Agustini, Delmira

Zusammenfassung

In eine begüterte, wahrhaft internationale Familie mit französischem, deutschem, argentinischem und uruguayischem Zweig hineingeboren, war A. ein wohlbehütetes und privilegiertes Wunderkind. Mit zwei Jahren konnte sie lesen, mit fünf schreiben, mit zehn schrieb sie ihre ersten Gedichte (die später auch veröffentlicht wurden). Sie hatte nie formelle Schulbildung erhalten, sondern nur die übliche Mädchenbildung im Hause genossen, zunächst bei ihrer Mutter, dann bei einem privaten Französischlehrer. Bereits mit 17 Jahren schrieb sie Artikelserien in Zeitungen der uruguayischen Hauptstadt, in denen sie Porträts zeitgenössischer Frauen ihres Landes verfaßte. 1907 erregte sie in Montevideo großes Aufsehen mit ihrem ersten Gedichtband El libro blanco (Das weiße Buch), vor allem wegen dessen leidenschaftlicher Töne und gewagter Ausdrucksweise, die im Werk eines jungen, unverheirateten Mädchens Anlaß zu allerlei Vermutungen gaben und sie zur »erotischen Dichterin« stempelten. Andererseits sind auch manche Versuche unternommen worden, sie zum »Mythos« zu stilisieren und alles Erotische in ihrem Werk lediglich symbolisch-geistig zu deuten, wie etwa im Werk der spanischen Mystiker/innen. Weder das eine noch das andere kann jedoch ihrer widersprüchlichen Persönlichkeit gerecht werden, die sich in ihren Briefen — vielleicht auch nur für ihre unmittelbare Umgebung — als kindlich-naive »Puppenfrau« gab, in ihren Gedichten jedoch zu einer reifen Ausdrucksform findet.