Zusammenfassung
Entgegen früheren Meinungen, der nationalsozialistische Staat hätte in seiner Frauenpolitik das »Heimchen am Herd« forciert, vertritt die neuere Forschung die Ansicht, daß die praktische NS-Frauenpolitik darauf ausgerichtet war, Ehe und Familie als Leistungsgemeinschaft im Sinne »artgemäßer«, paternalistischer Rollenverteilung dem Staat nutzbar zu machen. »Mutterschaft war von einem […] ›öffentlichem‹ System umgeben, das von (Haus-)Arbeits- und Mütterschulung, über materielle Hilfestellung und Beratung bis hin zur Kontrolle und Selektion reichte.«1 Die sogenannten »Wissenschaften« Rassehygiene und Eugenik sowie die Bürokratie des Gesundheitswesens ermöglichten dem NS-Staat, in Sexualität und Fortpflanzung einzugreifen. Ebenso wurde der Arbeits- und Lebensbereich aller Frauen kontrolliert. Der Zugriff auf die Mütter erfolgte durch Massenorganisationen wie die NS-Frau-enschaft, den Reichsmütterdienst innerhalb des Deutschen Frauenwerks und das Hilfswerk Mutter und Kind innerhalb der NS- Volkswohlfahrt, vor allem aber durch das öffentliche Gesundheitswesen. Die Kontrolle über die Gebärmutter und die weibliche Arbeitsleistung wurde durch ein hohes Maß an öffentlicher Prestigeaufwertung verbrämt: einerseits durch die Betonung der Leistungen des Staates — Mutterschutzgesetz, Ehestandsdarlehen —, andererseits durch die Anpreisung der »artgemäßen« Rollenverteilung als modern und später kriegswichtig, darüber hinaus durch eine mystifizierende und pathetische Rhetorik, welche die Rassenpolitik als angeblich den Naturgesetzen entsprechend hinstellte.
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Notizen
Czarnowski, Gabriele: Das kontrollierte Paar. Ehe- und Sexualpolitik im Nationalsozialismus. Weinheim: Deutscher Studien Verlag 1991, S. 14.
Zitiert nach Maruta Schmidt und Gabi Dietz (Hg.): Frauen unterm Hakenkreuz. Eine Dokumentation. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1985, S. 59.
Meine wichtigsten Quellen waren Regie-, Soufflier- und Inspizientenbücher, Bühnenbildentwürfe, Auffuhrungsfotos des Burgtheaterarchivs und des Österreichischen Theatermuseums sowie Auffuhrungsberichte in Zeitungen und Zeitzeugeninterviews. Vgl. Evelyn Deutsch-Schreiner: Der »vierfach männliche Blick« auf die Frau. Das Frauenbild auf der Bühne im nationalsozialistischen Deutschland. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, Heft 95 (1994), S. 91–106.
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Deutsch-Schreiner, E. (1996). Blonde Mütter für das Reich? Zum Bild der Mutter auf dem NS-Theater. In: Möhrmann, R., Mrytz, B. (eds) Verklärt, verkitscht, vergessen. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03596-7_13
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