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Zivilgesellschaft und Staat Anmerkungen zu einer Diskussion

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Politisches Denken Jahrbuch 1992

Zusammenfassung

Die Schwierigkeit, sich in der seit einigen Jahren in Umlauf gekommenen Diskussion über Zivilgesellschaft Klarheit zu verschaffen, ist eine mehrfache. Zum einen hat sie mit Herkunft und Bezugsfeld der Diskussion zu tun. Die in den beiden letzten Jahrzehnten in osteuropäischen Staaten geführte Diskussion bewegt sich im Horizont einer Sichtung von Oppositionsformen und demokratischen Alternativen zum herrschenden Staatsapparat und verweist mit dem Titel der civil society auf das, was fehlt: auf nicht vom Staat integrierte Formen gesellschaftlicher Tätigkeit und Selbstorganisation. Viele haben den 1989 kulminierenden Prozeß als Wiedergewinnung der Zivilgesellschaft beschrieben.1 Angesprochen ist darin ein ganzes Syndrom von praktischen Leitmotiven und institutionellen Vorstellungen, die nicht ohne weiteres auf einen Nenner zu bringen sind. Zum Teil verwandte Motive bestimmen die westliche Diskussion, die ihrerseits ein Ungenügen an der realen Verfaßtheit des Politischen zum Ausdruck bringt — eine Gemeinsamkeit, die allerdings ihre Grenzen hat: Manches, was dort zum vitalen Anliegen gehört(e) — der Übergang zum pluralistischen Mehrparteiensystem und zur liberalen Marktwirtschaft -, ist hier Teil der als defizient kritisierten Realität. Schon dies läßt fraglich werden, ob die grenzüberschreitende Diskussion einen einheitlichen Fokus habe. In der deutschsprachigen Diskussion kommt die eigenartige Doppelterminologie hinzu: »Zivilgesellschaft« oder »civil society« kommen als Alternativbegriffe neben »bürgerliche Gesellschaft« zu stehen, womit sich irgendwie die Unterstellung verbindet, daß der letzte Begriff für das verhandelte Anliegen zu eng oder zu einseitig sei; »bürgerliche Gesellschaft« bleibt gewissermaßen zu stark durch die Hegeische Prägung und die Marxsche Diskreditierung besetzt, um im Diskurs frei verfügbar zu sein. Zivilgesellschaft hat mit dem Bürgerlichen zu tun, wobei aber als semantische Anschlußstelle teils eher Kontexte wie »ziviler Ungehorsam« und »Bürger(rechts)-bewegungen«, »Bürgerinitiativen« etc. fungieren.

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Angehrn, E. (1993). Zivilgesellschaft und Staat Anmerkungen zu einer Diskussion. In: Gerhardt, V., Ottmann, H., Thompson, M.P. (eds) Politisches Denken Jahrbuch 1992. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03445-8_11

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03445-8_11

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-00873-2

  • Online ISBN: 978-3-476-03445-8

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