Epoche der Beschleunigung. Jüngers Beitrag zu einer Phänomenologie der Moderne

Zusammenfassung

Wir lebten im Zeitalter des Primats der Geschwindigkeit und damit zugleich auch des Militärs, glaubt der französische Theoretiker Paul Virilio,¹ dem zufolge ”die Geschichte (…) mit der Geschwindigkeit der Waffensysteme” (Vi I, 85) voranschreitet. Die Entwicklung des neuzeitlichen Militärwesens nehme Veränderungen im zivilen Raum der bürgerlichen Gesellschaft vorweg oder bringe diese forciert zur Darstellung. Die ”Bewegung”, immer schon ”die Seele des Krieges”, beginne sich der gesamten Gesellschaft zu bemächtigen, da sie zugleich die Seele des ”technischen Fortschritts” (Vi II, 27) sei, der die Moderne unstrittig präge; für das ”Gebiet der Technik” aber habe der ”Krieg stets das beste Modell” (Vi III, 106f.) abgegeben, wie schon die Futuristen gewußt hätten. Virilio verweist in diesem Zusammenhang auch auf die distinkt moderne Erscheinung des ”Soldaten-Proletariers” (Vi I, 78), der ein ”neues Amalgam” vorstelle, das ”von Ernst Jünger teilweise in seinem Essay ’Der Arbeiter’ (…) beschrieben” (Vi I, 120) worden sei.

Was nützt das Tempo, wenn unterwegs das Gehirn ausgeronnen ist?

(Karl Kraus, 1909)

Es ist der Anblick einer gesteigerten Bewegung, die sich mit unpersönlicher Strenge vollzieht. Diese Bewegung ist drohend und uniform.

(Ernst Jünger, 1932)

Die Welt bewegt sich in Richtung Hölle, mit einer hohen Geschwindigkeit einer positiven Beschleunigung und vielleicht sogar einer ansteigenden Zuwachsrate dieser Beschleunigung.

(Robert Oppenheimer, 1972)