Zusammenfassung
Immer wieder und zumeist mit Bewunderung ist in der Verdi-Literatur herausgestellt worden, wie sehr doch das Schaffen dieses Komponisten von Kontinuität geprägt gewesen sei. Abgesehen von dem Sonderfall des späten Falstaff (1893) als Idealtyp eines innovatorischen Alterswerks sei Verdi in seiner Karriere als Opernkomponist der nationalen Gattungstradition des ›melodramma‹ auf bemerkenswerte Weise verbunden geblieben; von Oberto (1839) bis Otello (1887) habe sein Schaffen zwar eine beispiellose künstlerische Entwicklung durchlaufen, jedoch keine eigentlichen Brüche, geschweige denn Richtungswechsel zu verzeichnen. Die biologistische Metapher des ›Reifeprozesses‹ schien sich zur Charakterisierung dieses Phänomens geradezu anzubieten, und sie lieferte ohne Zweifel auch das Denkmodell für die überkommene Periodisierung des verdischen Œuvres in eine frühe, mittlere und späte Phase, analog den Lebensaltern. Untrennbar mit dieser Vorstellung verbunden war das Bild Verdis als eines urwüchsigen, bodenständigen Künstlers, der seine schöpferischen Kräfte aus Natur und Volk gezogen habe: gleichsam der ›Bauer als Komponist‹. Als historisch abgetan erweist sich diese Sichtweise freilich nur dann, wenn man sie rigide auf ihren Begriff bringt; in verdeckter Form hingegen, nämlich vermittelt über ästhetische Kategorien, zeigt sie sich als nach wie vor lebendig, etwa in der Gegenüberstellung von ›Oper‹ und ›Musikdrama‹ als vermeintlich musikdramatischen Komplementärentwürfen des musikalischen Theaters im 19. Jahrhundert.
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Notizen
Franz Werfel, Verdi. Roman der Oper, Berlin/Wien/Leipzig 1924.
Carl Dahlhaus, Französische Musik und Musik in Paris, in: lendemains. Zeitschrift für Frankreichforschung und Französischstudien 31/32: 1983, Heft 8, S. 5 ff, hier S. 5.
Wolfgang Marggraf, Giuseppe Verdi, Mainz/London/New York/Tokio 1982, S. 180 ff.
Julian Budden, Verdi, London/Melbourne 1985 (The Master Musicians Series), deutsch: Verdi. Leben und Werk, Stuttgart 1987, S. 242 ff.
Ulrich Schreiber, Opernführer für Fortgeschrittene. Eine Geschichte des Musiktheaters. Das 19. Jahrhundert, Kassel/Basel 1991, S. 621 ff.
Marcello Conati, Verdi, il grand opéra e il Don Carlos, in: Atti del II Congresso Internazionale di Studi Verdiani, Parma 1971, S. 242–279.
I copialettere di Giuseppe Verdi, hg. von Gaetano Cesari und Alessandro Luzio, Mailand 1913, Nachdruck: Bologna 1979 (Bibliotheca Musica Bononiensis, V, 23), S. 220 (Brief an Camille Du Locle vom 7. Dezember 1869).
»Senza alcun dubbio la cosa migliore dell’opera.« Franco Abbiati, Giuseppe Verdi, Bd.3, Mailand 1959, S. 327 (Brief an Giulio Ricordi von 1869). Zu den dramaturgischen Bezügen zwischen der Domszene aus Le Prophète und dem Autodafé aus Don Carlos vgl. auch vom Verfasser: Grand opéra als historisches Drama und als private Tragödie: Meyerbeers Le prophéte und Verdis Don Carlos in: Atti del XIV congresso della Società Internazionale di Musicologia: Trasmissione e recezione delle forme di cultura musicale, Bologna/ Ferrara/ Parma 1987, hg. von Angelo Pompilio, Donatella Restani, Lorenzo Bianconi, F. Alberto Gallo, Turin 1990, Bd. 1, S. 727 ff.
Zur Rolle von Florenz als italienischem Einfallstor für das neue französische Repertoire vgl. Fiamma Nicolodi, Meyerbeer e il grand opéra a Firenze, in: Quaderni di teatro IX, 36, Mai 1987, S. 80 ff.
Harold Powers, ›La solita forma‹ and ›The Uses of Convention‹ in: Nuove prospettive nella ricerca verdiana. Atti del convegno internazionale in occasione della prima del Rigoletto in edizione critica, Wien 12 – 13 marzo 1983, Parma/ Mailand 1987, S. 74 ff. Auch in: Acta musicologica 59, 1987, S. 65 ff. Powers nimmt darin Bezug auf zwei Aufsätze Philip Gossetts: Verdi-Ghislanzoni, and Aida: the uses of convention, in: Critical Inquiry 1, 1974/75, S. 291 ff, hier S. 300 ff; The ›candeur virginale‹ of Tancredi, in: The Musical Times 112, 1971, S. 326 ff. Die zitierte Passage bei Basevi, S. 191.
Piero Weiss, Verdi and the Fusion of Genres, in: Journal of the American Musicological Society 35: 1982, S. 138–156, italienisch als: Verdi e la fusione dei generi, in: La drammaturgia musicale, a.a.O., S. 75–92.
Zur Textgeschichte dieser Oper vgl. James A. Hepokoski, Giuseppe Verdi Otello (Cambridge Opera Handbooks), Cambridge 1987, S. 21 ff, Hier S. 24 ff
Dies eine Formulierung des Literaturwissenschaftlers Edward W. Said, Culture and Imperialism, New York 1993, deutsch: Kultur und Imperialismus. Einbildungskraft und Politik im Zeitalter der Macht, Frankfurt/M 1994. Said widmet hier der Aida ein eigenes Kapitel: Das Imperium am Werk: Verdis Aida, S. 165 ff. Das Zitat auf S. 187.
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Döhring, S. (1997). Der mittlere Verdi. In: Bermbach, U. (eds) Verdi-Theater. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03679-7_4
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Online ISBN: 978-3-476-03679-7
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