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Zur Struktur des Jugendbriefs an die Schwester im 18. Jahrhundert: Goethe, Mozart, Brentano, Kleist

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Kleist-Jahrbuch 1996

Part of the book series: Kleist-Jahrbuch ((KLJA))

  • 77 Accesses

Zusammenfassung

Vier junge Männer, drei Sechzehnjährige und ein Achtzehnjähriger, schreiben im 18. Jahrhundert erste Briefe an ihre Schwester. Sie stehen in einer langen Reihe von Briefautoren der Zeit, für die Geschwister, vor allem Schwestern, eine wichtige Rolle am Anfang ihrer epistolographischen Entwicklung gespielt haben. Die vier haben im Lauf ihres Lebens bewiesen, daß sie Kenntnis der im 18. Jahrhundert eingeführten unterschiedlichen Briefformen hatten, die man gemäß der rhetorischen Decorum-Theorie auf den jeweiligen Kommunikationspartner einstellte. Beim bürgerlichen Geschwisterbrief sind zu dieser Zeit äußere Formregeln im Prinzip suspendiert, denn die kommunikative Grundsituation ist familiär intim bzw. von Nähe und relativ hoher Vertrautheit gekennzeichnet. Der Jüngling kann seit der Mitte des Jahrhunderts, wenn er will, die Feder spontan, frei von Konventionen führen.1 In diesem Sinne schreibt Lessing schon 1743 in seinem ersten erhaltenen Brief, der auch an die Schwester geht, er könne »nicht einsehn, wie dieses beisammen stehn kann: ein vernünftiger Mensch zu sein; vernünftig reden können; und gleichwohl nicht wissen, wie man einen Brief aufsetzen soll. Schreibe wie Du redest, so schreibst Du schön.«2

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Notizen

  1. »Für den Privatbrief konkurrenzlos bestimmend in dieser Zeit wurde bekanntlich der ›Ty-pus‹ des ganz subjektiven, auf persönlichen und vertraulichen Gedankenaustausch und intime Herzensoffenbarungen gerichteten sogenannten natürlichen Briefs‹, dem als Ideal die stilisierende schriftliche Imitation eines vertrauten Gesprächs vorgegeben war.« Hans-Jürgen Schra-der, Unsägliche Liebesbriefe. Heinrich von Kleist an Wilhelmine von Zenge. In: Kleist-Jahrbuch 1981/82, S. 86–97, hier S. 90 f.

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  9. In der literaturwissenschaftlichen Forschung zu Mozarts Briefen ist dieses elementare ästhetische Bewußtsein Mozarts bisweilen eigenartig kommentiert worden. So behauptet etwa Irma Voser-Hoesli, die Wiederholungen in unserem Brief seien »aus keiner vernünftigen Absicht erklärbar«, Mozart gehe »in unvernünftiger Spiellust«, von der »Wendigkeit des Spielers« angetrieben »ganz unbekümmert um den Sinnzusammenhang« mit den Satzgliedern um usw. Irma Voser-Hoesli, W.A. Mozarts Briefe. Stilkritische Untersuchung, Diss. Zürich 1948, S. 13 f.

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  10. Das gilt auch für weitere Briefe aus seiner Feder. Vgl. Karl Heinz Bohrer, Der romantische Brief. Die Entstehung ästhetischer Subjektivität, München/Wien 1987, S. 13;

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Knape, J. (1996). Zur Struktur des Jugendbriefs an die Schwester im 18. Jahrhundert: Goethe, Mozart, Brentano, Kleist. In: Kreutzer, H.J. (eds) Kleist-Jahrbuch 1996. Kleist-Jahrbuch. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03652-0_9

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03652-0_9

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

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