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Zusammenfassung

Wir werden von Gibbon keine neue Methoden in der Quellenkritik erwarten. In Decline and Fall finden wir keine Spur des neuen Typus von geduldiger Quellenanalyse, den seine deutschen Zeitgenossen gerade zu entwickeln begannen. Die Göttingischen Gelehrten Anzeigen für 1788 veröffendichten eine Kritik, die zwar voller Bewunderung für Gibbon war, aber sogleich die Überlegenheit deutscher Quellenkritik hervorhob. Insgesamt gesehen, kam Gibbon nie über einen oberflächlichen Eindruck des relativen Wertes seiner Quellen hinaus. Er fragte sich nicht regelmäßig, was hinter seinen unmittelbaren Quellen lag. Er hatte kein sicheres Entscheidungskriterium dafür, ob Herodian zuverlässiger als die Historia Augusta ist oder ob Cassius Dio mehr oder weniger zuverlässig ist, je nachdem, ob er oder seine Quellen die von ihm berichteten Ereignisse selbst zu bezeugen Gelegenheit hatten. Dies soll nicht heißen, daß Gibbon nicht in bestimmten Fällen mit großem Scharfsinn eine Quelle charakterisieren kann. So sah er etwa, daß die Biographie des Severus Alexander in der Historia Augusta in seinen Worten »the mere idea of a perfect prince, an awkward imitation of the Cyropaedia« (die bloße Idee eines vollkommenen Fürsten, eine plumpe Nachahmung der Kyropädie) sei. Doch machte er diese Beobachtung nicht zum Ausgangspunkt für irgendwelche Forschungen von der Art, mit der sich spätere Gelehrte befassen sollten.

It is seldom that the antiquarian and the philosopher are so happily blended.

(Es ist selten, daß der Antiquar und der Philosoph eine so glückliche Verbindung eingehen.)

Gibbon, Kap. 9

Im 18. Jahrhundert gab es auf dem Gebiet der Geschichtsforschung zwei Richtungen, die einen jeweils eigenen charakteristischen Stil ausbildeten: die der Philosophie und die der antiquarischen Gelehrsamkeit. Die Philosophen glaubten zumeist fest, daß die Geschichtsschreibung schon im Altertum auf der Höhe ihrer Kunst gewesen war; der moderne Historiker war vor allem dazu verpflichtet, intellektuell und stilistisch nach dem Muster der antiken Historiker zu verfahren. Dagegen bestanden die Gelehrten ihrerseits darauf, daß der moderne Historiker imstande sein müsse, die Ereignisse nicht nur zu erzählen, sondern auch zu rekonstruieren. Deshalb sei es seine Pflicht, sich die typisch moderne Kunst der Quellenkritik anzueignen und seine Quellen stets explizit zu zitieren und zu bewerten, was die antiken Geschichtsschreiber versäumt hätten. Der Historiker des 18. Jahrhunderts dürfe sich nicht mehr nach dem Modell der Alten richten. Diese Trennung der Schulen hat Momigliano am Beispiel Gibbons dargelegt — also am Fall jenes Historikers, der als erster konsequent versucht hatte, die klassischen Tugenden des Stils und die modernen Tugenden der wissenschaftlichen Arbeit in ein und demselben Geschichtswerk zu pflegen. Alle Historiker, die sich mittlerweile mit Gibbons Methode und der allgemeinen Entwicklung der Historiographie im 18. Jahrhundert befaßt haben, müssen sich noch immer mit Momiglianos Essay auseinandersetzen.

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Anthony Grafton

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© 1999 Springer-Verlag GmbH Deutschland

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Momigliano, A. (1999). Gibbons Beitrag zur Historischen Methode. In: Grafton, A. (eds) Ausgewählte Schriften zur Geschichte und Geschichtsschreibung. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03683-4_12

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  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

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  • Online ISBN: 978-3-476-03683-4

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