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Kunst, Kulturpessimismus und Krieg. Lösungsansätze für das Rätsel von 1914

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Musikwissenschaft — eine verspätete Disziplin?

Zusammenfassung

Wenn von Musik und Musikwissenschaft die Rede ist, denkt man sicherlich nicht gleich an Krieg und Zerstörung. Zumindest von einem antiquierten Verständnis her scheinen Kunst, Ästhetik, schöne Klänge und werkimmanente Interpretationen näher zu liegen. Aber derlei Vorstellungen sind natürlich höchst problematisch und Ausdruck eines kitschigen Weltbildes, das die Grausamkeiten der Vergangenheit gerne verdrängt. Der große Kunst- und Musikkenner Theodor W. Adorno hat der verniedlichenden Zugangsweise denn auch den bedeutungsschweren Satz entgegengestellt: »Was aber wäre Kunst als Geschichtsschreibung, wenn sie das Gedächtnis des akkumulierten Leidens abschüttelte«1. Dies muß wohl auch in gleicher Weise für die den verschiedenen Kunstformen im weitesten Sinne gewidmeten Wissenschaften gelten. Adorno selbst hat in dieser Hinsicht Bahnbrechendes, wenn auch durchaus Kontroverses geleistet. Dies trifft in besonderem Maße für seine musikwissenschaftlichen Arbeiten zu, die immer noch Vorbildcharakter besitzen dürften. Kunst-und Kulturwissenschaften, zu denen die Musikwissenschaft wohl zu zählen ist, können also die historische Dimension ihres Sujets nicht ignorieren, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, eine Randexistenz im seichten Formalismus und scheinästhetischen Kitsch zu führen.

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Notizen

  1. Theodor W[iesengrund] Adorno, Ästhetische Theorie (Gesammelte Schriften, 7), Frankfurt am Main: Suhrkamp 1970, S. 387.

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  2. Vgl. hierzu stellvertretend für viele die einschlägigen Passagen bei Eric J. Hobsbawm, The age of Empire, 1875–1914, London: Weidenfeld and Nicholson 1987;

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  3. Eric J[ohn] Hobsbawm, Age of extremes: the short twentieth century, 1914–1991, London: Michael Joseph 1994;

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  4. aber auch Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte, 1800–1918, 3 Bände, München: Beck 1983, 1990 und 1992;

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  5. Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, 1849–1914, München: Beck 1995;

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  6. Wolfgang J[ustin] Mommsen, Das Ringen um den nationalen Staat (Propyläen Geschichte Deutschlands, 7/1), Berlin: Propyläen 1993,

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  7. und Wolfgang J[ustin] Mommsen, Bürgerstolz und Weltmachtstreben (Propyläen Geschichte Deutschlands, 7/2), Berlin: Propyläen 1995.

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  8. Vgl. Stig Förster, Der deutsche Generalstab und die Illusion des kurzen Krieges, 1871–1914. Metakritik eines Mythos, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 54 (1995), S. 61–95.

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  9. Vgl. exemplarisch Michael Howard, The Franco-Prussian war: the German invasion of France, 1870–1871, London: Rupert Hart-Davis 1961;

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  10. Michael Howard, War in European history, Oxford: Oxford University Press 1976;

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  11. Geoffrey Best, War and society in revolutionary Europe, 1770–1870, London: Fontana 1982;

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  12. Brian Bond, War and society in Europe, 1870–1970, London: Fontana 1984.

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  13. Vgl. Modris Eksteins, The rites of spring: the Great War and the birth of the modern age, New York: Houghton Mifflin 1989;

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  14. Paul Fussel, The Great War and modern memory, London: Oxford University Press 1975;

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  15. Paul Fussel, Wartime: understanding and behavior in the Second World War, New York: Oxford University Press 1989.

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  16. Vgl. Fritz Stern, The politics of cultural despair, Berkeley: University of California Press 1961, deutsch: Kulturpessimismus als politische Gefahr. Eine Analyse nationaler Ideologie in Deutschland, München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1986.

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  17. Vgl. Georg Lukács, Die Zerstörung der Vernunft, 3 Bände, Darmstadt: Luchterhand 1973, 1973 und 1974.

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  18. Vgl. etwa Klaus Vondung, Die Apokalypse in Deutschland, München: Deutscher Taschenbuch-Verlag 1988.

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  19. Zitiert nach Holger Afflerbach, Falkenhayn. Politisches Denken und Handeln im Kaiserreich, München: Oldenbourg 1994, S. 171.

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  20. Zum Krieg von 1870/71 vgl. generell Howard, Franco-Prussian War (wie Anm. 7); Heinz Helmert und Hansjürgen Usczeck, Preußischdeutsche Kriege von 1864 bis 1871. Militärischer Verlauf, Berlin: Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik 51984, S. 157–311.

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  21. Vgl. außerdem die eigenhändige Darstellung des preußischen Generalstabschefs Helmuth von Moltke, Geschichte des Krieges 1870/71, in: Moltke. Vom Kabinettskrieg zum Volkskrieg. Eine Werkauswahl, hrsg. Stig Förster, Bonn: Bouvier 1992, S. 236–594.

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  22. Zu diesem Komplex vgl. Stig Förster, Helmuth von Moltke und das Problem des industrialisierten Volkskrieges im 19. Jahrhundert, in: Generalfeldmarschall von Moltke. Bedeutung und Wirkung, hrsg. Roland G. Foerster, München: Oldenbourg 1991, S. 103–116.

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  23. Gerhard Ritter, Der Schlieffenplan. Kritik eines Mythos, München: Oldenbourg 1956; hier S. 68.

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  24. Vgl. Jehuda Wallach, Das Dogma der Vernichtungsschlacht Die Lehren von Clausewitz und Schlieffen und ihre Wirkungen in zwei Weltkriegen, Frankfurt am Main: Bernard & Graefe 1967, S. 94.

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  25. Ein herausragendes Beispiel hierfür liefert das berühmte Buch von Fritz Fischer, Krieg der Illusionen. Die deutsche Politik von 1911 bis 1914, Düsseldorf: Droste 1969.

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  26. Zitiert nach: Theo Schwarzmüller, Zwischen Kaiser und »Führer«. Generalfeldmarschall August von Mackensen. Eine politische Biographie, Paderborn: Schöningh 1995, S. 93.

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  27. Vgl. hierzu Stig Förster, Optionen der Kriegführung im Zeitalter des »Volkskrieges«. Zu Helmuth von Moltkes militärisch-politischen Überlegungen nach den Erfahrungen der Einigungskriege, in: Militärische Verantwortung in Staat und Gesellschaft. 175 Jahre Generalstabsausbildung in Deutschland, hrsg. Detlef Bald, Koblenz: Bernard & Graefe 1986, S. 83–108.

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  28. Vgl. hierzu Wolfgang J[ustin] Mommsen, The topos of inevitable war in Germany in the decade before 1914, in: Germany in the age of total war: Festschrift für Francis L. Carsten, hrsg. Volker R. Berghahn und Martin Kitchen, London: Croom Helm 1981, S. 23–45.

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  29. Zu diesem Komplex vgl. Stig Förster, Der doppelte Militarismus. Die deutsche Heeresrüstungspolitik zwischen Status-quo-Sicherung und Aggression, Stuttgart: Steiner 1985; insbesondere S. 247–273.

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  30. Vgl. Kurt Riezler, Tagebücher, Aufsätze, Dokumente, hrsg. Karl Dietrich Erdmann, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1972, S. 274–275.

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  31. All dies ließe sich ausführlich belegen. An dieser Stelle genügt ein Hinweis auf das notorische Buch von Friedrich von Bernhardi, Vom heutigen Kriege, 2 Bände, Berlin: Mittler 1912.

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  32. Vgl. hierzu Stig Förster, Militär und staatsbürgerliche Partizipation. Die allgemeine Wehrpflicht im Deutschen Kaiserreich, 1871–1914, in: Die Wehrpflicht. Entstehung, Erscheinungsformen und politisch-militärische Wirkung, hrgs. Roland G. Foerster, München: Oldenbourg 1994, S. 55–70.

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  33. Zur Technik- und Innovationsfeindschaft von Teilen der Armeeführung vgl. etwa Bernd-Felix Schulte, Die deutsche Armee, 1900–1914. Zwischen Beharren und Verändern, Düsseldorf: Droste 1977.

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  34. Zum juristischen Richtungsstreit vor dem Ersten Weltkrieg vgl. Michael Förster, Jurist im Dienst des Unrechts. Lehen und Werk des ehemaligen Staatssekretärs im Reichsjustizministerium, Franz Schlegelberger, 1876–1970, Baden-Baden: Nomos 1995, S. 17–23. Zur Entwicklung der deutschen Pädagogik vgl. den Beitrag von Jürgen Oelkers in diesem Band, S.129–155.

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  35. Zu den Alldeutschen vgl. die bahnbrechende Studie von Roger Chickering, We men who feel most German: a cultural study of the Pan-German League, 1886–1914, Boston: Allen & Unwin 1984. Zur Entwicklung der deutschen Rechten insgesamt vgl. die entsprechenden Passagen in Förster, Der doppelte Militarismus (wie Anm. 37).

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  36. Friedrich von Bernhardi, Denkwürdigkeiten aus meinem Leben nach gleichzeitigen Aufzeichnungen und im Lichte der Erinnerung, Berlin: Mittler 1927, S. 270.

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  37. Helmuth von Moltke, Betrachtungen und Erinnerungen, November 1914, in: Generaloberst Helmuth von Moltke (wie Anm. 21), S. 8–23; hier S. 13–14.

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Förster, S. (2000). Kunst, Kulturpessimismus und Krieg. Lösungsansätze für das Rätsel von 1914. In: Gerhard, A. (eds) Musikwissenschaft — eine verspätete Disziplin?. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03772-5_6

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03772-5_6

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