Rabelais’ politische Ideenwelt

Zusammenfassung

Im G.-Prolog lädt Rabelais seine Leserschaft ein, in seinem Werk nach einem verborgenen Sinn zu suchen (cf. 4.5.), der sie in die Geheimnisse der Religion, der Politik und des Hauswesens einweihen werde, »car en icelle bien aultre goust trouverez et doctrine plus absconce, laquelle vous révélera de très haultz sacremens et mystères horrificques, tant en ce que concerne nostre religion que aussi Testat politicq et vie oeconomique« (B. 64, Bd. I, S. 8). Man kann davon ausgehen, daß »vie oeconomique« und »estat politicq« (Bichon, B. 130; 131) das Hauswesen und die Verwaltung von Staaten, Kommunen und Städten betreffen, eine Bedeutungsreihe, die seit Brunetto Latini (ca. 1220-ca. 1295) und Nicolaus von Oresme (ca. 1320–1382) den Gebildeten vertraut ist. Eine gewisse Schwierigkeit liegt darin, daß die Pentalogie von Königen handelt. Ihre »vie oeconomicque« ist die Verwaltung des Königreiches, ihr »estat politicq« betrifft ihr Verhältnis zu den Untertanen, »il [Rabelais] appelle donc économie ce que nous appelons politique, et politique ce que nous appelons éducation et culture« (Bichon, B. 131, S. 118). Da das Werk aber nicht für Könige allein geschrieben ist, muß man, abweichend von Bichon, die Trias »religion, estat politicq et vie oeconomique« in absteigender Linie als das Verhältnis des Menschen zu Gott, zu seinen Mitbürgern und zu seiner Familie deuten.