Spaziergänge mit Lol

Zusammenfassung

Da liegt L’Amour von Duras auf dem Tisch. Es ist rot mit einer weißen Schrift, daneben das blaue Buch Die Verzückung der Lol V. Stein, der grüne Einband der Orte der Marguerite Duras schaut darunter hervor. Duras, Lol, S.Tahla … ich schreibe keinen Text über Lol … seit Monaten gärt dieser ungeschriebene, unschreibbare Text über Lol in mir. Ich hole kein weißes Blatt aus dem Schrank, diese sauberen weißen Blätter, auf denen man den Stift so ansetzt, als müsse nun eine feierliche Prozession von Buchstaben darauf entlangziehen, eine repräsentative Prozession, ein Text über Lol, eine falsche Übersetzung — ein Begräbniszug …? Lol ist das, was sie daraus machen, anders existiert das nicht, hat Duras gesagt. Ich weigere mich, etwas aus Lol zu machen, wider jedes Wollen anderer Art. Ich wollte einen Text über Lol schreiben und habe versagt, bin gescheitert. Trotz dieses euphorischen Ausrufs “Ich weiß! Ich weiß!”, den ich nach der Lektüre ausstieß, auf einem Roggenfeld liegend, als ein toter Hund am Strand. Ich verschwende heute Lol, ich bin großzügig. Ich weiß nicht! Ich weiß nicht! Eine ganz merkwürdige “Wahrheit”, die sich mit Lol zurückzieht? Ich will nichts wissen. Was habe ich in den letzten Monaten darum gerungen, nichts zu wissen, die falschen Fragen aufzugeben, immer weniger zu wissen. Mit der Zeit schien es mir zu gelingen. Ich legte den Stift hin, das Blatt Papier blieb weiß, ich ging spazieren mit dem Willen, nichts aus Lol machen, nichts über sie aussagen zu können.

Aber Darstellung verlangt Radikalisierung und kommt aus Nötigung.

(I. Bachmann)