Heinrich, Jutta

Zusammenfassung

»Ich bin verrückt und sehnsüchtig nach der Kultur, ihrer Ablagerung, die mir die Stimmen, all die verlorengegangenen Stimmen aus Schreien und Verbotenem in Angemessenheit zurückbringen. Ich bin verrückt nach der Wohlgefälligkeit der Poesie, die mir hinter ihrem Beben, hinter ihrer eingemauerten Unordnung doch ihr Spucken verheißt. Nicht ihre Oberfläche, ihr Blumiges, ihr Sing-Sang der Sinne ist es, es ist ihre Verdorbenheit, die aus dem Wort hängende Zote, die Sekunde der Wahrheit, die die Zähne bleckt; sie ist der Schatten in einer Flut aus Licht, das gegen die Lüge erfunden wurde, die wunderbar und einzig ist, denn sie allein ist der Beweis einer riesenhaften Anstrengung, die einstmals Aufruhr hieß. Ich liebe die Lüge, nur der Aufenthalt in ihr offenbart die Verwestheit der Wahrheit.« — Dieser Auszug aus dem Band Alles ist Körper (1991) klingt wie H.s Sprachkonzept, das aber nicht ein festgelegtes, formuliertes ist. Vielmehr scheinen ihre poesiereichen Texte eher einer Sinnstörung vergleichbar. Am Anfang war immer die Lüge, H. sucht das Wort, das Bild, die Symbole, um gegen die Gefühlserstarrung anzuschreiben. Ihr durchgängiges Suchen nach einem ›Ort der Hoffnung‹ (so sollte ihr erster Roman heißen), ist schon in dem Text Mit meinem Mörder Zeit bin ich allein (1987) als irrende, verzweifelte Suche nach der Heimat des Lebens präsent.