Zusammenfassung
Für die Abfassungszeit des Nibelungenliedes geben die Beziehungen zu Wolframs ›Parzival‹ den relativ verläßlichsten — in der Ausdeutung freilich umstrittenen — Anhaltspunkt. Wolfram nimmt in der Versgruppe 420, 25 ff. Bezug auf Rumolts Rat im Nibelungenlied (Str. 1465 ff. nach B). »Ich taete e als Rumolt«, sagt Liddamus im ›Parzival‹, »der künec Gunthere riet, / do er von Wormz gein Hinnen schiet: / er bat in lange sniten baen / und inme kezzel umbe draen.« Landgraf Kingrimursel entgegnet: »[…] ir taetet als riet ein koch / den küenen Nibelungen, / die sich unbetwungen / uz huoben da man an in rach / daz Sivride da vor geschach.« Die Wendung lange sniten baen steht nun sichtlich in Beziehung zu der Formulierung sniten in öl gebrouwen in der Fassung *C des Nibelungenliedes (Str. 1497,3 a). Die Frage nach dem Verhältnis der Stelle aus der Hs. C zum ›Parzival‹ ist kontrovers: Ein Teil der Forscher, z. B. Heusler, glaubt, Wolfram habe aus dem Text von *B die Wendung spise die besten scherzhaft zu den sniten gesteigert, und aus dem ›Parzival‹ habe dann der Bearbeiter von *C diese Wendung, abgeschwächt, in den Text des Nibelungenliedes übernommen. Andere, so Franz Pfeiffer, Wilhelm Braune und nachdrücklich Friedrich Panzer, gemäß seiner frühen Datierung von *C und der späten Datierung von *AB auch Willy Krogmann, plädieren für die Annahme des umgekehrten Vorganges: Wolfram habe bereits die Fassung *C vorgelegen, und er habe das dort Ausgeführte nur noch witzig übersteigert, auch darin, daß er aus dem Küchenmeister Rumolt, also dem Inhaber eines Hofamtes, einen Koch gemacht habe, was übrigens teilweise schon im Nibelungenlied geschehen ist (B 777 = C 783).
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Literatur
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Hoffmann, W. (1982). Zeit und Ort der Entstehung des Nibelungenliedes. In: Das Nibelungenlied. Sammlung Metzler. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04140-1_5
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Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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Online ISBN: 978-3-476-04140-1
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