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Zusammenfassung

Die Frühzeit der deutschen Kinematographie galt lange Zeit nicht als besonders erwähnenswert; die mehrbändige »Geschichte des Films« von Ulrich Gregor und Enno Patalas etwa behandelt die deutsche Filmgeschichte in dem Zeitraum von 1895 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs auf schmalen elf Zeilen.2 Vor allem die frühen Jahre noch vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs, um die es hier gehen soll, wurden zwar durchaus mit Interesse an den technischen Entwicklungen und dem Erfolg des Filmgewerbes betrachtet, insgesamt aber als amüsant-liebenswerte, noch nicht ernstzunehmende »Kinder-«3 oder »Flegeljahre«4 des Films bewertet. Nur unter einer speziellen Perspektive stieß der frühe Film auf größere Beachtung, indem man in ihm ein neues Medium sah, das sich, beheimatet in einer »Welt von Varieté, Zirkus und Jahrmarkt, in den Vergnügungsstätten der ›kleinen Leute‹«,5 an ein neues, kulturell unterprivilegiertes Publikum wandte. Das ›Theater des kleinen Mannes‹ erschien geradezu politisch instrumentalisierbar, sei es als ›demokratisch‹ wie aus amerikanischer Sicht6 oder, aus marxistischer, als proletarisch-revolutionär: Eine ursprünglich »plebejische counter culture« 7, die erst das Schielen nach Profiten eine Wende zu kapitalistischen Strukturen und bürgerlicher Kultur habe vollziehen lassen.8

»Von der Existenz des deutschen Films kann eigentlich erst nach dem Ersten Weltkrieg die Rede sein. Seine Geschichte bis zu diesem Zeitpunkt war Vorgeschichte, eine Frühzeit, der an sich keine Bedeutung beizumessen ist.«1

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Anmerkungen

  1. Siegfried Kracauer: Von Caligari zu Hitler. Eine psychologische Geschichte des deutschen Films. Hg. v. Karsten Witte. Frankfurt a.M.: Suhrkamp (1979; Schriften, Bd. 2) 1984, S. 21.

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  2. Vgl. Ulrich Gregor, Enno Patalas: Geschichte des Films. Bd. 1: 1895–1939. Reinbek: Rowohlt 1976, S. 13; einer im wesentlichen ebensolchen Zäsurierung, die stark von Kracauer beeinflußt wurde, folgen auch noch Werner Faulstich, Helmut Korte (Hg.): Fischer Film-geschichte. Bd. 1: Von den Anfängen bis zum etablierten Medium 1895–1924. Frankfurt a.M.: Fischer 1994.

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  3. Vgl. Oskar Kalbus: Vom Werden deutscher Filmkunst. 2 Bde. Bd. 1: Der stumme Film. Altona-Bahrenfeld: Cigaretten-Bilderdienst 1935, S. 11–12 (Kapitel: Aus den Kinderjahren des Films.)

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  4. Heinrich Fraenkel: Unsterblicher Film. 2 Bde. Bd. 1: Die große Chronik von der Laterna Magica bis zum Tonfilm. München: Kindler 1956, S. 40–51 (Kapitel: Flegeljahre).

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  5. Jürgen Spiker: Film und Kapital. Der Weg der deutschen Filmwirtschaft zum nationalsozialistischen Einheitskonzern. Berlin/West: Volker Spiess 1975, S. 11.

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  6. Vgl. Russell Merritt: Nickelodeon Theaters, 1905–1914: Building an Audience for the Movies. In: Tino Balio (Hg.): The American Film-Industry. Revised Edition. Madison: The University of Wisconsin Press 1985, S. 83–102.

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  7. Anton Kaes (Hg.): Kino-Debatte. Texte zum Verhältnis von Literatur und Film 1909–1929. Tübingen: Niemeyer; München: dtv 1978, S. 8.

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  8. Vgl. an deutschen Quellen bes. Dieter Prokop: Soziologie des Films. Erweiterte Ausgabe. Frankfurt a.M.: Fischer 1982; Spiker: Film und Kapital.

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  9. Vgl. Thomas Elsaesser: The New Film History. In: Sight & Sound, Nr. 4, Herbst 1986, S. 246–251; Josef Nagel: Frühe Entwicklungstendenzen einer medienspezifischen Filmsprache. Erlangen 1988 (Erlanger Beiträge zur Medientheorie und -praxis 8; Diss. Erlangen/ Nürnberg 1988), S. 1–16.

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  10. Vgl. Robert C. Allen: Vaudeville and Film, 1895–1915. A Study in Media Interaction. New York: Arno Press 1980 (Diss. Iowa 1977).

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  12. Emilie Altenloh: Zur Soziologie des Kino. Die Kino-Unternehmung und die sozialen Schichten ihrer Besucher. Jena: Diederichs 1914 (Schriften zur Soziologie der Kultur III; Diss. Heidelberg 1913; neu Hamburg: Medienladen 1977).

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  13. Helmut H. Diederichs: Frühgeschichte deutscher Filmtheorie. 2 Bde. (Habilitationsschrift 1991; unveröffentlicht), Bd. 1, S. 56.

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  14. Robert C. Allen, der die Position einer Orientierung des frühen Films an der Mittelschicht vertritt, wertete US-Quellen aus (die Arbeit Altenlohs führt das Literaturverzeichnis nicht auf). Die Diskussion eines spezifisch weiblichen Filmpublikums legt die Altenlohsche Studie neu aus, indem sie deren Ergebnisse nicht nur unter einer schichtenspezifischen, sondern vor allem unter einer geschlechterspezifischen Perspektive bewertet. In einer weiteren Lesart Altenlohs kommt Martin Loiperdinger: Das frühe Kino der Kaiserzeit. Problemaufriß und Forschungsperspektiven. In: Uli Jung: Der deutsche Film. Aspekte seiner Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart. Trier: Wissenschaftlicher Verlag 1993, S. 21–50; S. 29, zu dem Schluß, daß das »Merkmal des Kinopublikums vor dem Ersten Weltkrieg (…) nicht seine proletarische Provenienz, (…) sondern seine Heterogenität« war. So sympathisch diese Aussage ist, so unfundiert ist sie leider, da sich Loiperdinger nur auf Altenlohs Aussagen zum Zeitpunkt ihrer Umfrage bezieht (1912; vgl. Kapitel 6.2 dieser Arbeit) und ignoriert, daß sie dies als einen Wandel gegenüber einem frühen Arbeiter-Kinopublikum konstatierte (vgl. Altenloh: Zur Soziologie des Kino, S. 50–51).

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  15. Vgl. Dieter Helmuth Warstat: Frühes Kino der Kleinstadt. Berlin/West: Volker Spiess 1982 (Diss. Münster 1980); Anne Paech: Kino zwischen Stadt und Land. Geschichte des Kinos in der Provinz: Osnabrück. Marburg: Jonas 1985; Warstat initiierte die Forschungsrichtung, während Anne Paech mit ihrer gründlichen, gefällig präsentierten Untersuchung nicht nur deren weitere Ausformung prägte, sondern sie auch durch Rezensionen der Arbeiten Nachfolgender betreute und förderte.

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  16. Vgl. Friedrich v. Zglinicki: Der Weg des Films. Textband und Bildband. Hildesheim, New York: Olms 1979. Zglinicki hat ein ungeheuer umfangreiches Quellenkonvolut gesammelt, aus dem er meistens zusammenfassend zitiert. Das Verdienst Zglinickis um die deutsche Filmgeschichtsschreibung ist zweifellos unschätzbar, aber sein Buch steht allzu sehr im Zeichen der begeisterten Sammlerleidenschaft. Die Verfahrensweise der reihenden Quellenwiedergabe reproduziert Irrtümer und produziert Lücken und Widersprüche, und als Nachschlagewerk ist das Buch nur begrenzt geeignet und umständlich (bisweilen auch nicht) zugänglich. Leider ist zudem erforderlich, Angaben zu verifizieren; auch im Bildband sind etliche Zuschreibungen und Datierungen von Abbildungen unzutreffend.

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  17. Vgl. Peter Bächlin: Der Film als Ware. Frankfurt a.M.: Athenäum Fischer 1975 (zuerst Basel: Burg 1945; Diss. Basel 1945).

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  18. Vgl. Hans Traub (Hg. im Auftrag der Universum-Film-Aktiengesellschaft): Die Ufa. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des deutschen Filmschaffens. Berlin: Ufa-Buchverlag 1943.

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  19. Vgl. Janet Staiger: Mass-produced Photoplays. Economic and Signifying Practices in the First Years of Hollywood. In: Thomas Elsaesser (Hg.): Space, Frame, Narrative. Silent Cinéma. London: Privatdruck o.J., S. 204–212 (ebenfalls in: Wide Angle, Nr. 3, Herbst 1980, S. 12–27); Blueprints for Feature Films: Hollywoods Continuity Scripts. In: Balio (Hg.): American Film-Industry, S. 173–194; Combination and Litigation. In: Elsaesser, Barker (Hg.): Early Cinéma, S. 189–210.

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  20. Heinz-B. Heller: Literarische Intelligenz und Film. Zu Veränderungen der ästhetischen Theorie und Praxis unter dem Eindruck des Films 1910–1930 in Deutschland. Tübingen: Niemeyer 1985 (Habil. Wuppertal 1983), S. 32.

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  21. Vgl. Joachim Paech: Literatur und Film. Stuttgart: Metzler 1988, S. 6–7.

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  22. Oskar Messter: Mein Weg mit dem Film. Berlin-Schöneberg: Max Hesse 1936, S. 98 (Hervorhebung im Original sperrgedruckt). Da sich diese Untersuchung oft auf Messters Erinnerungen bezieht, sei ein Kommentar zu der sich hier und an anderen Stellen seiner Memoiren äußernden ›Deutschtümelei‹ (aus meinem Eindruck seiner Person) erlaubt: Messter war ein im Grunde unter jeder politischen Façon opportunistischer Industrieller, doch als Nationalist ragte er wohl kaum über seine Zeitgenossen in vergleichbarer Position heraus; während des Ersten Weltkriegs leistete er Dienste für die Oberste Heeresleitung — zum Nutzen der privaten Filmindustrie —, doch der NSDAP trat er offenbar nicht bei und zeigte sich u. a. weiterhin mit der als Frau eines Juden verfehmten Henny Porten. So zwiespältig Messter erscheinen mag, so ›lauter‹ verhielt er sich gegenüber der Kinematographie, die ihm über den materiellen und persönlichen Nutzen hinaus wichtig war. In seinen 1936 publizierten Memoiren trat Messter der offiziellen NS-Filmgeschichtsschreibung entgegen, die den Film als eine deutsche Erfindung ausgab. Um Richtigstellung zu betreiben und wohl auch, um ein gewisses Gegengewicht für seinen Widerspruch zu schaffen, hob er hervor, was er — wie etwa Theodor Pätzolds dreiteilige Blende — für rechtmäßige deutsche Beiträge zur Entwicklung der Filmtechnik hielt. Daß diese Hervorhebungen oft genug der Ehre Messters galten, mag zwar eitel erscheinen, beruhte jedoch auf Tatsachen (er erhielt zahlreiche Gebrauchsmuster- und Patentrechte, u.a. für seine Verwendung des Malteserkreuzes) und war gleichfalls Teil seines Eintretens für die Richtigstellung der Filmgeschichtsschreibung.

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  23. Hermann Lefranc: Das deutsche Filmgewerbe. Diss. Heidelberg o.J. (1921; verfaßt 1919/20).

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  24. Vgl. Deniz Göktürk: Meat & Movies: On Market Globalization and Import Regulation in Imperial Germany. Vortragstyposkript. International IAMHIST Conference Amsterdam 1993.

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Müller, C. (1994). Einleitung. In: Frühe deutsche Kinematographie. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03560-8_1

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