Zusammenfassung
Geheimnistuerei wird seit jeher als Charakterzug Heinrichs von Kleist angesehen, sie sei angeboren oder stelle einen Ausdruck des Versuchs dar, der Kritik von Seiten seiner am Militär orientierten Familie zu entgehen, die in seinen Augen kein Verständnis für seinen Ehrgeiz habe aufbringen können, den Lorbeer seiner Ahnen in anderer Weise für sich zu gewinnen; sie mag auch einfach eine Begleiterscheinung jener geheimen Wege sein, die ein Dichter von Kleists Temperament nun einmal wandeln muß, der sich mit seiner literarischen Sendung intensiv beschäftigt und identifiziert und dem es manchmal, überraschenderweise, an Selbstvertrauen schmerzhaft mangelt. So beschreibt Kleist seiner Braut, Wilhelmine von Zenge, im Oktober 1801 den Erstling seiner Muse, ›Die Familie Schroffenstein‹, als ein wie von einem Priester behütetes Heiligtum: »Dich wollte ich wohl in das Gewölbe führen, wo ich mein Kind, wie eine vestalische Priesterin das ihrige, heimlich aufbewahre bei dem Schein der Lampe.« Zu den bekanntesten Anlässen für Mystifikationen zählen Kleists Würzburger Reise von 1800, sein hektisches Hin und Herreisen während des sogenannten »Verlorenen Jahres« 1803/1804, und dann im Jahre 1807 seine überraschende Inhaftierung im Fort Joux von seinem Freitod im November 1811 ganz zu schweigen. Mit den drei bedeutenden Lücken dieser Biographie hat die Kleistforschung der letzten Jahre intensiv gerungen (vgl. u.a. die Arbeiten von Diethelm Brüggemann, Hans-Jürgen Schrader, Richard H. Samuel, Hilda M. Brown und Hermann Weiss) — meistens allerdings mit dem Ergebnis, daß neue Rไtsel zum Vorschein kamen.
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Brown, H.M. (1994). Dirk Grathoff, Kleists Geheimnisse. Unbekannte Seiten einer Biographie. Opladen: Westdeutscher Verlag 1993. 176 S.. In: Kreutzer, H.J. (eds) Kleist-Jahrbuch 1994. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03556-1_16
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