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Zwischen Logik und Geometrie: Zur Vor- und Begriffsgeschichte von ‘Methode’ in der Renaissance

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„Novitas mundi“
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Zusammenfassung

Trotz der Uneinheitlichkeit hinsichtlich der als konstitutiv erachteten Aspekte des Begriffs ‘Methode’513 und der offensichtlichen Kontinuitätsbrüche bei seiner Verwendung muß eines auffallen: daß nämlich die Methodendiskussion immer dann an Bedeutung gewinnt, wenn die szientifische Stellung der Leitwissenschaft einer Epoche, die die Methode für sich reklamiert, verändert wird, sei es nun bei ihrer Inaugurierung oder auch bei ihrer letztlichen Desavouierung514. Dies zeigt sich durchgängig in der Methodengeschichte, bei der geometrischen Methode platonischen Philosophierens, in der aristotelischen ‘apodeixis’, der vermeintlich scholastischen Methode der ‘doppelten Wahrheit’ und der cartesischen ‘mathesis universalis’ ebenso wie im ‘synthetischen Philosophieren’ im Anschluß an die ‘Kritik der reinen Vernunft’, in der hermeneutischen Methode der philologischen und neu entstehenden geisteswissenschaftlichen Fächer des 19. Jahrhunderts bis hin zu konstruktivistischen Ansätzen in „Logik, Ethik und Wissenschafts-theorie“ der jüngsten Zeit515. Eine Bestandsaufnahme der Methodenwirklichkeit im Sinne einer Erörterung und Konstituierung von Methoden und Methodologien kann somit als Indikator für ein bestimmtes Wissenschaftsverständnis oder eine konkrete Forschungstradition und deren Veränderung dienen.

Nichts tut dem Manne der Wissenschaft mehr not,

als etwas über ihre Geschichte zu wissen und über

die Logik der Forschung: … über den Weg, Irrtümer

zu entdecken; über die Rolle, die die Hypothesen spielen

und die Einbildungskraft; und über die Methode der Nachprüfung.

Lord (John Emerich Edward Dalberg-)Acton

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Notizen

  1. Paul Lorenzen/Oswald Schwemmer: Konstruktive Logik, Ethik und Wissenschaftstheorie, Frankfurt/M. 1973.

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  2. H. Heimpel: Der Mensch in seiner Gegenwart, Göttingen 1954, p. 45.

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  3. Neben der ersten gedruckten lateinischen Fassung der ‘Elemente’ des Euklid mit den additiones von Campanus von Novara, die trotz erheblicher Mängel und Fehler im 16. Jahrhundert weiterhin Verbreitung fand, blieb die lateinische Übersetzung des griechischen Theon-Textes von Bartolomeo Zamberti im Jahre 1505 bis zur Ausgabe Grynaeus’ die maßgebliche. 1572 folgte eine weitere Übersetzung von Federico Commandino. Cf. hierzu John E. Murdoch: Euclid: Transmission of the Elements. In: Dictionary of Scientific Biography, ed. by Charles Coulston Gillispie, New York, vol. 4, pp. 437–59. Nicht anders erging es den Schriften Aristoteles’: Zwischen Roberto Rossis Übersetzung der Analytica Posteriora im Jahre 1406 und Niccolò Leonico Tomeos Ausgabe der Parva Naturalia aus dem Zeitraum 1522 bis 1525 lassen sich allein fünfzig lateinische Übersetzungen von annähernd 25 verschiedenen Schriften des Aristoteles nachweisen, im gesamten 16. Jahrhundert finden sich über 200 Schriften übersetzt. Cf. Brian P. Copenhaver: Translation, Terminology and Style in Philosophical Discourses. In: The Cambridge History of Renaissance Philosophy, ed. by Charles B. Schmitt, Quentin Skinner, Eckhard Kessler, Jill Kraye, Cambridge University Press 1988, pp. 77–110, bes. 77ff.

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  4. „Die scholastische Methode will durch Anwendung der Vernunft, der Philosophie auf die Offenbarungswahrheiten möglichste Einsicht in den Glaubensinhalt gewinnen, um so die übernatürliche Wahrheit dem denkenden Menschengeiste inhaltlich näher zu bringen, eine systematische, organisch zusammenfassende Gesamtdarstellung der Heilswahrheit zu ermöglichen und die gegen den Offenbarungsinhalt vom Vernunftstandpunkte aus erhobenen Einwände lösen zu können.“, cf. Martin Grabmann: Die Geschichte der scholastischen Methode, 2 Bde., Freiburg i. Br. 1909, Bd. 1, p. 36f.

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  5. R. Kauppi: Art. ‘Mathesis universalis’. In: HWPh, Bd. 5, Basel/Stuttgart 1980, sp. 937.

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  6. Cf. u.a. Andreas Alexander: Mathemalogium, Lipsiae 1504; R. Gemma: Arithmeticae practicae methodus facilis, Antwerpen 1540; Petrus Catena: Universa loca in logicam Aristotelis in mathematicas disciplinas, Venetiis 1556; Franciscus Baroccius: Opusculum, in quo una Oratio, et duae Quaestiones: altera de certitudine, et altera de medietate Mathematicarum continentur, Patavii 1560; Petrus Ramus: Scholarum mathematicarum libri XXXI, Basileae 1569; Thomas Finckius et Hector Malthan: Theses de constitutione philosophiae mathematicae, Hafniae 1591; Johann Heinrich Alsted: Methodus admirandorum mathematicorum, novem libris exhibens universam mathesin, Herbornae 1613; Joachim Curtius: Commentatio de certitudine matheseos et astronomiae, Hamburgi 1616; cf. hierzu H.M. Nobis: Die Umwandlung der mittelalterlichen Naturvorstellung. Ihre Ursachen und ihre wissenschaftsgeschichtlichen Folgen. In: Archiv für Begriffsgeschichte 13/1969, pp. 34–57; Geldsetzer op. cit.;

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  7. Hermann Schüling: Die Geschichte der axiomatischen Methode im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert, Hildesheim/New York 1969 und

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  8. Paul Lawrence Rose: The Italian Renaissance of Mathematics. Studies on Humanists and Mathematicians from Petrarch to Galileo, Genève 1975.

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  9. Cf. Richard S. Westfall: The Conctruction of Modern Science: Mechanisms and Mechanics, New York/London/Sydney/Toronto 1971, p. 1.

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  10. Jean-Marie Beyssade: Descartes. In: Geschichte der Philosophie, Ideen, Lehren, hg. von Francois Châtelet, Bd. 3: Die Philosophie der Neuzeit (16. und 17. Jh.), p. 97. Der Vorbildcharakter der Mathematik für die Philosophie, von Descartes bereits heftig proklamiert, wird seit den 60er Jahren zunehmend in Frage gestellt, cf. Wilhelm Risse: Zur Vorgeschichte der Cartesischen Methodenlehre. In: Archiv für Geschichte der Philosophie 45/1963, pp. 269–291;

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  13. Oswald Schwemmer: Die Philosophie und die Wissenschaften. Zur Kritik einer Abgrenzung, Frankfurt/M. 1990, p. 37.

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  14. So etwa bei Hesiod, Heraklit, Hippokrates und den Eleaten u.a. auch bei Parmenides, cf. Neal W. Gilbert, op. cit., bes. pp. 3 ff. und 39 ff.; Joachim Ritter: Art. ‘Methode’. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 5, Basel/Stuttgart 1980, sp. 1304f.;

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  15. Hermann Schilling: Die Geschichte der axiomatischen Methode im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert, Hildesheim/New York 1969;

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  16. Ottfrid Becker: Das Bild des Weges und verwandte Vorstellungen im frühgriechischen Denken. In: Hermes, Einzelschriften 4/1937, bes. pp. 2 ff.

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  17. Allgemeine Darstellungen finden sich u.a. in Richard McKeon: Aristotle’s Conception of Scientific Method. In: Roots of Scientific Thought. A Cultural Perspective, ed. by Philip P. Wiener and Aaron Noland, New York 1957, pp. 73–89;

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  18. John Herman Randall Jr.: The Development of Scientific Method in the School of Padua. In: Journal of the History of Ideas 1/1940, pp. 177–206, bes. pp. 180 ff.

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  19. und William A. Wallace: Aristotle and Galileo: The Uses of YПOΘEΣIΣ (suppositio) in Scientific Reasoning. In: Studies in Aristotle, ed. by Dominic J. O’Meara, Washington, D.C. 1981 (= Studies in Philosophy and the History of Philosophy, 9), pp. 47–77.

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  20. Cf. Johannes von Salibury: Metalogicon 1, 11, hg. von C. Webb, Oxford 1929, p. 28; cf. hierzu M. Lemoine: Art. ‘Methode’ III. Mittelalter 1. In: HWPh, sp. 1307 f.

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  21. Cf. G. Schrimpf: Art. ‘Disciplina’. In: HWPh, Bd. 2, Basel/Stuttgart 1972, sp. 256 ff.

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  22. Albertus Magnus: De anima, 1, 1, 3. In: Opera omnia, hg. von B. Geyer, Bd. 7/1, Bonn 1968, p. 50 et passim und auch Robert Grosseteste in der Ausgabe der Nikomachischen Ethik, cf. Lemoine, loc. cit.

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  23. Cf. Ludger Oeing-Hanhoff: Wesen und Formen der Abstraktion nach Thomas von Aquin. In: Philosophisches Jahrbuch 71/1963, pp. 14 ff. und idem: Art. ‘Analyse/ Synthese’. In: HWPh, Bd. 1, Basel/Stuttgart 1971, sp. 232 ff.

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  24. Die Schrift findet sich in Patrologiae Cursus compl. Ser. Lat. (PL) 210, p. 595–618, Korrekturen hierzu bei Cl. Baeumker: Handschriftliches zu den Werken des Alanus. In: Philosophisches Jahrbuch 6/1893, pp. 163–175 und 417–429; cf. hierzu Schilling, op. cit., p. 118.

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  25. Cf. Otto Bardenhewer: Die pseudo-aristotelische Schrift über das reine Gute, bekannt unter dem Namen Liber de causis, Freiburg i. Br. 1882 und Schilling, op. cit., pp. 14, 24 und 116.

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  26. Diese findet sich vor allem in dem Traktat ‘De hebdomadibus’, der wohl um das Jahr 520 entstanden ist, cf. hierzu Gangolf Schrimpf: Die Axiomenschrift des Boethius (De hebdomadibus) als philosophisches Lehrbuch des Mittelalters, Leiden 1966. und Nicholas M. Haring (Ed.): The Commentary of Gilbert of Poitiers on Boethius’ ‘De hebdomadibus’. In: Traditio 9/1953, pp. 182–211, zit. nach Schilling, op. cit., p. 116.

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  27. A. Lang: Die theologische Prinzipienlehre der mittelalterlichen Scholastik, Freiburg 1964, p. 110.

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Maas, J.F. (1995). Zwischen Logik und Geometrie: Zur Vor- und Begriffsgeschichte von ‘Methode’ in der Renaissance. In: „Novitas mundi“. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04228-6_11

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-04228-6_11

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