Zusammenfassung
Das Vorhaben, philosophische Probleme eines künstlerischen Textes zu erörtern, hat Literaturwissenschaftler und Philosophen immer wieder dazu verführt, vor allem der Frage nachzugehen, in welchen philosophiegeschichtlichen Zusammenhängen die in der Dichtung ausdrücklich benannten weltanschaulichen Überzeugungen stehen. Die Neigung dazu wird um so stärker sein, wenn der Text mit philosophischem Gedankengut derart vollgestopft ist wie Dantons Tod. Doch kann ein solches Vorgehen nicht allzu weit führen. Es hat die problematische Prämisse, daß der philosophische Sinn einer Dichtung auch in philosophischer Sprache artikuliert sei. Diese zweifelhafte Annahme ist der Grund dafür, daß viele Philosophen selbst in großen Dichtungen nur Erkenntnisse entdecken zu können meinen, die von der philosophischen Zunft früher und schärfer formuliert worden sind. Sie verdrängen auf diese Weise den Gedanken, daß die philosophische Bedeutung von Dichtung in Fragen, Befürchtungen, Ahnungen, Einsichten liegen könnte, die begrifflich noch nicht formulierbar waren oder die begrifflich überhaupt nicht angemessen faßbar sind, weil sie in der Sprache der Philosophie notwendigerweise eine starre, endgültige Form annehmen, während das Wesentliche dieser Fragen, Befürchtungen, Ahnungen in ihrem immer wieder neu herausfordernden Charakter besteht.
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Referenzen
Benno von Wiese: Die deutsche Tragödie von Lessing bis Hebbel, Bd. IL Hamburg 1948, S. 309.
Georg Lukács: Der faschistisch verfälschte und der wirkliche Georg Büchner. In: G. L.: Deutsche Realisten des 19. Jahrhunderts. Berlin 1951, S. 9.
Arnold Zweig: Essays, Bd. I (Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, XV). Berlin 1959, S. 178; s. a. Lukács [Anm. 2], S. 69.
Vgl. Thomas Michael Mayer: Büchner und Weidig — Frühkommunismus und revolutionäre Demokratie. In: Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Georg Büchner I/II (Reihe »Text und Kritik«, Sonderband). München 1979.
Karl Marx und Friedrich Engels: Werke, Bd. III. Berlin 1962, S. 227, 424.
Gustav Janouch: Gespräche mit Kafka. Frankfurt/Main 1961, S. 102.
Vgl. Dieter Arendt und Günter Oesterle: Georg Büchner als Medizinstudent und Revolutionär in Gießen oder »eine hohle Mittelmäßigkeit in allem«. In: Klaus Bohnen und Ernst Ulrich Pinkert (Hrsg.): Georg Büchner im interkulturellen Dialog. Publications of the Department of Languages and Intercultural Studies, University of Aalborg, Vol. II. Kopenhagen und München 1988, S. 21 f.. S. a. Mayer [Anm. 7], S. 86 ff.
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Vgl. Reinhold Grimm: Love, Lust an Rebellion. New Approaches to Georg Büchner. Madison 1985.
Vgl. Theo Buck: Grammatik einer neuen Liebe. Anmerkungen zu Georg Büchners Marion-Figur. Aachen 1986.
Thomas P. Saine: Von der Kopernikanischen Wende bis zur Französischen Revolution. Berlin 1987, S. 13.
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Werner, HG. (1993). Büchners aufrührerischer Materialismus. Zur geistigen Struktur von »Dantons Tod«. In: Literarische Strategien. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03460-1_16
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