Zusammenfassung
Die in den vorausgegangenen Kapiteln untersuchten Paradigmen — Texte und Bilder — waren von durchaus unterschiedlichem epistemologischen und ästhetischen Status. Gleichwohl lassen sich einige Leitlinien und Anschlüsse herausstellen, die das gemeinsame Operationsfeld von Melancholie und Literatur in systematischer Hinsicht eingrenzen. Die folgende poetologische Reflexion der in den Modellbildungen der Melancholie sich abzeichnenden literarischen Themen und Strukturen stellt ebensosehr eine Zusammenschau der im Ersten Teil dieser Untersuchung angestellten Einzelanalysen dar wie eine Basis für die literarischen Texten gewidmeten Kapitel des Zweiten Teils. Drei Perspektivierungen greifen ineinander: die Aufmerksamkeit auf die diskursive Konstituierung des Melancholieparadigmas, die Beobachtung ihrer anthropologischen Instrumentalisierung und die Diskussion der semiotischen und repräsentationslogischen Implikationen. Die Mittelposition der anthropologischen Wertsetzungen bildet dabei den Ort der Umcodierung diskursiver Schemata in literarisch-textuelle Formen der Repräsentation.
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Notizen
Vgl. Hubert Tellenbach, »Die Räumlichkeit der Melancholischen. II. Mitteilung: Analyse der Räumlichkeit melancholischen Daseins«, Der Nervenarzt, 27/7 (1956), 289–298, 293.
Michael Theunissen, »Melancholische Zeiterfahrung und psychotische Angst«, in: Zur Philosophie der Gefühle, hrsg. von Heinrich Fink-Eitel und Georg Lohmann, Frankfurt a. M. 1993, 334–344.
Vgl dazu auch Jean Starobinski, »Grundlinien für eine Geschichte des Begriffs der Einbildungskraft«, in: ders., Psychoanalyse und Literatur. Literatur der Psychoanalyse, Frankfurt a. M. 1973, 3–23, 3.
Das Verhältnis von Melancholie und Phantasie beschreibt, freilich eher im thematischen Sinn denn in struktureller Hinsicht, Heinz-Günter Schmitz, »Phantasie und Melancholie. Barocke Dichtung im Dienst der Diätetik«, Medizinhistorisches Journal, 4 (1969), 210–230.
Vgl. auch Karlheinz Stierle, »Metamorphosen des Mythos. Petrarcas Kanzone ›Nel dolce tempo‹ (Rime XXIII)«, in: Traditionswandel und Traditionsverhalten, hrsg. von Walter Haug und Burghart Wachinger, Tübingen 1991, 24–45, 39
Angelika Kauffmann, Die irre Maria (1777).
John Milton, Il penseroso, in: The Poems of John Milton, ed. by John Carey und Alastair Fowler, London and Harlow 1968, 139–146, 142, Vv. 55–58.
Publius Ovidius Naso, Metamorphosen, in deutsche Hexameter übertr. und mit dem Text hrsg. von Erich Rösch, München 1961, 6. Buch, Vv. 424–674, hier: V 525 f.
vgl. auch M. C. van der Kolf »Philomela«, in: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, neue Bearbeitung begonnen von Georg Wissowa, unter Mitwirkung zahlreicher Fachgenossen hrsg. von Wilhelm Kroll, 38. Halbband, Petros-Philon, Stuttgart 1938, 2515–2520 und
ferner O. Höfer, »Philomela«, in: Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie, hrsg. von W.H. Roscher, Bd. III, 2, Pasik-P, Leipzig 1897–1902, 2343–2348.
(T.S. Eliot, Das wüste Land, Englisch und deutsch, übers, von Ernst Robert Curtius, mit einem Vorwort von Hans Egon Holthusen, Frankfurt a. M. 1951, 9)
(Ulrich Ernst, Carmen Figuratum. Geschichte des Figurengedichts von den antiken Ursprüngen his zum Ausgang des Mittelalters, Köln, Weimar, Wien 1991, 62) besteht. Vgl. auch Hollander, Vision and Resonance, 255 ff.
Abb. 26 zeigt die Verwiesenheit des Melancholikers auf die Struktur des Labyrinths. Dosso Dossis (?) (Ferrara ca. 1479–1542) um 1520 entstandenes Porträt eines Unbekannten wird von Hermann Kern, Labyrinthe. Erscheinungsformen und Deutungen. 5000 Jahre Gegenwart eines Urbilds, München 21982, 292, folgendermaßen beschrieben
In ihrem Buch Vermessung des Labyrinths. Studien zur modernen Ästhetik, Frankfurt a. M. 1965 reflektiert Marianne Kesting den Referenzverlust der Literatur in der modernen, labyrinthischen Welt: »Die Dichtung, auf sich selbst zurückgezogen, erlebt ihre große Wiedergeburt aus der Situation, daß sie, gegenüber der Welt der Information, zum Schweigen verurteilt ist« (ebd., 87; vgl. insbes.
Vgl. Umberto Eco, Nachschrift zum »Namen der Rose«, aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber, München, Wien 1984, 64 f.;
vgl. Gilles Deleuze und Félix Guattari, Rhizom, Berlin 1977.
Ähnlich argumentiert auch J. Hillis Miller, »Ariadne’s Thread. Repetition and the Narrative Line«, Critical Inquiry, 3 (1976), 57–77, 62 ff.
Vgl. Johann Amos Comenius, Das Labyrinth der Welt. Das ist eine klare Beschreibung, wie in dieser Welt und allen ihren Dingen nichts herrscht als Irrung und Verwirrung, Unsicherheit und Bedrängnis, Lug und Trug, Angst und Elend, und zuletzt Ekel an allem und Verzweiflung. Und Das Paradies des Herzens. Das beschreibt, wie nur der, welcher zu Hause in seinem Herzen wohnet und sich mit Gott allein darin verschließet, zum wahren und vollen Frieden seiner Seele und zur Freude gelangt, mit einem Vorwort von Pavel Kohout, übers, von Zdenko Baudnik, Luzern, Frankfurt a. M. 1970.
Vgl. Ekkehard Martens, Der Faden der Ariadne. Über kreatives Denken und Handeln, Stuttgart 1991, 16 ff.
(vgl. Manfred Schmeling, Der labyrinthische Diskurs. Vom Mythos zum Erzählmodell, Frankfurt a. M. 1987).
Auch Gustav René Hocke, Die Welt als Labyrinth. Manierismus in der europäischen Kunst und Literatur, durchges. und erw. Ausgabe hrsg. von Curt Grützmacher, Reinbek 1987, verzeichnet neben den verschiedensten Formen des Labyrinths auch den »Irrgang Roman« (464 ff.).
Dessen Geschichte, die Geschichte »des nichtlinearen, des exkursorischen, vorwegnehmenden und nachtragenden Erzählens«, sei, so Ulrich Ernst, noch nicht geschrieben (in: Peter Strohschneider, »Bericht über die Diskussionen der zweiten Sektion«, in: Text und Bild, Bild und Text. DFG-Symposion 1988, 216–239, 235).
Ulrich Ernst, »Labyrinthe aus Lettern. Visuelle Poesie als Konstante europäischer Literatur«, in: Text und Bild, Bild und Text. DFG-Symposion 1988, 197–215, 199.
Vgl. auch Guido Graf, »Das Labyrinth als Zeichen — das Zeichen als Labyrinth«, in: Umberto Eco. Zwischen Literatur und Semiotik, hrsg. von Armin Burkhardt und Eberhard Rohse, Braunschweig 1991, 90–119.
Jürgen Jacobs, »Das Verstummen der Muse. Zur Geschichte der epischen Dichtungsgattungen im XVIII. Jahrhundert«, Arcadia, 10 (1975), 129–146, 129 f.
Laurence Sterne, The Life & Opinions of Tristram Shandy Gentleman, ed. by Graham Petrie with an Introduction by Christopher Ricks, Harmondsworth 1967, 598 (IX/24). Vgl. Jacobs, »Das Verstummen der Muse«, 143.
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Wagner-Egelhaaf, M. (1997). Resümee und Ausblick: Umriß einer Poetik der Melancholie. In: Die Melancholie der Literatur. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03696-4_10
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