Zusammenfassung
Im folgenden soll die zentrale Position Italiens in der Wiederbelebung des Mittelmeerraumes als Thema der Reiseliteratur aus den sozialhistorischen Rahmenbedingungen heraus begründet werden. Italien bot sich als Urlaubsland während des Nationalsozialismus an, weil es als klassisches Reiseziel traditionelle Kategorien der Reise, den Hunger nach Kultur und Erholung unter südlicher Sonne, befriedigt und so in idealer Form den Leitbildern von ursprünglicher Natur, Kultur und Geschichte entspricht. Der zeitgenössische Faschismus hat dieses Bedürfnis nach Erholung und Sinngebung in seine Propaganda eingebaut. Die zentrale Lenkung des Tourismus durch den italienischen Faschismus entsprang zum einen der Tatsache, daß der Reisesektor innerhalb der Gesamtwirtschaft einen ernstzunehmenden Faktor ausgemacht hat, zum anderen der Überlegung, den Faschismus als Ausweg aus der von den Zeitgenossen empfundenen Kulturkrise anzupreisen. Das südliche Land erschien dank der staatlichen italienischen Tourismusförderung in den dreißiger Jahren als eines der beliebtesten Urlaubsziele für deutsche Reisende, aber auch als Alternative zum deutschen Nationalsozialismus. Die Reiseliteratur über Italien während des Nationalsozialismus trägt — so wird sich zeigen — Spuren der weltanschaulichem Auseinandersetzungen der dreißiger Jahre.
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Notizen
Vgl.: Lucia Tresoldi: Viaggiatori tedeschi in Italia. 1452–1870. Saggio bibliografico. 2 Bde. Rom 1975. — Es gibt umfangreiche Anthologien zu Reisen nach einzelnen Orten (Venedig, Rom, Florenz) und Landschaften (Toskana und Sizilien). Vgl. dazu: Gunter E. Grimm: Einführung. Italien — Sehnsuchtsland der Deutschen. In: »Ein Gefühl von freierem Leben«, a. a. 0., S. 1–16, S. 303–305. Hier bes. Anmerkung 4, 6, 8, 13, 14.
Neuere Überblicksdarstellungen: Gunter E. Grimm, Ursula Breymayer, Walter Erhart (Hg.): »Ein Gefühl von freierem Leben«, a. a. O. — Italo Michele Battafarano: Genese und Metamorphose des Italienbildes in der deutschen Literatur der Neuzeit. In: Italienreise. Reise nach Italien. Hg. v. Italo Michele Battafarano. Gardolo di Trento 1988, S. 13–101. Ältere Standardwerke:
Wilhelm Waetzoldt: Das klassische Land. Wandlungen der Italiensehnsucht. Leipzig 1927. — Wilhelm Emrich: Das Bild Italiens in der deutschen Dichtung (1959). Hier zitiert nach: Ders.: Geist und Widergeist. Wahrheit und Lüge in der Literatur. Frankfurt a. M. 1965, S. 257–286. Italienische Forschungen: Cesare de Seta (Hg.): II paessagio. Torino 1982 (Storia d’Italia, Annali 5). —
F. Venturi: L’Italia fuori d’Italia. In: Dal primo Settecento all’Unita. Torino 1973 (Storia d’Italia, Bd. 3), S. 985–1481.
Joachim Bannes: Durch das Tor des Südens. Oberitalienische Wandertage. Berlin 1938.
Marianne Langewiesche: Königin der Meere. Roman einer Stadt. Berlin 1940.
Kurt Lothar Tank: Venedig. Ein Raumerlebnis. Dießen 1935.
Joachim Maass: Auf den Vogelstraßen Europas. Hamburg 1935. Eine ungewöhnliche Fortbewegung hat Hans Schwarz gewählt, der sich nach seinem »Ritt durch Frankreich« [1934] und vor seinem »Ritt nach Stambul und Athen« [Ders.: Vier Pferde, ein Hund und drei Soldaten. Ritt nach Stambul und Athen. 1936] in seinem »Ritt nach Rom« [Zürich 1935] zu Pferd auf seine Reise durch Italien begeben hat.
Henry Benrath [d. i.: Albert H. Rausch]: Welt in Bläue. Tessin, Gefilde, Apulien. Stuttgart, Berlin 1938.
Walter Bauer: Wanderer im Süden. Recklinghausen O. J. [1940].
H.[erman] v. Wedderkop: Sizilien. Schicksal einer Insel. Zürich 1940.
Bettina Seipp: Neapel und Sizilien. Als Land der Griechen erlebt. Leipzig 1938.
Fritz Schillmann: Sizilien. Geschichte und Kultur einer Insel. Wien 1935.
Johannes Reinwald: Italien. Berlin 1935.
Kurt Hielscher: Unbekanntes Italien. Leipzig 1939.
Erich Mühsam: Mignon 1925. In: Italiendichtung. Bd. II. Hg. v. Gunter E. Grimm. Stuttgart 1988, S. 278.
Alfred Kurella: Mussolini ohne Maske. Der erste rote Reporter bereist Italien. Berlin 1931.
Luise Diehl: Mussolini. Kampf, Sieg und Sendung des Faschismus. Nach Dokumenten und Gesprächen. Mit einem Geleitwort Hermann Görings. Leipzig 1937. — Vgl. auch: Dies.: Mussolinis neues Geschlecht. Die junge Generation in Italien. Unter Mitarbeit von Benito Mussolini. Dresden 1934. — Dies.: Frau im fascistischen Italien. Berlin 1934.2. Aufl u. d. T.: Das faszistische Italien und die Aufgabe der Frau im neuen Staat. Ebd.
Heinz Holldack: Söhne der Wölfin. Wandlung Italiens. Stuttgart 1937.
Gert Buchheit: Mussolini und das neue Italien. 5. Aufl. Berlin 1943.
Anton Meyer: Imperium — Faschismus — unsterbliches Rom. Halle 1937. Vgl. dazu auch: Anton Zischka: Italien in der Welt. Kräfte und Schwächen des neuen Römischen Imperiums. Leipzig 1937. — Vgl. auch: Ders.: Italien in der Welt. Leipzig 1941.
Theodor Bohner: Mit den Augen des Italieners. Vom alten zum neuen Italien. Leipzig 1940.
Margo S Charten-Antink: Littoria. Roman von der erlösenden Arbeit. Zürich und Leipzig 1936.
Helmut Vollweiler: Der Staats- und Wirtschaftsaufbau im fascistischen Italien. Würzburg-Aumühle 1938.
Vgl. etwa: Karl Köster: Unter der Sonne Italiens. Bericht einer frohen Fahrt durch sonniges Land. Mit Bildern von Willy Planck. Stuttgart 1938.
Nikolas Behckiser: Das Dritte Rom. Vom Kirchenstaat zum Kaiserreich. Mit Bildern und Karten. Frankfurt a. M. 1938.
Berat v. Heiseler: Briefe aus Rom. Gütersloh 1939.
Hajo Joppe: Römisches Tagebuch. Bonn 1934.
Fritz Alexander Kauffmann: Roms ewiges Antlitz. Berlin 1940.
H.[ans] v. Wedderkop: Rom. Neue ergänzte Ausgabe. München 1938 [Was nicht im Baedeker steht, Bd. XII].
Paul Schultze-Naumburg: Heroisches Italien. 38 Landschaftsdarstellungen. München 1938.
Kasimir Edschmid [d. i.: Eduard Schmid]: Das Südreich. Roman der Germanenzüge. Wien 1933.
Otto Gmelin: Italienfahrten. Erlebtes, Gesehenes, Gedachtes. Jena 1940.
Horst Rüdiger: Italien-Bücher. In: Europäische Revue 19 (1943), S. 274–278.
Luise Rinser (-Schnell): Begegnung in Italien. In: Atlantis 11 (1940), S. 418–422.
Geno Hartlaub: Die Entführung. Eine Geschichte aus Neapel. Wien 1941.
Martin Raschke: Simona oder die Sinne. Roman. Leipzig 1943.
Heinrich Schinnbeck: Porträt einer brabantischen Kleinstadt. In: Die Neue Rundschau 52 (1941), S. 675–677.
Emil Barth: Santo Stefano. In: Die Neue Rundschau 51 (1940), S. 425–430. — Vgl. auch seinen Roman »Das Lorbeerufer« [Roman. Hamburg 1943].
Bekenntnis unwandelbarer Freundschaft: Das feierliche Staatsbankett bei Benito Mussolini. In: Völkischer Beobachter. Norddeutsche Ausgabe 129 (9. Mai 1938).
Rom empfängt den Führer: Italien grüßt Adolf Hitler. In: Völkischer Beobachter. Norddeutsche Ausgabe 124 (4. Mai 1938).
Zur NS-Außenpolitik: Marie Luise Recker: Die Außenpolitik des Dritten Reiches. München 1990 (Enzyklopädie Deutsche Geschichte, Bd. 8). —
Hans Adolf Jacobsen: Nationalsozialistische Außenpolitik 1933–1938. Frankfurt a. M. 1968.
Klaus Hildebrand: Deutsche Außenpolitik 1933–1945. Kalkül oder Dogma? 4. Aufl. Stuttgart, Berlin 1980.
Gerhard L. Weinberg: The Foreign Policy of Hitler’s Germany. 2 Bde. London, Chicago 1970 u. 1980.
Vgl. dazu: Anonym: Die italienische Reise: In: Frankfurter Zeitung 232/33 (8. Mai 1938). — Karl Vossler: Italiens europäische Sendung. In: Frankfurter Zeitung 222 (3. Mai 1938). — Anonym: Der Abschluß der geschichtlichen Italienreise. In: Völkischer Beobachter. Norddeutsche Ausgabe 131 (11. Mai 1938).
Auf die gezielte Beschickung namhafter Zeitungen mit den nicht im Buchhandel erhältlichen Druckerzeugnissen verweist eine Rezension in der Kölnischen Zeitung. Vgl. K. H. Ruppel: Photographiertes Italien. In: Kölnische Zeitung 550 (30. Okt. 1938).
Reise nach Italien. Hg. v. Ente Nazionale per le Industrie Turistiche. Auf Anlass [!] des Besuches Adolf Hitlers in Italien. Rom 1938.
Benito Mussolini: Conferenza stampa, 10. Oktober 1928. Zitiert nach: Umberto Silva: Kunst und Ideologie des Faschismus [d. i.: Ideologia e Arte del Fascismo, dt. v. Arno Widmann]. Frankfurt a. M. 1975, S. 185.
Susanne v. Falkenhausen: Der zweite Futurismus und die Kunstpolitik in Italien 1922 bis 1943. Frankfurt a. M. 1979, S. 3.
George L. Mosse: Faschismus und Avantgarde, a. a. O., S. 140. Vgl. auch Piero Aragno: Futurismus und Faschismus. a. a. O., S. 86f. — Lone Klem: What was literature to fascism and fascism to literature in Italy? A survey. In: Fascism and European Literature. Faschismus und europäische Literatur. Hg. v. Stein Ugelvik Larsen u. Beatrice Sandberg. Bern u. a. 1991, S. 129–169, hier S. 168.
Elisabeth Bolla: Die italienische Literatur, a. a. O. — Heinz Willi Wittschier: Die italienische Literatur. Einführung und Studienführer — Von den Anfängen bis zur Gegen¬wart. 2. unveränderte Aufl. Tübingen 1979, S. 164f.
Michael Scheffel: Massimo Bontempelli und die Zeitschrift ›900‹. In: Ders.: Magischer Realismus. Die Geschichte eines Begriffs und ein Versuch seiner Bestimmung. Tübingen 1990, S. 13–16.
Emilio Castellani: Was und wie wir lasen… In: Lavinia Jollos-Mazzucchetti (Hg.): Die andere Achse. Italienische Resistenza und geistiges Deutschland. Mit einem Nachwort von A. Andersch. Hamburg 1964, S. 25–39.
Eine ausführliche Auflistung der deutschen Übersetzungen findet sich bei: Klaus Voigt: Zuflucht auf Widerruf. Exil in Italien Bd. 1: 1933–1939. Stuttgart 1989, S. 93 f.
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Graf, J. (1995). Italienreise während des Nationalsozialismus. In: „Die notwendige Reise“. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04225-5_4
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