mit dem Ende der klassischen Konzeption zusammenfällt. Von der Mitte des vorigen Jahrhunderts an datiert nämlich die autonome Entwicklung der Künste, die man seither als die Moderne zu bezeichnen pflegt…”; Rüdiger Bubner, Über einige Bedingungen gegenwärtiger Ästhetik, in: ders., Ästhetische Erfahrung, Frankfurt/M. 1989, S. 9.
vgl. Paul Valery, Zur Theorie der Dichtkunst. Aufsätze und Vorträge, Frankfurt/M. 1975, S. 16.
Rainer Maria Rilke, Werke, hg. v. Rilke-Archiv , Frankfurt/M. 1966; die Duineser Elegien (Band 3) werden im folgenden mit ihrer Nummer (röm.) und Verszahl im Text zitiert.
Rilke, Brief an Hulewicz, in: Fülleborn/Engel (1980) S. 322.
Vincenzo Errante, Rilke. Liriche e prosa, Florenz 1929, S. 359.
Als Obersetzer schien Errante kompensieren zu wollen, was er in seiner Interpretation der Elegien bemängelt: Rilke verfahre mit „Anspielungen und Eindrücken, mit einem Spiel umherirrender, flüchtiger Bilder, die nicht durch logische Bezüge, sondern durch einen Wechsel von Tönen und musikalischen Variationen verbunden sind”. Daraus gehe „eine verworrene und vergeistigte Dichtung hervor, die nicht unmittelbar ergreift, allenfalls unser Gehör mit ihren vielschichtigen Melodien anspricht”, V. Errante, Rilke. Storia di un’anima e di una poesia, in: Opere di R.M.Rilke, a cura di V.Errante, Mailand 1930, Bd. 6, S. 369 (Übersetzung von mir.A.K.).
Leone Traverso, R. M. Rilke, Elegie Duinesi, Florenz 1959, S. 93.
Vgl. L. Traverso, Introduzione, in: Traverso (1959) S. 19
Italo Maione, R.M. Rilke, Neapel 1958, S. 95.
Romano Guardini, Rainer Maria Rilkes Deutung des Daseins. Eine Interpretation der Duineser Elegien, München 1961; (it. Übersetzung von Guido Sommavilla, Brescia 1974) S. 28.
Enrico e Igea De Porto, R. M. Rilke, Elegie Duinesi, Torino 1978, S. 3.
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Kopetzki, A. (1996). Praxis der Übersetzung: Beispiele. In: Beim Wort nehmen. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04252-1_3
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