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Jakobiner und Postrevolutionär: Der Arzt Georg Christian Wedekind

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Kleist-Jahrbuch 1996

Part of the book series: Kleist-Jahrbuch ((KLJA))

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Zusammenfassung

Eine der rätselhaftesten Episoden in der an offenen Fragen ohnehin überreichen Lebensgeschichte Heinrichs von Kleist ist die Zeit von Herbst 1803 bis Frühjahr 1804. Kleist, das Scheitern seiner ›Guiskard‹-Tragödie vor Augen, wollte offenkundig als Soldat in französischen Diensten den Tod auf einem englischen Schlachtfeld suchen. Er landete schließlich, womöglich nach einem physischen wie psychischen Zusammenbruch, in Mainz, bei dem Arzt Dr. Georg Christian Wedekind. In den folgenden Monaten reiste er wiederholt von Mainz nach Paris. Diese Aufenthalte haben die Forschung zu mancherlei Spekulationen verleitet. Waren diese Paris-Reisen Bestandteil einer ganzheitlichen Therapie, die ihm sein Arzt verordnete, oder spielten vielleicht doch auch politische Motive eine gewisse Rolle? Schließlich handelte es sich bei Kleists Arzt um einen ausgesprochenen Homo politicus, der gut ein Jahrzehnt zuvor eine ebenso exponierte wie polarisierende politische Stellung innehatte. In den wenigen Monaten, die der Mainzer Republik 1792/93 beschieden waren, zählte er zu deren Führungspersönlichkeiten, insbesondere zuständig für strategische und agitatorische Belange. Im Frühjahr 1793 wurde Mainz auch von dem Regiment belagert, dem Kleist angehörte. Wäre Wedekind nicht kurz zuvor aus der Stadt geflüchtet, hätten sich der Arzt und sein späterer Patient unmittelbar in feindlichen Lagern gegenüberstehen können. Worin hätten also die politischen Gemeinsamkeiten zwischen einem deutschen Jakobiner und dem späteren Kriegsdichter der Deutschen bestehen können?

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Notizen

  1. Richard H. Samuel/Hilda M. Brown, Kleist’s Lost Year and the Quest for Robert Guis-kard, Leamington Spa 1981.

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  2. Hilda M. Brown, Kleist in Paris, 1804. In: Seminar 13, 1977, S. 88–98

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  3. sowie dies., Kleists Lebensspuren um 1804: Eine Antwort an Helmut Sembdner. In: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 36, 1992, S. 84– 94.

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  7. Zur Biographie vgl. die auf Wedekinds eigener Darstellung basierenden Artikel in Heinrich Eduard Scriba, Biographisch-literarisches Lexikon der Schriftsteller des Großherzogthums Hessen im ersten Viertel des neunzehnten Jahrhunderts. Abt.1, Darmstadt 1831, S. 423–441; Abt. 2, Darmstadt 1843, S. 769.

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  8. Darauf aufbauend: Helmut Mathy, Georg Wedekind. Die politische Gedankenwelt eines Mainzer Medizinprofessors. In: Festschrift Ludwig Petry. Teil 1, Wiesbaden 1968 (= Geschichtliche Landeskunde V), S. 177–205.

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  9. Vgl. zu dieser Institution Leo Just/Helmut Mathy, Die Universität Mainz. Grundzüge ihrer Geschichte. Trautheim/Mainz 1965

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  10. sowie — zum geistigen Umfeld überhaupt — Hermann Weber (Hg.), Aufklärung in Mainz, Wiesbaden 1984 (= Schriften der Mainzer Philosophischen Fakultätsgesellschaft 9);

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  15. Die Literatur zur Mainzer Republik hat mittlerweile einen beträchtlichen Umfang angenommen. Grundlegend bleiben die von Heinrich Scheel herausgegebenen Quellenbände: Die Mainzer Republik. 2 Bde., Berlin (DDR) 1975/81 (= Akademie der Wissenschaften der DDR. Schriften des Zentralinstituts für Geschichte 42/43), die 1989 noch durch eine, politisch freilich tendenziöse Darstellung ergänzt wurden: Ders., Die Mainzer Republik III. Die erste bürgerlich-demokratische Republik auf deutschem Boden, Berlin (DDR) 1989 (= Akademie der Wissenschaften der DDR. Schriften des Zentralinstituts für Geschichte 44). Die bisher wohl beste, weil unideologischste und streng an den Quellen arbeitende Abhandlung stammt von Franz Dumont, Die Mainzer Republik von 1792/93. Studien zur Revolutionierung in Rheinhessen und der Pfalz, Alzey 1982 (= Alzeyer Geschichtsblätter: Sonderheft 9).

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  19. Georg Wedekind, Drei Anreden an seine Mitbürger, gehalten am 27., 28. und 29. Oktober in der Gesellschaft der Volksfreunde zu Mainz, Mainz 1792, S. 39.

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  20. Zu Logos, Ethos und Pathos in der Rhetorik vgl. etwa Gert Ueding/Bernd Steinbrink, Grundriß der Rhetorik. Geschichte, Technik, Methode, 3., überarb. u. erw. Aufl. Stuttgart/Weimar 1994, S. 277–282.

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  22. So Günther Lottes, Sansculotten und Demokraten. Zur Gründungsgeschichte kleinbürgerlicher Protestbewegungen. In: Ernst Wangermann/Birgit Wagner u. a. (Hg.), Die schwierige Geburt der Freiheit, Wien 1991, S. 33–56; hier S. 52.

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  28. Zu Fragen der Revolutionsgeschichte in Frankreich vgl. François Furet/Denis Richet, Die Französische Revolution. A. d. Franz. übers. von Ulrich Friedrich Müller, Nachdr. München 1981 (franz. Orig. 1965); Ernst Schulin, Die Französische Revolution, München 1988.

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  29. Speziell zur »demokratischen Bewegung« im Deutschland des späten 18. Jahrhunderts vgl. Fritz Valjavec, Die Entstehung der politischen Strömungen in Deutschland 1770–1815, München 1951, S. 180–206. Die von Valjavec vorgenommene Einbindung des deutschen Jakobinismus in die Gründungsphase des Parteiensystems bestätigt etwa auch Axel Kuhn, Jakobiner im Rheinland. Der Kölner konstitutionelle Zirkel von 1798, Stuttgart 1976 (= Stuttgarter Beiträge zur Geschichte und Politik 10): Die deutschen Jakobinerklubs bildeten die »Urform einer radikaldemokratischen Partei«. (S. 18) Die wissenschaftliche Kontroverse um diese Position beleuchtet Jörn Garber, Politische Spätaufklärung und vorromantischer Frühkonservativismus. Aspekte der Forschung (1978). In: ders., Spätabsolutismus und bürgerliche Gesellschaft. Studien zur deutschen Staats- und Gesellschaftstheorie im Übergang zur Moderne, Frankfurt a.M. 1992, S. 31–76.

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  30. Diese Vorgänge zeichnet etwa Walter Grab nach: Die Theorie und Praxis der deutschen Jakobiner. In: ders., Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern. Zur Geschichte der deutschen Jakobiner, Frankfurt a.M./Olten/Wien 1984, S. 33–62.

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  31. Monika Neugebauer-Wölk, Revolution und Constitution. Die Brüder Cotta. Eine biographische Studie zum Zeitalter der Französischen Revolution und des Vormärz. M. e. Geleitwort von Otto Büsch, Berlin 1989 (= Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin 69), insbes. S. 137–264.

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  32. Zum Konflikt um die cisrhenanische Bewegung vgl. etwa Timothy C.W. Blanning, The French Revolution in Germany. Occupation and resistance in the Rhineland 1792–1802, Oxford 1983.

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  33. Zur kritischen und reformorientierten Auseinandersetzung mit der Adelsfrage im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert und ihrer Einbettung in die Geschichte des europäischen Adels vgl. etwa Rudolf Vierhaus (Hg.), Der Adel vor der Revolution. Zur sozialen und politischen Funktion des Adels im vorrevolutionären Europa, Göttingen 1971;

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  34. Peter Uwe Hohendahl/ Paul Michael Lützeler (Hg.), Legitimationskrisen des deutschen Adels 1200–1900, Stuttgart 1979 (= Literaturwissenschaft und Sozialwissenschaften 11);

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  35. Heinz Reif, Der Adel in der modernen Sozialgeschichte. In: Sozialgeschichte in Deutschland. Entwicklungen und Perspektiven im internationalen Zusammenhang, hg. von Wolfgang Schieder u. Volker Sellin, Bd. IV: Soziale Gruppen in der Geschichte, Göttingen 1987, S. 34–60;

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  36. Hans-Ulrich Wehler (Hg.), Europäischer Adel 1750–1950, Göttingen 1990 (= Geschichte und Gesellschaft: Sonderheft 13).

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  37. Vgl. dazu etwa die Schrift von Benjamin Constant, Réflexions sur les constitutions, la distribution des pouvoirs et les garanties dans une monarchie constitutionnelle, Paris 1814.

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  38. Ueber die Bildung der ersten Kammern und die Adelsreform in Deutschland. Ein Vortrag von Dr. Bluntschli, Professor, gehalten in dem constitutionell-monarchischen Verein für Freiheit und Gesetzmäßigkeit zu München den 5. Juli 1850 und auf Veranlassung des Vereins veröffentlicht, München [1850], S. 32.

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  39. Vgl. zu diesem Thema die Studie von Michael Maurer, Aufklärung und Anglophilie in Deutschland. Göttingen/Zürich 1987 (= Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London)

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  40. oder Wolfgang J. Mommsen, Zur Entwicklung des Englandbildes der Deutschen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. In: Studien zur Geschichte Englands und der deutschbritischen Beziehungen. Festschrift für Paul Kluke, hg. von Lothar Kettenacker u.a., München 1981, S. 375–397.

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  41. Vgl. insbesondere die vierte und fünfte Rede über das Deutsche als einer lebendigen Sprache, einer »Ursprache«: »Naturgemäßheit von deutscher Seite, Willkürlichkeit und Künstelei von der Seite des Auslandes sind die Grundunterschiede.« Zitiert nach: Johann Gottlieb Fichte, Reden an die deutsche Nation. 5., durchges. Aufl. nach d. Erstdr. v. 1808, mit neuer Einl. von Reinhard Lauth, Hamburg 1978 (= Philosophische Bibliothek 204), S. 75; 84.

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  42. So scheiterte etwa die Verfassungsinitiative des württembergischen Königs Friedrich I. am 15. März 1815 an der Ständeversammlung. Auch Johann Cotta lehnte diese aus der monarchischen Gewalt abgeleitete Konstitution ab und forderte weitergehende Rechte des Parlaments. Der Freiherr vom Stein gratulierte von Wien aus den württembergischen Ständen mit den Worten, sie hätten sich einer drohenden Anarchie ebenso widersetzt wie einer möglichen Tyrannei. Mit diesen Begriffen argumentierte auch Wedekind. Im Unterschied zu Wedekind und Cotta unterstützte Stein — wie Hardenberg, Humboldt oder Metternich — die entmachteten Stände freilich nicht aus liberalen und primär konstitutionellen Erwägungen. Österreich und Preußen wollten in erster Linie den Rheinbundabsolutismus eindämmen, um die eigene Vormachtstellung im Deutschen Bund zu gewährleisten. Vgl. zu dieser restaurativen Interpretation des entsprechenden Artikels 13 der Deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815: Wolfgang Mager, Das Problem der landständischen Verfassungen auf dem Wiener Kongreß 1814/15. In: HZ 217, 1974, S. 296–346.

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  43. Günter de Bruyn, Märkische Forschungen. Erzählung für Freunde der Literaturgeschichte, Frankfurt a.M. 1981 (zuerst: Halle/Saale 1979).

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Riedl, P.P. (1996). Jakobiner und Postrevolutionär: Der Arzt Georg Christian Wedekind. In: Kreutzer, H.J. (eds) Kleist-Jahrbuch 1996. Kleist-Jahrbuch. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03652-0_5

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