Zusammenfassung
Diese Worte des Abbé Fernando Galiani, die er in einen Brief an Madame d’Epinay einflocht, fassen die Dialektik der Aufklärung, die auch im Gespräch festzustellen ist. Vom witzigsten Gegner der Aufklärung im Ton der französischen Salons vorgetragen, treffen sie doch genau den Konflikt, den jeder Aufklärer in sich auszutragen hatte und benennen zugleich die Notwendigkeit der Kritik, sowie die Unerreichbarkeit einer Position jenseits der Aufklärung. So mußte dieser Philosoph des gefälligen Scheins letztlich den Verfall der alten Adelsgesellschaft als Verfall der geselligen Heiterkeit des Gesprächs interpretieren.
“Der große Mann unseres Jahrhunderts muß irgend etwas Undefinierbares sein. Er darf weder die Tugenden noch die Laster haben, von denen man in der Moralphilosophie spricht. Da wir in einem Jahrhundert angelangt sind, das in gleicher Weise die Übel und die Heilmittel unerträglich macht, so mögen Sie daraus sehen, wie schwierig es ist, dieses Problem zu lösen. Ich glaube, nachdem ich lange darüber nachgedacht habe, daß der größte Flachkopf der größte Mann unseres Zeitalters wäre, da er alle Übel bestehen liesse — was nötig ist — indem er sich immer den Anschein gäbe, als wollte er sie heilen — was ebenfalls nötig ist.”1
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Literatur
Abbé Fernando Galiani: Gedanken und Beobachtungen. In: Die Französischen Moralisten. Hg. von Fritz Schalk. Bd.2 Bremen 1963, S. 62 f.
Die angeführten Hinweise sind folgenden Studien verpflichtet. Karlheinz Stierle: Gespräch und Diskurs. In: ders.(Hg) Das Gespräch. München 1984, S. 310 f
Claudia Schmölders: Einleitung. In: Die Kunst des Gesprächs. München 21986, S. 9 f.
Christoph Strosetzki: Konversation. Frankfurt/Main 1978, S. 16. Die Geschichte der erwähnten Begriffe würde fraglos eine eigene Untersuchung verdienen.
D’Alembert/Diderot: Encyclopédie. Bd.4 Paris 1754. ND Stuttgart 1966, S. 165.
Emile Deschanel: Histoire de la conversation. Leipzig 1857, S. 192 ff.
Dieter A. Berger: Die Konversationskunst in England 1660–1740. München 1978, S. 10 f.
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Carl Wilhelm Frölich: Über den Menschen und seine Verhältnisse. Hg. von Gerhard Steiner. Berlin 1960, S. 100.
Gerhard Sauder: Verhältnismäßige Aufklärung. Zur bürgerlichen Ideologie am Ende des 18. Jahrhunderts. In: Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft 9/1974, S. 102–126.
Carl Haase: Ernst Brandes 1758–1810. 2 Bde. Hildesheim 1973/1974, Bd.2, S. 389 ff.
Christian Garve: Ueber die Maxime Rochefoucaults, das bürgerliche Air verliehrt sich zuweilen bey der Armee, niemahls am Hofe. In: ders.: Popularphilosophische Schriften. Hg. von Kurt Wölfel. Stuttgart 1974, Bd.1, S. 605 f.
Bernhard Groethuysen: Die Entstehung der bürgerlichen Welt- und Lebensanschauung in Frankreich. 2 Bde. Halle 1927/1930. ND Hildesheim 1973, Bd.2, S. 91.
Irene Himburg-Krawehl: Marquisen.Literaten.Revolutionäre. Osnabrück 1970, S. 18 ff. spricht zwar von der „Zeitungsstruktur“ der Salons, aber nur in diesem eingeschränkten Sinn, wie auch für Habermas im Salon sich wenigstens „tendenziell der Takt der Ebenbürtigkeit“ durchsetzte.
Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Neuwied/Berlin 41969, S. 47.
Habermas, ebd., S. 40. Vgl. auch Ernst Manheim: Aufklärung und öffentliche Meinung. Hg. von Norbert Schindler. Stuttgart 1979.
Dagegen Richard Sennett: Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Frankfurt/Main 1983, S. 33 u.ö., dessen These jedoch eine Idealisierung der Frühformen der Öffentlichkeit darstellt und daher fürs 18. Jahrhundert zu völlig falschen Ergebnissen führt.
Die ältere Forschung hat hier Grundlegendes geleistet. Vgl. die Studien von Maurice Magendie: La politesse mondaine. Paris 1925
und Roger Picard: Les salons littéraires et la societé française 1610–1798. New York 1943.
Richard van Dülmen: Die Gesellschaft der Aufklärer. Frankfurt/ Main 1986.
Reinhart Koselleck: Kritik und Krise. Frankfurt/Main 31979, S. 53.
Immanuel Kant: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. In: ders.: Werke in zehn Bänden. Hg. von Wilhelm Weischedel. Darmstadt 1983, Bd. 10, S. 620. Habermas, ebd., S.121 erwähnt zwar die Stelle, geht aber nicht auf diesen Unterschied ein.
Max Horkheimer/Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Frankfurt/Main 1969, S. 31 ff.
Eberhard Reichmann: Die Herrschaft der Zahl. Stuttgart 1968, S.24.
Ernst Cassirer: Die Philosophie der Aufklärung. Tübingen 31973, S. 30.
Blaise Pascal: Über die Religion und über einige andere Gegenstände. Hg. von Ewald Wasmuth. Berlin 1937, S. 15. (=Brunschvicg Nr.1).
Bernhard Groethuysen: Philosophie der Französischen Revolution. Neuwied/Berlin 1971, S. 21.
Hans Leiseeane: Denkformen. Berlin/Leipzig 1928, S. 201 ff.
René Descartes: Discours de la méthode. Hg. von Lüder Gäbe. Hamburg 1969, S. 31.
Vgl. dazu Hans Blumenberg: Anthropologische Annäherung an die Aktualität der Rhetorik. In: ders.: Wirklichkeiten in denen wir leben. Stuttgart 1981, S. 109 ff.
Dieselbe Antithese findet sich noch bei Goethe: Über Mathematik und deren Mißbrauch, so wie das periodische Vorwalten einzelner wissenschaftlicher Zweige. In: Werke. Hg. im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen. II. Abtheilung 11.Bd. Weimar 1893, S.78 ff.
Jürgen Schlaeger: Warum ist die Philosophie so wenig dialogisch? In: Stierle, Das Gespräch, ebd., S. 421. Dazu auch Chaïm Perelman: Dialektik und Dialog. In: Hegel-Jahrbuch 7/1970, S. 11 ff.
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Fauser, M. (1991). Aufklärung und Gespräch. In: Das Gespräch im 18. Jahrhundert. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04158-6_2
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