Zusammenfassung
Im Berliner Musikinstrumenten-Museum steht ein eher unscheinbares, klobiges Cembalo mit „Elefantenbeinen“, wie es der Musikhistoriker Curt Sachs einmal treffend charakterisierte. Dieses unsignierte Instrument hatte der Preußische Staat 1890 für die stolze Summe von 10 000 Mark für die damals gerade zwei Jahre alte Königliche Berliner Sammlung alter Musikinstrumente erworben. Damit wurde für ein Tasteninstrument, das zu jenem Zeitpunkt nur noch museale Bedeutung hatte, ebenso soviel bezahlt wie für eine Stradivari-Geige! Der Preis stand in keinem vernünftigen Verhältnis zum Material- und Herstellungswert des schmucklosen Instruments, wohl aber in durchaus adäquater Relation zu dessen unterschobener Herkunft. Sollte dieses Cembalo60 doch nach Johann Sebastian Bachs Angaben gebaut worden sein und aus seinem Nachlass stammen! Der „Bach-Flügel“, wie das Instrument zwei Generationen lang ebenso ehrfurchtsvoll wie euphorisch genannt wurde, hat seinen schmückenden Namen inzwischen verloren, seine Aura ist zerplatzt wie eine Seifenblase. Doch seine Bedeutung für das Musikleben, für die musikalische Kultur außerhalb der Museumswelt, ist selbst Stoff eines faszinierenden, zunächst einmal abgeschlossenen Kapitels musikalischer Rezeptionsgeschichte geworden.
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Notizen
Eine etwas andere Darstellung gibt Paul Daehne: Paul de Wit’s Leben und Wirken. In: Zeitschrift für Instrumentenbau. 46 (1925/26), S. 321–325, hier S. 324: „[Rust] bot den Flügel der Stadt Leipzig als Geschenk an, unter der Bedingung, daß die Thomasschule, in der ehemals Bach wohnte, erhalten bliebe. Doch war deren Abbruch bereits fest beschlossen! Den Flügel aber überließ der grollende Kantor dem ihm befreundeten Paul de Wit.“
Wilhelm Rust: Vorwort. In: Joh. Seb. Bach’s Werke. Kammermusik. Bd. 9. Leipzig 1859 (das Vorwort ist entgegen dem Titelblatt datiert „Berlin, im April 1860“).
Oskar Fleischer: Führer durch die Sammlung alter Musik-Instrumente. Königliche Hochschule für Musik zu Berlin. Berlin 1892, S. 112.
Georg Kinsky: Zur Echtheitsfrage des Berliner Bach-Flügels. In: Bach-Jahrbuch. (1924), S. 128–138; hier S. 134 f.
Nämlich Oskar Fleischer: Das Bach’sche Clavicymbel und seine Neukonstruktion. In: Zeitschrift der Internationalen Musikgesellschaft. 1 (1899/1900), S. 161–167, und Georg Lange: Ein neuer Bach-Flügel. In: Der Deutsche Instrumentenbau. Zeitschrift für Instrumentenbau und Instrumentenkunde. 1 (1899/1900) Nr. 15, S. 115–117.
Das Hirlsche Instrument ist übrigens erhalten und befindet sich seit 1933 im Besitz des Gemeentemuseum, Den Haag (Inv.-Nr. Ec 703–1933); vgl. Clemens von Gleich: A checklist of harpsichords, clavichords, organs, harmoniums [in the] Musical Instrument Collection, Haags Gemeentemuseum. Den Haag 1989, S. 48f., dort auch eine Abbildung.
Paul de Wit: Meine neuen Spinettflügel (Cembali). In: Zeitschrift für Instrumentenbau. 29 (1908/09) Nr. 25, S. 933–934.
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Elste, M. (2000). Bachs Instrumentarium — Legenden und ihre Folgen. In: Meilensteine der Bach-Interpretation 1750–2000. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03792-3_7
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