Zusammenfassung
Voltaires (1694–1778) Candide ou L’Optimisme (1759) ist ein gutes Beispiel für die Instrumentalisierung pikaresker Motive und Topoi im Rahmen einer Erzählung, die eigentlich nicht mehr als Schelmenroman bezeichnet werden kann. Das Buch gilt gemeinhin als Travestie der philosophischen Idee von der besten aller möglichen Welten, die Pangloss als Leibniz Stellvertreter verkündet, und die Candides Erfahrung der Realität in drastischer Form widerlegt. Wie der Pikaro erfährt Voltaires Protagonist die Welt auf einer Odyssee, die den Optimismus der Frühaufklärung scheinbar ad absurdum führt. Jean Starobinski hat allerdings zu Recht darauf aufmerksam gemacht, daß Voltaire bei aller Ironie gegenüber jeder Idealisierung der Realität keine fatalistische oder zynische Weltanschauung vertritt (Starobinski, 1978, S. 782 f). Seine Kritik gilt nicht etwa dem menschlichen Bemühen, die Welt zu ändern, sondern der in Leibniz’ These angelegten Suggestion, es gäbe gar nichts zu verbessern, da die Welt in Rücksicht auf die gegebenen Möglichkeiten bereits optimal eingerichtet sei. Dementsprechend mobilisiert Voltaire die zentrifugalen Kräfte der jeweils konkreten und partikularen Erfahrung gegen die zentripetale Tendenz der Philosophie, die Totalität der Welt auf eine abstrakte Formel zu reduzieren, in der die Komplexität und Kompliziertheit des menschlichen Daseins ausgeblendet wird.
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Bauer, M. (1994). Schlußbetrachtung. In: Der Schelmenroman. Sammlung Metzler. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03979-8_9
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03979-8_9
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-10282-9
Online ISBN: 978-3-476-03979-8
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