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Die klassische Geschichtsphilosophie und ihre Problematisierung

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Zusammenfassung

Der Begriff “Geschichtsphilosophie” ist kein eindeutiger Begriff. Er wird in unterschiedlichen begrifflichen Kontexten bzw. diskursiven Formationen gebraucht, um Unterschiedliches zu bezeichnen. Dabei ist das Denotierte nicht immer das Wichtigste. Das, was der Begriff in dem jeweiligen Kontext mitbezeichnet, konnotiert, ist des öfteren das Relevantere. Mal bezeichnet “Geschichtsphilosophie” etwas Positives, an das man anzuknüpfen habe, oder das man ergänzen, erweitern und eventuell korrigieren bzw. punktuell kritisieren solle. Mal bezeichnet “Geschichtsphilosophie” den Inbegriff aller Verformungen, Entstellungen und Katastrophen der Neuzeit, die Wurzel aller Übel. Die Funktionen, die dieser Begriff erfüllen kann, variieren also sehr. Eine inventarisierende Aufzählung seiner faktischen Verwendungen böte das Bild einer disparaten, fast unüberschaubaren heterogenen Szenerie, die eher verwir rend als klärend sich auswirken würde, denn die diversen Argumentationstexte, in denen der Begriff gebraucht und eingesetzt wurde, sind gänzlich unterschiedlich.

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Notizen

  1. Vgl. u. a. H. M. Baumgartner, Philosophie der Geschichte nach dem Ende der Geschichtsphilosophie. Bemerkungen zum gegenwärtigen Stand des geschichtsphilosophischen Denkens, in: Allgemeine Zeitschrift für Philosophie, Jahrgang 12, 1987, Heft 3, 5.

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  2. Vgl. W. Kamlah, Christentum und Geschichtlichkeit. Untersuchungen zur Entstehung des Christentums und zu Augustinus “Bürgerschaft Gottes”, Stuttgart2 1951.

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  5. Vgl. die in dem Artikel “Geschichtsphilosophie” von U. Dierse und G. Scholtz behandelten Autoren. Vgl. außerdem I. Fetscher “Geschichtsphilosophie”: in A. DiemerI. Frenzel (Hrsg.), Philosophie, Frankfurt2 1967, 76 – 95; H. Schnädelbach, Philosophie in Deutschland 1831 – 1933, Frankfurt 1983 und W. Oelmüller u. a. (Hrsg.), Diskurs: Geschichte, Paderborn 1980.

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  15. So redet z. B. Fichte in seinen Vorlesungen über “Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters” von einem “Weltplan” der Geschichte, der darin besteht, “daß die Gattung in diesem Leben mit Freiheit sich zum reinen Abdruck der Vernunft ausbilde.” (Fichtes Werke, hrsg. v. I. H. Fichte, Bd. VII, Berlin 1971, 17 s. auch S. 133 und S. 238). In seiner Konstruktion der Weltgeschichte unterscheidet Fichte dann eine Reihe von Epochen, die er meint, a priori ableiten zu können (vgl. Fichtes Werke, Bd. VII, 6). Zum Geschichtsbegriff Fichtes s. R. Lauth, Der Begriff der Geschichte nach Fichte, in: Phil.Jahrbuch, 72, 1964 – 1965, 353 – 384. Für Hegel, der die Geschichte philosophisch betrachtet und die Philosophie als Wissenschaft der geschichtlichen Vermittlungen von Vernunft und Geist auffaßt, ist die Weltgeschichte eine progredierende “Darstellung des Geistes... wie er zum Wissen dessen zu kommen sich erarbeitet, was er an sich ist.” (G. W. F. Hegel, Die Vernunft in der Geschichte, 61 f.): also Fortschritt und Erfüllung eines Endzweckes, allerdings als Rückkehr des Geistes in sich selbst. “Der Begriff des Geistes ist Rückkehr des Geistes in sich selbst, sich zum Gegenstand zu machen; also ist das Fortschreiten kein Unbestimmtes ins Unendliche, sondern es ist ein Zweck da, nämlich die Rückkehr in sich selber. Also ist auch ein gewisser Kreislauf da, der Geist sucht sich selbst.” (G. W. F. Hegel, Die Vernunft in der Geschichte, 181, vgl. auch S. 256 f.). Zum Geschichtsbegriff Hegels s. E. Angehrn, Vernunft in der Geschichte? Zum Problem der Hegelschen Geschichtsphilosophie, in: Zeitschrift für phil. Forschung, Bd. 35, Heft 3/4, 1981, 341 – 364.

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  16. Vgl. die scharfsichtigen Analysen P. Bourdieus über die Chancengleichheit, die soziale und politische Partizipation und die Inklusions- und Exklusionsregeln demokratischer Gesellschaften. Stellvertretend für andere Untersuchungen s. P. Bourdieu, La Distinction. Critique sociale du jugement, Paris 1979 und P. Bourdieu, Choses dites, Paris 1987. Vgl. auch U. Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Wege in eine andere Moderne, Frankfurt 1986 und K. Wahl, Die Modernisierungsfalle. Gesellschaft, Selbstbewußtsein und Gewalt, Frankfurt 1989, 14 ff., 126 und 293 f.

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  17. K. Marx, der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, in: Marx-Engels-Werke, Bd. 8, Berlin 1969, 115. Zur Geschichtstheorie des historischen Materialismus vgl. H. J. Sandkühler, Praxis und Geschichtsbewußtsein, Frankfurt 1973, 132 – 189.

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  18. Vgl. M. Horkheimgr, Th. W. Adorno, Dialektik der Aufklärung, Frankfurt 51978; M. Horkheimer, Zur Kritik der instrumentellen Vernunft, Frankfurt 1974 und Th. W. Adorno, Negative Dialektik, Frankfurt 1975.

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  19. M. Horkheimer, Zur Kritik der instrumentellen Vernunft, 13. W. Benjamin wird in seinen von einer radikal pessimistischen Sicht der Geschichte inspirierten “geschichtsphilosophischen Thesen” so weit gehen, daß er die Geschichte der Menschheit als Katastrophengeschichte deutet. Vgl. W. Benjamin, Illuminationen, Frankfurt 1977, 251 – 261. Zu den Kosten der neuzeitlichen Subjektwerdung, die mit der Ausgrenzung und Unterdrückung dessen einherging, worüber die entstandenen Subjekte Macht gewannen, s. H. Böhme, Natur und Subjekt, Frankfurt 1988. G. Schröder ist diesem Ausschließungs- und Verdrängungsprozeß, der am Anfang der Neuzeit lanciert wird, am Beispiel der Sprachauffassung und der konkreten Textproduktion in der literarischen Praxis nachgegangen. Vgl. G. Schröder, Logos und List. Zur Entwicklung der Ästhetik in der frühen Neuzeit, Königstein 1985, 24 ff.

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  20. Zum praktischen Vernunfinteresse an Subjektkonstitution und Subjekterhaltung s. T. Gil Kulturtheorie. Ein Grundmodell praktischer Philosophie, Frankfurt 1990.

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  21. Vgl. O. Marquards Konzeption und Kritik der Geschichtsphilosophie sowie ihrer sogenannten “Schwundstufen” in: O. Marquard, Transzendentaler Idealismus, Romantische Naturphilosophie, Psychoanalyse, Köln 1987, 49, 258, 267 f. und 278 f.; O. Marquard, Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie, Frankfurt 1973, 14 – 33 und O. Marquard, Abschied vom Prinzipiellen, Stuttgart 1984, 39 – 66, 99 ff. und 101 ff.

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Gil, T. (1993). Die klassische Geschichtsphilosophie und ihre Problematisierung. In: Kritik der Geschichtsphilosophie. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04186-9_1

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-04186-9_1

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