Zusammenfassung
Die in ihren verheerenden Folgen kaum voraussehbare Wirkung der ‘Tagebücher’ Varnhagens ist für die Meinungsbildung der Nachwelt nicht nur in moralischer Hinsicht maßgeblich geblieben, sondern auch vom Standpunkt einer literarischen Wertung seines Gesamtwerks. Varnhagen repräsentiert jedoch gerade als Tagebuchautor eine literaturgeschichtliche Entwicklungsphase, die gemessen an seiner Epoche, wie Friedrich Sengle bei aller Bewunderung für Varnhagen dennoch einschränkend feststellt, “veraltet” anmutet,1 und die es deswegen nahelegt, die Beurteilung der ‘Tagebücher’ nicht zu überschätzen; innerhalb von Varnhagens literarischem Oeuvre ist das Tagebuch außerdem nur ein Teilbereich, in dem er sich als Autor entfaltet und einen Namen gemacht hat, gerade unter Berücksichtigung der Tatsache, daß seinen journalistischen Neigungen die Presse das geeignetere literarische Umfeld erschloß als das ‘journal intime’ in der Schreibtischschublade. Das literarische Selbstverständnis konstituiert sich bei Varnhagen aber geradezu im Widerstreit von einerseits öffentlichem Journalismus, von journalistischer Mitarbeit in der Tagesliteratur des Pressewesens, und andererseits von privater Tagebuchschriftstellerei und diarischer Agendaführung.
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Endnoten
Zur Lebensgeschichte von Carl Misch vgl. Sigrid Schneider, “Im Bestreben, unerwünschten Zuzug fernzuhalten” — Carl Mischs verhinderte Rückkehr aus dem Exil. In: Rückkehr aus dem Exil. Emigranten aus dem Dritten Reich in Deutschland nach 1945. Essays zu Ehren von Ernst Loewy. Hrsg. von Thomas Koebner und Erwin Rotermund. Marburg 1990, S. 83–94, hier S. 85.
K. A. Varnhagen von Ense, Berliner Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik. In: Ders., Denkwürdigkeiten und Vermischte Schriften. Bd. 7, Leipzig 1846, S. 553–564.
Vgl. Briefe Alexander von Humboldts an Varnhagen von Ense aus den Jahren 1827 bis 1858. Nebst Auszügen aus Varnhagen’s Tagebüchern und Briefen von Varnhagen und Andern an Humboldt. Hrsg. von Ludmilla Assing. Leipzig 1860.
C. A. Geil, Karl August Varnhagen von Ense (Ein kulturhistorisches Lebensbild). In: Rheinische Blätter für Erziehung und Unterricht 60, 1886, S. 256–268, 348–362, hier, S. 362.
Georg Heinrich Pertz, Das Leben des Ministers Freiherrn vom Stein. 6 Bde. Berlin 1849–1855, hier Bd. 3, S. 705f.
K. A. Varnhagen von Ense, Geschichte der hamburgischen Begebenheiten während des Frühjahrs 1813. London 1813 (= Bremen 1814); ders., Geschichte der Kriegszüge des Generals Tettenborn während der Jahre 1813 und 1814. Stuttgart und Tübingen 1814; vgl. Varnhagen, Werke, Bd. 4, S. 11ff., 794ff.
Vgl. dazu das Kapitel ‘Tettenborn in Hamburg’ in: Leonhard Wächter’s Historischer Nachlaß. Hrsg. von C. F. Wurm. 2 Bde. Hamburg 1838/39, hier Bd. 2, S. 324–339, vor allem S. 331–336.
Conrad Ferdinand Meyer, König Gustav Adolfs Page. In: Conrad Ferdinand Meyer. Sämtliche Werke. Hist.-krit.-Ausgabe. Besorgt von Hans Zeller und Alfred Zäch. 15 Bde. Bern 1963–1985, hier Bd. 11, S. 167–214.
Vgl. Christa Schultze, Theodor Fontane und K. A. Varnhagen von Ense im Jahre 1848 (mit einem Brief Varnhagens an Fontane vom 11. Februar 1852). In: Fontane Blätter 1, 1967, H. 4, S. 139–153; auf die Tatsache, daß Varnhagen für Fontane auch in literarischer Hinsicht ein Vorbild war, machte Walther Rehm in seinem Aufsatz ‘Alexander von der Marwitz’ aufmerksam; vgl. ders., Begegnungen und Probleme. Studien zur deutschen Literaturgeschichte. Bern 1957, S. 243–273, 445–448, hier S. 246ff.
Vgl. Ricarda Huch, Die Romantik. Ausbreitung, Blütezeit und Verfall. Tübingen, Stuttgart 1951, S. 476ff.
Vgl. Alfred Estermann, Die deutschen Literatur-Zeitschriften 1815–1850. Bibliographien, Programme, Autoren. 10 Bde. Nendeln 1978–1981, hier Bd. 2, S. 171ff., Nr. 2100.
Vgl. Konrad Feilchenfeldt, Erzählen im journalistischen Kontext: Clemens Brentanos ‘Die mehreren Wehmüller und ungarischen Nationalgesichter’. In: Texte, Motive und Gestalten der Goethezeit. Festschrift für Hans Reiss. Herausgegeben von John L. Hibberd und H. B. Nisbet. Tübingen 1989, S. 207–223, hier S. 210ff.
[Rez.] Tieck’s Gedichte aus Italien: Gesellschafter 1823, 150. Bl. vom 19. September, S. 721f.; wiederabgedruckt in: K. A. Varnhagen von Ense, Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim 1837, S. 539ff; ders., Denkwürdigkeiten und Vermischte Schriften. Bd. 6. 2. Aufl. Leipzig 1843 (Vermischte Schriften 2. Aufl., 3. T.), S. 403ff.
K. A. Varnhagen von Ense, Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim 1837, S. 506–527; ders., Denkwürdigkeiten und Vermischte Schriften. Bd. 6. 2. Aufl. Leipzig 1843 (Vermischte Schriften, 2. Aufl. 3. T.), S. 379–395.
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Wiedenmann, U. (1994). Tagesliteratur zwischen literarischer Verantwortlichkeit und politischem Handeln. In: Karl August Varnhagen von Ense. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03517-2_5
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