Zusammenfassung
Noch bevor Goethe dazu übergeht, Natur als ein Phänomen für die Sinne zu entdecken, äußert er, halb im Scherz, den Wunsch, blind zu sein. Eine solche, im Brief, wie es scheint, gedankenlos hingeworfene Aussage kontrastiert in extremer Form mit den zuweilen pathetisch vorgetragenen Bekenntnissen zu der herausragenden Bedeutung des Sehvermögens im Rahmen Goethescher Naturerkenntnis. Das Gerede von der eigenen Blindheit und die Rede von der Sonnenhaftigkeit des Auges bilden nicht unbedingt einen biographischen Spannungsbogen vom frühen zum späten Goethe, sie erteilen jedoch schlaglichtartig Auskunft über das Gravierende einer Entwicklung, die dieser durchlaufen hat. In den ersten Tagen seines Straßburger Aufenthalts schreibt Goethe an den Leipziger Studienfreund Limprecht, der an einem Augenleiden erkrankt ist, folgende Sätze:
»Man sagt, Democrit habe sich geblendet, um durch diesen gefährlichen Sinn nicht zerstreut zu werden, und wahrhafftig, wenn er’s thun konnte, so that er nicht unrecht; ich gäbe manchmal was drum blind zu seyn. Und doch, wenn es ist wie es war, dass Sie Därnmerung sehen, wo andre Tag haben, so verliehren Sie nicht viel. Es ist ja doch alles Dämmerung in dieser Welt, ein bissgen mehr oder weniger, dafür lässt sich Trost finden.«83
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Schärf, C. (1994). Natur als Metatext. In: Goethes Ästhetik. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03562-2_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03562-2_3
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-01258-6
Online ISBN: 978-3-476-03562-2
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