Zusammenfassung
Haben wir oben von einer Epochenschwelle gesprochen, die den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit darstellt und die — nach den Rändern hin unscharf und verschwimmend und nur in ihrem Zentrum genau zu erfassen — selbst nicht eindeutig zuzuordnen ist, so können wir jetzt die historische Epoche der Renaissance als eben diese Epochenschwelle bestimmen. Von Italien nach Norden wandernd, in den Städten und an den Fürstenhöfen früher und deutlicher ausgeprägt als auf dem Lande, fallen Entwicklung und Blüte der Renaissance zusammen mit der Entwicklung und der Blüte des Handelskapitals im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europa. Abenteuerlicher Unternehmergeist und eine Phantasie, die sich gleicherweise auf geographische Entdeckungen wie auf technische Erfindungen und auf wissenschaftliche Durchdringung der Phänomene richtet, bestimmen den Charakter jugendlicher Unruhe und des Aufbruchs zu Neuem, der auch in der philosophischen Reflexion des Zeitalters spürbar wird. Ein Philosoph wie Ernst Bloch, der für dieses Element von Unruhe ein kongeniales Gespür hat, hebt darum die Bedeutung der Renaissance-Philosophie besonders hervor: »Das Zeitalter des Doktor Faust wurde philosophiegeschichtlich immer nur im Vorübergehen angesehen. Diese Zeit figuriert bloss als eine kleine Einleitung zur Hauptsache, zu Descartes, mit dessen Satz ›cogito ergo sum‹ angeblich die neuere Philosophie beginnt.
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Anmerkungen
Ernst Bloch, Vorlesungen zur Philosophie der Renaissance, Frankfurt am Main 1972, S. 11.
Vgl. Paul Böckmann, Formgeschichte der deutschen Dichtung, Hamburg 1949, S. 103 ff.
Eugenio Garin, Die Kultur der Renaissance, in: Golo Mann/Alfred Heuss (Hg), Propyläen- Weltgeschichte, Band VI/2, Frankfurt am Main/Berlin 1964, S. 429 ff., hier S. 434.
Konrad Burdach, Reformation — Renaissance — Humanismus, Darmstadt 1963, S. 25.
Hans Baron, The Crisis of the Early Italian Renaissance, Princeton 1966, S. 55.
Frank Deppe, Niccolo Machiavelli, Köln 1987, S. 155.
Giovanni Pico della Mirandola, De hominis dignitate, ed. E. Garin, Firenze 1942.
Paul Oskar Kristeller, Eight Philosophers of the Italian Renaissance, Stanford (Cal) 1964, S. 68.
Vgl. Edgar Wind, Heidnische Mysterien in der Renaissance, deutsch Frankfurt am Main 1981 (englisch London 1958). Wind spart — da er vornehmlich an bild-lich-literarisch darstellbaren Belegen interessiert ist — die pseudodionysisch beeinflusste Licht-Symbolik aus, die fiir die Naturphilosophie fundamental ist. Zur Licht-Metapher vgl. Rudolf Bultmann, Zur Geschichte der Lichtsymbolik im Altertum, Philologus 97, 1948, S. 1–36.
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Holz, H.H. (1997). Die Übergangszeit der Renaissance. In: Einheit und Widerspruch. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03706-0_3
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