Zusammenfassung
Einer inzwischen häufig zitierten Einschätzung zufolge war der 13. August 1961 der »Gründungstag der DDR«.1 Das klingt aus heutiger Sicht befremdlich. Einem Bonmot des Herbstes 1989 zufolge wurde die Mauer gebaut, weil die Menschen davonliefen, und sie fiel, weil die Menschen davonliefen. Dennoch: Der Bau der Mauer erhöhte den Druck, sich zu arrangieren. Die kulturrevolutionäre Gleichschaltung von Wissenschaft, Recht und Moral korrespondierte dem Ende ökonomischer Eigenständigkeit, das die Kollektivierung nun durchgesetzt hatte. Die Umwandlung der Staatsbürger in Staatsbedienstete war weitgehend abgeschlossen, so daβ der ganz überwiegende Teil der Erwerbstätigen in Abhängigkeit vom Staat lebte. Mit der Alternativlosigkeit mochte so auch die Bereitschaft sich einstellen, diese »Gesellschaft von >Planexekutoren<« zum Funktionieren zu bringen.2 Den entdifferenzierten sozialen Strukturen entsprechend war die Parteiherrschaft gefestigt; die Gesellschaft war endgültig auf politisch vermittelte Regulierung verwiesen.
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Notizen
Dietrich Staritz: Geschichte der DDR 1949–1985. Frankfurt/M. 1985, S. 138.
So Ernst Richert: Macht ohne Mandat. Der Staatsapparat in der SBZ. Köln, Opladen 1963, S. 283. Nach seinen Angaben belief sich die Zahl der »Staatsbediensteten«, also aller abhängig Beschäftigten Anfang der sechziger Jahre, im Anschluß an die Kollektivierung, auf 87,5 %; ebd.
Walter Ulbricht: Der XXII. Parteitag der KPdSU und die Aufgaben in der DDR. Berlin/ DDR 1961, S. 96. In der DDR hatte Kosel bereits 1957 die These der Wissenschaft als Produktivkraft vertreten und begründet; er war seinerzeit auf den Beton der Dogmatiker gestoßen. Als die These sich schließlich — über die Sowjetunion — auch in der DDR durchsetzte, kam ihm dies keineswegs zugute; vgl. die (noch immer recht vorsichtige) Schilderung von Gerhard Kosel: Unternehmen Wissenschaft. Erinnerungen. Berlin/DDR 1989.
Programm der SED, in: Einheit 1/1963, hier S.304f.
Ebd., S. 293, 321, 322.
Ebd., S. 324.
Ebd.
W. Ulbricht, in: Protokoll der Verhandlungen des VI. Parteitags der SED, 15.-21.1. 1963. Bd. 1. Berlin/DDR 1963, S. 98.
Erich Apel/Günter Mittag: Wissenschaftliche Führungstätigkeit. Berlin/DDR 1964, S.67f.
Walter Ulbricht: Zum neuen ökonomischen System der Planung und Leitung. Berlin/ DDR 1966, S. 431 ff.
Ebd., S. 410.
Ebd., S. 555, 606 £
Ebd., S. 146.
Ebd., S. 668.
Ebd., S. 667; Wolfgang Berger/Otto Reinhold: Zu den wissenschaftlichen Grundlagen des neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung. Das NÖSPL — ein wichtiger Beitrag der SED zur maixistisch-leninistischen Theorie. Berlin/DDR 1966. S. 5.
Walter Ulbricht: Zum ökonomischen System des Sozialismus in der DDR. 2 Bde. Berlin/DDR 1968, S. 530. Diese Formation stellte Ulbricht als System vor, in dem sich der »Zusammenhang der Ökonomie mit der Politik und mit der gesamten Sphäre des geistigen Lebens und der ideologischen Beziehungen der Gesellschaft«, wie er sich ausdrückte, »immer enger« gestalte. Er sprach auch von einem »einheitlichen sozialen Organismus«; ebd., S.529f.; S.556ff.
Ebd., S. 532.
Kurt Teßmann: Technische Revolution und Sozialismus, in: Einheit 2/1965, S. 15ff., hier S. 21.
So Harry Nick/Gerhard Schulz: Die Yeränderung der materiell-technischen Basis durch die wissenschaftlich-technische Revolution, in: Einheit 6/1966, S. 734ff.
Thomas A. Baylis: The Technical Intelligentsia and the East German Elite. Berkeley 1974, S. 254.
Ihre Adressaten waren die wirtschaftsleitenden Kader. W. Ulbricht: Zum neuen ökonomischen System (vgl. Anm. 20), S.410f.; siehe auch E. Apel/G. Mittag: Wissenschaftliche Führungstätigkeit (vgl. Anm. 10) und die Einheit der Jahre 1963/64.
W. Ulbricht: Zum ökonomischen System (vgl. Anm. 34), S. 548; Helmut Koziolek: Zur Theorie und Praxis der sozialistischen Wirtschaftsführung. Sitzungsberichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften, Klasse für Philosophie, Geschichte, Rechtsund Wirtschaftswissenschaften, Heft 4/1966.
Dazu vgl. Gert-Joachim Glaeßner/Irmhild Rudolph: Macht durch Wissen. Zum Zusammenhang von Bildungspolitik, Bildungssystem und Kaderqualifrzierung in der DDR. Opladen 1978.
So Ernst Richert: »Sozialistische Universität«. Die Hochschulpolitik der SED. Berlin 1967, S. 232 f.
So auch G.-J. Glaeßner: Herrschaft durch Kader. Opladen 1977, S. 143.
Ludz’ Untersuchung der »Parteielite im Wandel« diagnostizierte einen deutlichen Einflußzuwachs in den Führungsgremien der SED zugunsten der »institutionalisierten Gegenelite« — also der technischen Intelligenz; vgl. Peter Christian Ludz: Parteielrte im Wandel. Köln, Opladen 1970.
Ebd., S.82fI:, 149fI:
Ebd., S. 153 ff.
Ebd., S. 97 fI:
Ebd., S. 236 fF.
So Gero Neugebauer: Partei und Staatsapparat in der DDR. Aspekte der Instrumentalisierung des Staatsapparats durch die SED. Opladen 1978, S. 18, 82 f.
Joachim Nawrocki: Vom NÖS zum Computer-Stalinismus, in: Deutschland Archiv 4/1971, S.345ff., hier S. 348; Th. A. Baylis (vgl. Anm. 49), S.234ff., 237.
Günter Mittag: Die Bedeutung des Buches »Politische Ökonomie des Sozialismus und ihre Anwendung in der DDR«. Berlin/DDR 1970, S. 13 f., 47 ff.
So Rainer Hahn/Karl-Heinz Schöneburg: Die wirtschaftlich-organisatorische, kulturell-erzieherische Funktion der Staatsmacht der DDR, in: Staat und Recht 1/1963, S. 1ff., hier S. 6.
Ebd., S. 7 ff.
Eberhard Poppe/Rolf Schüsseler/Wolfgang Weichelt: Uber die Weiterentwicklung der Tätigkeit der örtlichen Volksvertretungen in der DDR unter den Bedingungen der Leitung der Volkswirtschaft nach dem Produktionsprinztp, in: Staat und Recht 3/1964, S. 452 ff., hier S. 453.
So Gert Egler/Hans Dietrich Moschütz: Staatsrechtliche Aspekte der Wirtschaftskonferenz des ZK der SED und des Ministerrats der DDR, in: Staat und Recht 9/1963, S. 1442 ff., hier S. 1435; Rainer Hahn: Das neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft und die Entwicklung der Demokratie, in: Staat und Recht 4/1965, S. 544ff., hier S. 547. Alle diese Autoren hielten — mit den Worten Hahns — »eine ›Bewegung von Massen‹ ohne sachkundigen Effekt« für »nicht vertretbar«.
Vgl. die Beiträge von Heinz Kallabis, Rudi Weidig, Jürgen Schmollack und Dietrich Mühlberg in DZfPh, Sonderheft 1965.
So lesen sich Hans Leichtfuß/Karl-Heinz Schöneburg: Volkssouveränität und Geschichte unseres Arbeiter- und Bauernstaates, in: Staat und Recht 10/1964, S. 1689ff.; siehe auch A.I. Lepeschkin: Das Programm der KPdSU und einige theoretische Fragen des sozialistischen Sowjetstaates, in: Staat und Recht 4/1962, S. 707 ff., hier S. 711 ff.
So Ulbricht auf der Festrede zum 15. Jahrestag der Gründung der DDR. Walter Ulbricht: Der Weg zur Vollendung des sozialistischen Aufbaus in der DDR. Schriftenreihe des Staatsrats (Nr. 7). Berlin/DDR 1964, S. 57. Ebenso Arno Lange/Rainer Altmann: Die Entwicklung der Deutschen Demokratischen Republik zum Staat des gesamten Volkes, in: DZfPh 5/1965, S. 549 ff.; Rolf Schüsseler: Diktatur des Proletariats und Volksstaat, in: Staat und Recht 9/1964, S. 1628 ff.
So der Leitartikel der Einheit zum 20. Jahrestag der DDR: Die DDR und die marxistisch-leninistische Politik unserer Partei, in: Einheit 9/1969, S. 1964.
Hans Rodenberg: Fragen der Entwicklung der sozialistischen Menschengemeinschaft. Der Staatsrat der DDR 1960–1970. Dokumente. Berlin/DDR 1970, S. 672.
Bernd Bittighöfer: Das Menschenbild unserer sozialistischen Gemeinschaft, in: Einheit 4/1969. S.418ff., hier S.418.
Ebd., S. 419.
Ebd., S.420. Er wiederholte auch die Auffassung der Partei, der Mensch müsse zunehmend »Verantwortungsbewußtsein für das Ganze« entwickeln und »in die schöpferische Tat fdr das Ganze« umsetzen (S. 424f.). In diese Richtung wiesen auch die »politisch-moralische Einheit des ganzen werktätigen Volkes« und der »Weg vom Ich4 zum
Ebd., S.423.
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Meuschel, S. (1995). Symbiose von Technik und Gemeinschaft Die Reformideologie der SED in den sechziger Jahren. In: Emmerich, W., Wege, C. (eds) Der Technikdiskurs in der Hitler-Stalin-Ära. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03599-8_13
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