Zusammenfassung
»Mit den Begriffen Objektivität und Interesse bezeichnet Friedrich Schlegel in dem frühen Aufsatz ›Über das Studium der griechischen Poesie‹ den Unterschied zwischen antiker und moderner, d.h. nachantiker Dichtung.« [112] Der Satz, mit dem Klaus Peter seine Abhandlung über Objektivität und Interesse scheinbar bündig anhebt, verschieiert eher die Probleme, mit denen sich eine Untersuchung von Schlegels ästhetischer Theorie konfrontiert sieht. Zwar dient das Begriffspaar der Bezeichnung des Epochenhiats, dessen (deutsche) Entdeckung, wie der altphilologische Autodidakt Schlegel stets betont, Winckelmann zu verdanken gewesen sei [113], doch bildete die Markierung eines solchen Unterschieds in der Querelle bloß den Ausgangspunkt, nicht schon das Resultat geschichtsphilosophischer Ästhetik. Durch die »Wahrnehmung der absoluten Verschiedenheit des Antiken und des Modernen« habe Winckelmann nur einen »Grund« gelegt (KFSA 2, 188 f. [149]) [114], so daß die Altertumslehre für Schlegel, ähnlich wie für Nietzsche (wenn auch aus anderen Gründen [115]), erst am Beginn stehe: »Erst wenn der Standpunkt und die Bedingung der absoluten Identität des Antiken und Modernen […] gefunden ist, darf man sagen, daß wenigstens der Kontur der Wissenschaft fertig sei […].« (KFSA 2, 188f. [149]) Die Suche nach dem einheitsstiftenden Prinzip, das die Heterogenität der zwei Kunstwelten übersteigt, motiviert und verbindet Schlegels literaturgeschichtliche Studien zum klassischen Altertum, mit denen er sich im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts die Basis zu seiner literaturtheoretischen Bestimmung der romantischen Moderne schafft.
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Notizen
Klaus Peter: Objektivität und Interesse. Zu zwei Begriffen Friedrich Schlegels. In: Klaus Peter, Dirk Grathoff, Charles N. Hayes, Gerhard Loose: Ideologiekritische Studien zur Literatur. Essays I [mehr nicht erschienen]. Frankfurt/M. 1972, 11–34, hier: 11.
Vgl. Bernhard Fischer: Das Ende der Kunst und die Krise der Aufklärung. Zur Entwicklung der spätaufklärerischen Geschichtsphilosophie Johann Gottfried Herders. In: Jahrbuch des freien deutschen Hochstifts 1991, 68–89.
Zur Entstehungsgeschichte des Studium-Aufsatzes vgl. Hans Eichner: The Supposed Influence of Schiller’s Über naive und sentimentalische Dichtung in E SchlegePs Über das Studium der griechischen Poesie. In: Germanic Review 30 (1955), 260–264 sowie Ernst Behler: Einleitung zu KFSA 1, xiii-cxcii, hier: clxv ff.
Reinhart Koselleck: Historia Magistra Vitae. Über die Auflösung des Topos im Horizont neuzeitlich bewegter Geschichte [1967]. In: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten. Frankfurt/M. 1979, 38–66, hier: 51 und 54.
Reinhart Koselleck: Geschichte, Geschichten und formale Zeitstrukturen. In: Geschichte — Ereignis und Erzählung. Hg. Reinhart Koselleck, Wolf-Dieter Stempel. München 1973 (= Poetik und Hermeneutik, 5), 211–222, hier: 222.
Jörn Rüsen: Ästhetik und Geschichte. Geschichtstheoretische Untersuchungen zum Begründungszusammenhang von Kunst, Gesellschaft und Wissenschaft. Stuttgart 1976, 17.
Rainer Kolk: Reflexionsformel und Ethikangebot. Zum Beitrag von Max Wehrli. In: Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 1910–1925. Hg. Christoph König, Eberhard Lammert. Frankfurt/M. 1993, 38–45, hier: 40.
Hans-Georg Gadamer: Nachwort. In: Johann Gottfried Herder: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. Frankfurt/M. 1967, 146–177, pass.
Vgl. Karl Menges: Herder and the »Querelle des Anciens et des Modernes«. In: Eighteenth-Century German Authors and their Aesthetic Theories: Literature and the Other Arts. Ed. Richard Critchfield, Wulf Koepke. Columbia SC 1988, 148–183.
Christian Gottfried Körner: Über einige Aufsätze von Friedrich Schlegel. Abgedr. in: Joseph B. Bauke: Christian Gottfried Körner. Ein unbekannter Kommentar zu Schlegels Frühschriften. In: JDSG 7 (1963), 15–43, hier: 23–33, bes. 30.
Hazard Adams: Philosophy of the Literary Symbolic. Tallahassee FL 1983, 46.
Götz Pochat: Geschichte der Ästhetik und Kunsttheorie. Von der Antike bis zum 19. Jahrhundert. Köln 1986, 488.
Hans Sedlymayr: Verlust der Mitte. Die bildende Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts als Symptom und Symbol der Zeit [1948]. Salzburg 41951, Zur vierten Auflage, 253–258, hier: 258, Anm. 1.
Vgl. Helmuth Kiesel, Paul Münch: Gesellschaft und Literatur im 18. Jahrhundert. Voraussetzungen und Entstehung des literarischen Markts in Deutschland. München 1977, sowie die bei Schmidt: Die Selbstorganisation des Sozialsystems Literatur, a.a.O., ausgewertete Sekundärliteratur.
Ernst Behler: A. W. Schlegel and the Nineteenth-Century Damnatio of Euripides. In: Greek, Roman and Byzantine Studies 27 (1986), 335–367, hier 342.
Ruth Haag: Noch einmal: Der Verfasser der Nachtwachen von Bonaventura. In: Euphorion 81 [1987], 286–297) die philosophische Diskussion um diese arabesken Silvae verflachen wird.
Manfred Frank: Zwei Jahrhunderte Rationalitäts-Kritik und ihre »postmoderne« Überbietung. In: Die unvollendete Vernunft: Moderne versus Postmoderne. Hg. Dietmar Kamper, Willem van Reijen. Frankfurt/M. 1987, 99–121, hier: 119.
Kari Elise Lokke: The Role of Sublimity in the Development of Modernist Aesthetics. In: Journal of Aesthetics and Art Criticism 40 (1982), 421–429, hier: 422.
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Zelle, C. (1995). Objektivität und Interesse in Friedrich Schlegels frühromantischer Ästhetik. In: Die doppelte Ästhetik der Moderne. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03632-2_10
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