Biblische Rätsel

Zusammenfassung

A. Die Schriften des Alten Testaments enthalten zwei Rätsel, die in die literarische und volkstümliche Rätseltradition Europas eingegangen sind. An den starken Simson (Buch der Richter, Kap. 14) knüpft sich die Erzählung von der Tötung des Löwen, in dessen Kadaver dann ein Bienenschwarm Honig ansammelte. Dies Erlebnis gibt Simson auf der Hochzeit den Philistern als Rätsel auf: „Vom Fresser strömt Futter, vom Starken quillt Süßigkeit hervor“. Bei der Exegese des Alten Testaments im typologischen Sinne erläutert Augustinus das Simsonrätsel folgendermaßen: „… de comedente exivit cibus, quid aliud signi-ficat, quam Christum a mortuis resurgentem? de edente utique, id est de morte, quae cuncta devorat, atque consumit, exivit cibus ille, qui dixit: Ego sum panis vivus …“ Die Gestalt Sim-sons als Vorbild Christi hatte daher für das mittelalterliche Denken heilsgeschichtliche Bedeutung. Sie wird erwähnt in den biblischen Fragen der lateinischen Gesprächsbüchlein (Joca Mona-chorum, Text I, Nr 33 und 34; Adrian und Epictetus, AE 1 Nr 45, AE 2 Nr 79) und in bildlichen Darstellungen, z. B. im ›Hortus deliciarum‹ der Herrad von Landsberg (12. Jh.). Das eigentliche Simsonrätsel ist erst im »Straßburger Rätselbüchlein« zu fassen: „Von dem essenden ging aus die speyss, und von dem starken ist ausgangen die süssigkeit“ (Nr 173).