Zusammenfassung
Die literarischen Darstellungen der Mutter-Tochter Beziehungen in den letzten fünfzehn Jahren und ihr interpretatorischer Rahmen spiegeln viele Facetten einer Wandlung feministischer Kritik und Theorie seit dem Beginn der jüngsten Frauenbewegung wieder. Auseinandersetzungen in letzter Zeit, meistens aus der Perspektive der Töchter, umfassen Themen wie Matrophobia, Abschied von der Mutter, die Idealisierung der Mutter, Angst vor der Beschuldigung der Mutter, Versöhnung und Symbiose sowie die ›Faszination‹ durch die präödipale Phase. Trotz des nuancierten und facettenreichen Spektrums zeitgenössischer literarischer und theoretischer Untersuchungen kursieren Auseinandersetzungen mit dem Thema Mutter meistens entweder innerhalb eines gewissen intellektuellen Radius oder sie sind von mythischen Erwartungen, die mit Begehren verbunden sind, beeinflußt. Die Mutter im Sinne einer Täterin oder als ›Biest‹, wie in Elfriede Jelineks Roman Die Klavierspielerin, hat aus vielen Gründen eine beunruhigende Wirkung auf uns. Negative Darstellungen stellen unser Bild der Mutterschaft in Frage, das von Julia Kristeva als ›Idealisierung des primären Narzißmus‹ bezeichnet wird. Die Vermeidung negativer Darstellungen der Mutter ist vermutlich noch eine Reaktion auf die psychoanalytischen Verurteilungen schlechter Mutterschaft, die in den vierziger und fünfziger Jahren geläufig waren, einer Zeit, in der Mütter für alle gesellschaftlichen, psychischen oder physischen Krankheiten verantwortlich gemacht wurden.
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Literaturverzeichnis
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Kosta, B. (1993). Muttertrauma: Anerzogener Masochismus. In: Kraft, H., Liebs, E. (eds) Mütter — Töchter — Frauen. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03454-0_11
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