Zusammenfassung
Die Beziehungen zwischen Mythos, Moderne und Monopolkapital sind verwickelt und kompliziert. Der Mythos, der durch die verschiedenen Spielarten des viktorianischen Rationalismus während der Epoche des liberalen Kapitalismus unterdrückt war, verschafft sich mit Nietzsche als einem seiner prophetischen Vorläufer erneut Zugang zur europäischen Kultur zu genau jener Zeit, in der der Kapitalismus des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts allmählich übergeht in die »höheren« Formen der Kapital- oder Aktiengesellschaften. Wenn die Ökonomie des laissez-faire jetzt in systematischere Formen übergeht, dann paßt dazu die Wiedergeburt des Mythos (der seinerseits wie Lévi-Strauss uns gelehrt hat, ein hochgradig organisiertes, »rationales« System ist). Er erscheint dann als ein einfallsreiches Mittel zur Entzifferung der neuen gesellschaftlichen Verhältnisse. Solch mythologisches Denken geht einher mit einer radikalen Veränderung in der Kategorie des Subjekts. Dessen gedankliche Neubestimmung wird geleistet von Ferdinand de Saussure ebenso wie von Wyndham Lewis, von Sigmund Freud und Martin Heidegger ebenso wie von D.H. Lawrence und Virginia Woolf. Denn unter den Bedingungen des Übergangs vom Markt zum Monopolkapital kann man nicht mehr vorgeben, daß das alte, stark individualistische Ich, das sich selbst bestimmende Subjekt des klassisch liberalen Denkens, ein angemessenes Modell für die neue Selbsterfahrung der Menschen unter den geänderten gesellschaftlichen Bedingungen ist.
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Notizen
Vgl. Richard Wolin: Walter Benjamin: An Aesthetic of Redemption, New York 1982, S. 130.
Vgl. Raymond Williams »Beyond Cambridge English« in: Writing in Society, London 1983.
Sean Golden »Post-traditional English literature: a polemic« in: The Crane Bag Book of Irish Studies, Dublin 1982.
Georg Lukács: Geschichte und Klassenbewußtsein, Werke, Bd. 2, Neuwied und Berlin 1968, S. 338.
Theodor W. Adorno: Ästhetische Theorie, Gesammelte Schriften, Bd. 7, hg. Gretel Adorno und Rolf Tiedemann, Frankfurt a.M. 1970, S. 54.
Vgl. Georg Lukács: Die Eigenart des Ästhetischen, Werke, Bd. 11 und 12, Neuwied und Berlin 1963.
Jürgen Habermas »Bewußtmachende oder rettende Kritik- Die Aktualität Walter Benjamins« in: Siegfried Unseld (hg.): Zur Aktualität Walter Benjamins, Frankfurt a.M. 1972, S. 205.
Walter Benjamin: Ursprung des deutschen Trauerspiels, Gesammelte Schriften, Bd. I,1, hg. Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt a.M. 1980, S. 214f.
sowie Susan Buck-Morss: The Origin of Negative Dialectics. Theodor W. Adorno, Walter Benjamin, and the Frankfurt Institute, Hassocks, Sussex 1977, Kap, 6.
Theodor W. Adorno: Minima Moralia, Gesammelte Schriften, Bd. 4, Frankfurt a.M. 1980, S. 170.
Vgl. David Frisby: Fragments of Modernity, Cambridge 1985.
Vgl. Theodor W. Adorno an Walter Benjamin, New York, 10. November 1938,
Walter Benjamin: Briefe, Bd. 2, hg. G. Scholem und Th.W. Adorno, Frankfurt a.M. 1978, S. 784ff.
Walter Benjamin: »Kleine Geschichte der Photographie«, Gesammelte Schriften, Bd. II,1, hg. Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt a.M. 1980, S. 380.
Vgl. Theodor W. Adorno »Rückblickend auf den Surrealismus« in: Noten zur Literatur I, Gesammelte Schriften, Bd. 11, Frankfurt a.M. 1974, S. 101–105.
Walter Benjamin: Einbahnstraße, Gesammelte Schriften, Bd. IV, Frankfurt a. M. 1972, S. 112.
Vgl. Walter Benjamin »Neapel«, Gesammelte Schriften, Bd. IV, Frankfurt a.M. 1972, S. 307 bis 316.
Walter Benjamin »Der Sürrealismus«, Gesammelte Schriften, Bd. II,1, Frankfurt a.M. 1980, S. 310.
Walter Benjamin »Der Autor als Produzent«, Gesammelte Schriften, Bd. II,2, Frankfurt a.M. 1980, S. 699.
Walter Benjamin »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit«, Gesammelte Schriften, Bd. I,2, Frankfurt a.M. 1980, S. 508.
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Eagleton, T. (1994). Der marxistische Rabbi: Walter Benjamin. In: Ästhetik. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03510-3_13
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Online ISBN: 978-3-476-03510-3
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